Die Göttliche Komoedie
By Dante Alighieri

Presented by

Public Domain Books

Das Paradies

Erster Gesang

Der Ruhm des, der bewegt das große Ganze,
Durchdringt das All, und diesem Teil gewährt
Er minder, jenem mehr von seinem Glanze.
Im Himmel, den sein hellstes Licht verklärt,–
War ich und sah, was wiederzuerzählen
Der nicht vermag, der von dort oben kehrt.
Denn, nah’n dem Ziel des Sehnens unsre Seelen,
Das unsern Geist zur tiefsten Tiefe zieht,
Dann muß der Rückweg dem Gedächtnis fehlen.
Doch alles, was im heiligen Gebiet
Nur einzusammeln war von sel’ger Schöne,
Der edle Schatz, sei Stoff jetzt meinem Lied.
Apollo, Güt’ger, leih mir deine Töne
Zum letzten Werk–mach’ ein Gefäß aus mir,
Wert, daß es dein geliebter Lorbeer kröne.
Mir g’nügt’ ein Gipfel des Parnaß bis hier,
Doch, soll der Rennbahn Ziel der Sieger grüßen,
So fleh’ ich jetzt um beid’ empor zu dir.
Den Odem hauch’ in mich, den reinen, süßen,
Daß du hier stark, wie bei dem Wettkampf, seist,
Den Marsyas kämpft’, um frevlen Stolz zu büßen.
O Götterkraft, wenn du dich jetzt mir leihst,
Den Nachschein von des sel’gen Reiches Glanze
Zu malen aus dem Bild in meinem Geist,
Dann siehest du mich nah’n der teuren Pflanze
Und, durch den Stoff und dich des wert, geschmückt
Und reichgekrönt mein Haupt mit ihrem Kranze.
Wenn man ihr Laub, o Vater, selten pflückt,
Um Cäsars und des Dichters Sieg zu ehren,
Weil Schuld und Schmach den Willen niederdrückt,
Muß Freud’ es wohl dem freud’gen Gott gewähren,
Den Delphos preist, kehrt nun mit kühnem Mut
Nach Daphnes Laub ein Herz all sein Begehren.
Und weckt ein kleiner Funk’ oft große Glut,
So fleht nach mir zu höherer Verkündung
Ein andrer wohl um deine Hilf und Hut.–
Den Sterblichen entsteigt aus mancher Mündung
Das Licht der Welt; allein in einer sind
Vier Kreise mit drei Kreuzen in Verbindung,
Wo’s bessern Lauf mit besserm Stern beginnt,
So daß der Erde Wachs in diesem Zeichen
Von ihm ein schöneres Gepräg gewinnt.
In ihm hieß Sol den Tag bei uns erbleichen
Und dort entglüh’n; und auf dem Halbkreis hier
Die schwarze Nacht sich nah’n und dort entweichen.
Und links gewandt erschien Beatrix mir,
Und wie kein Aar je fest und ungeblendet
Zur Sonne sah, so blickte sie zu ihr.
Und wie der erste Strahl den zweiten sendet,
Der, ihm entflammt, hell auf- und rückwärts blitzt,
Dem Pilgrim gleich, der sich zur Heimat wendet,
So macht’ ihr Blick, der durch die Augen itzt
Mein Innres traf, zur Sonn’ auch meinen steigen,
Mit größrer Kraft, als onst der Mensch besitzt.
Viel darf man dort, was hier zu übersteigen
Die Kraft pflegt, die uns nimmer dort gebricht,
Am Ort, den Gott schuf als der Menschheit eigen.
Nicht lang’ ertrug ich’s, doch so wenig nicht,
Um nicht zu sehn, daß, wie dem Feu’r entnommen,
Das Eisen sprüht, sie sprüht’ in Glut und Licht.
Und plötzlich schien ein Tag zum Tag zu kommen,
Als sei durch den, der’s kann, am Himmelsrand
Noch eine zweite neue Sonn’ entglommen.
Fest schauend nach den ew’gen Kreisen, stand
Beatrix dort, und ihr ins glanzerhellte
Gesicht sah ich, von oben abgewandt,
Und fühlte, da mir Lust das Innre schwellte,
Was Glaukus fühlt’, als er das Kraut geschmeckt,
Das ihn im Meer den Göttern zugesellte.
Verzückung fühlt’ ich. Was sie sei, entdeckt
Die Sprache nicht, mag’s drum dies Beispiel Iehren,
Wenn je in euch die Gnade sie erweckt.
Ob ich nur Seele war?–Du magst’s erklären,
O Liebe, Himmelslenkerin, die mich
Mit ihrem Licht erhob zu jenen Sphären.
Als nun der Kreis, der durch dich ewiglich
In Sehnsucht rollt, mein Aug’ an sich gezogen
Mit Harmonien, verteilt, gemischt durch dich,
Durchflammte Sonnenglut des Himmels Bogen
So weit hin, wie von Strom und Regenflut
Kein See noch je erstreckt die breiten Wogen.
Des Klanges Neuheit und die lichte Glut,
Sie machten, daß ich vor Begierde brannte,
Wie nimmer sie erweckt ein andres Gut;
Drob sie, die mich, wie ich mich selbst, erkannte,
Mir zu befried’gen den erregten Geist,
Noch eh’ ich fragte, schon sich zu mir wandte
Und sprach: “Ein Wahn ist Schuld, daß du nicht weißt,
Was du sogleich erkennen wirst und sehen,
Sobald du dich von seinem Trug befreist.
Du glaubst noch auf der Erde fest zu stehen,
Doch flieht kein Blitz aus seinem Vaterland
So schnell, wie du jetzt eilst, hinaufzugehen."
Kaum daß der erste Zweifel mir verschwand,
Durchs kurze Wort und ihres Lächelns Frieden,
Als wieder schon ein neuer mich umwand.
Ich sprach: “Vom Staunen ruht’ ich schon zufrieden;
Doch steig’ ich jetzt durch leichte Stoff’ empor,
Drum ist dazu mir neuer Grund beschieden."
Ein Seufzer weht’ aus ihrem Mund hervor,
Dann sah sie hin auf mich, wie auf den Knaben
Die Mutter blickt, die sagen will: Du Tor!
“Die Dinge sämtlich”, so begann sie, “haben
Unter sich Ordnung, und das All ist nur
Durch diese Form gottähnlich und erhaben.
Die höhern Wesen sehn in ihr die Spur
Der Kraft, der ew’gen, die zum Ziel gegeben
Vom Schöpfer ward der Ordnung der Natur.
Nach ihr nun sehn wir alle Wesen streben,
Ob hoch ihr Los, ob niedrig sei; ob mehr,
Ob minder nah sie ihrem Ursprung leben.
Sie treiben durch des Seins unendlich Meer,
Geleitet vom Instinkt, den Gott als Steuer
Jedwedem gab, auf mancher Bahn daher.
Er trägt zum Mond empor das rege Feuer,
Er ist’s, der rund den Bau der Erde drückt,
Er ist der Herzschläg’ Ordner und Erneurer.
Nicht nur auf Wesen, die vernunftlos, zückt
Er, wie ein Bogen, seine sichern Pfeile,
Auf die auch, die Vernunft und Liebe schmückt.
Die Vorsicht, die zum Ganzen eint die Teile,
Die durch ihr Licht des Himmels Ruh’ erhält,
In dem der Kreis sich dreht von größter Eile,
Läßt zum bestimmten Platz in jener Welt
Uns jetzo durch die Kraft der Sehne bringen,
Die, was sie treibt, nach heiterm Ziele schnellt.
Wahr ist’s, daß, wie oft Formen nicht gelingen,
Wie sie in sich des Künstlers Geist empfah’n,
Wenn spröde mit der Kunst die Stoffe ringen,-
So das Geschöpf oft weicht von seiner Bahn,
Denn ihm ist von Natur die Kraft verliehen,
Trotz jener Kraft, sich anderm Ziel zu nah’n,
Wenn erdenwärts es falsche Reize ziehen;
Wie aus der Wolke, wenn das Wetter grollt,
Zum Boden hin des Feuers Strahlen fliehen.
Nun staunst du, war ich klar, wie ich gewollt,
So wenig drob, daß du emporgestiegen,
Als daß der Bach vom Berg zur Tiefe rollt.
Bliebst du, von Hemmnis frei, am Boden liegen,
Erstaunenswerter wär’s, als sähest du
Träg an den Grund sich lebend Feuer schmiegen."
Hier wandt’ ihr Antlitz sich dem Himmel zu.

Zweiter Gesang

O ihr, die ihr, von Hörbegier verleitet,
Des Nachens Fahrt nach meinem Schiff gewandt,
Das mit Gesange durch die Fluten gleitet,
Kehrt wieder heim zu dem verlaßnen Strand,
Schifft nicht ins Meer, denn, die mir folgen, wären
Vielleicht verirrt, wenn meine Spur verschwand.
Ich steure hin zu nie befahrnen Meeren;
Minerva haucht, Apoll ist mein Geleit,
Neun Musen zeigen mir am Pol die Bären.
Ihr andern wen’gen, die zur rechten Zeit
Ihr euch geneigt zum Engelsbrot, das Leben
Hienieden uns nie Sättigung verleiht,
Ihr könnt euch kühn aufs hohe Meer begeben,
Wenn ihr daher auf meiner Furche fahrt,
Eh’ wieder gleich das Wasser wird und eben.
Anstaunen sollt ihr, was ihr bald gewahrt,
Mehr als die Helden, die nach Kolchis zogen,
Anstaunten, daß zum Pflüger Jason ward.
So schnell fast, als des Himmels Kreise, flogen
- Wir fort, zum Reich, dem Gott die Form verlieh,
Vom angebornen, ew’gen Durst gezogen.
Beatrix blickt’ empor und ich auf sie,
Doch kaum so lang, als sich ein Pfeil zu schwingen
Vom Bogen pflegt und fliegt und ruht–da sieh
Mich dort, wo mir der Blick von Wunderdingen
Gefesselt ward, schon angelangt mit ihr;
Und sie, gewohnt, mein Innres zu durchdringen,
Sie wandte sich so froh, wie schön, zu mir:
“Auf, bring’ itzt Gott des Dankes Huldigungen!
Wir sind durch ihn im ersten Sterne hier."
Mir schien’s, als hielt’ uns eine Wolk’ umschlungen,
Von Glanz durchstrahlt, dicht, ungetrennt und rein,
Wie Diamant, vom Sonnenstrahl durchdrungen.
Die ew’ge Perle nahm uns also ein,
Gleichwie das Wasser, ohne sich zu trennen,
In sich aufnimmt des Strahles goldnen Schein.
Wenn ich nun Leib war, und wir nicht erkennen,
Wie sich in einem Raum ein zweiter fand,
So, daß im Körper Körper tauchen können,
Was sind wir drum nicht mehr vom Trieb entbrannt,
Das Ursein zu erschau’n, in dem wir schauen,
Wie unserer Natur sich Gott verband.
Dort wird uns das, worauf wir gläubig bauen,
Nicht durch Beweis, nein, durch sich selber klar,
Der ersten Wahrheit gleich, auf die wir trauen.
“Ihm, Herrin,” sprach ich, “der mich wunderbar
Der Erd’ entrückt, ihm bring’ ich jetzt, entglommen
Von frommer Glut, des Dankes Opfer dar.
Doch sprecht, woher die dunkeln Flecken kommen
Auf dieses Körpers Scheib’, aus welchen man
Zur Kainsfabel dort den Stoff entnommen."
Sie lächelt’ erst ein wenig und begann:
“Irrt sich des Menschen Geist in solchen Dingen,
Die nicht der Sinne Schlüssel öffnen kann,
So solltest du dein Staunen jetzt bezwingen,
Erkennend, daß, den Sinnen nach, nicht weit
Sich die Vernunft erhebt mit ihren Schwingen.
Allein was meinst du selbst? Gib mir Bescheid!"
Und ich: “Von dünnern oder dichtern Stellen
Kommt, wie mir scheint, des Lichts Verschiedenheit."
Drauf sie: “Du wirst bald selbst das Urteil fällen,
Daß falsch die Meinung sei, drum gib wohl acht,
Was ich für Gründ’ ihr werd’ entgegenstellen.
Der achte Kreis zeigt vieler Sterne Pracht,
An Groß’ und Eigenschaften sehr verschieden,
Wie ihr verschiednes Ansehn kenntlich macht.
War’ dies durch Dünn’ und Dichtigkeit entschieden,
So gäb’s in allen ja nur eine Kraft,
Dem mehr, dem minder, jenen gleich beschieden.
Doch der verschiedne Bildungsgrund erschafft
Verschiedne Kräft’, und alle diese schwanden,
Nach deinem Satz, vor einer Eigenschaft.
Dann, wenn die Flecken durch die Dünn’ entständen,
So denke, daß entweder hier und dort
Sich durch und durch stoffarme Stellen fänden;
Oder, gleichwie im Leib an manchem Ort
Die Fettigkeit das Magre deckt, so gingen
Die Schichten durch den Mond abwechselnd fort.
Das Erste würd’ ans Licht die Sonne bringen,
Wenn sie verfinstert ist–es ward’ ihr Schein
Dann wie durch andre dünne Stoffs dringen.
Doch dies ist nicht, drum bleibt das Zweit’ allein,
Und wenn wir widerlegt auch dieses sehen,
Dann wird dein Satz als falsch erwiesen sein.
Kann durch und durch der dünne Stoff nicht gehen,
So muß wohl eine Grenze sein, und hier
Der dichte Stoff den Strahlen widerstehen.
Zurücke blitzt sodann der Strahl von ihr–
So wirft das Glas, auf seiner hintern Seite
Mit Blei belegt, zurück dein Bildnis dir–
Nun sagst du wohl, daß, weil aus größrer Weite
Der Strahl sodann auf dich zurückeprallt,
Er deshalb auch geringres Licht verbreite.
Doch diesen Einwurf widerlegt dir bald
Erfahrung, der, als seiner ersten Quelle,
Jedweder Strom der Wissenschaft entwallt.
Drei Spiegel nimm und zwei von diesen stelle
Gleich weit von dir–dem dritten gib sodann
Entfernter zwischen beiden seine Stelle.
Kehrst du dich ihnen zu, so stelle man
Drauf hinter dich ein Licht, das sich in allen
Zum Widerstrahl des Schimmers spiegeln kann.
Ins Auge wird der fernre kleiner fallen,
Doch wird auf dich von ihnen allzumal
Ein gleich lebendig Licht zurückeprallen.
Jetzt aber, wie beim warmen Sonnenstrahl
Des Schnees Massen in sich selbst zergehen,
Und Farb’ und Frost zerrinnt im lauen Tal,
So soll’s dem Wahn in deinem Geist geschehen,
Und durch mein Wort sollst du lebend’ge Glut
Vor deinem Blick in regem Schimmer sehen.
Im Himmel, wo der Frieden Gottes ruht,
Dreht sich ein Kreis, in dessen Kraft und Walten
Das Sein all des, was er enthält, beruht.
Der nächste Himmel, reich an Lichtgestalten,
Verteilt dies Sein verschiednen Körpern drauf,
Von ihm gesondert, doch in ihm enthalten.
Aus ändern Kreisen von verschiednem Lauf
Nimmt die verschiedne Kraft, in ihnen lebend,
Dann jeder Stern nach seinen Zwecken auf.
So siehst du diese Weltorgane schwebend,
In sich im Kreis bewegt von Grad zu Grad,
Von oben nehmend und nach unten gebend.
Betrachte wohl den Weg, den ich betrat,
Auf dem ich dir erwünschte Wahrheit weise,
Dann findest du wohl künftig selbst den Pfad.
Kraft und Bewegung nehmen jene Kreise
Von Lenkern an, die ew’ges Heil beglückt,
Wie Stein sich formt nach seines Künstlers Weise.
Den Himmel, den die Schar der Sterne schmückt,
Wird von dem Geist, durch den sie rollend Schweben,
Gepräg’ und Bildnis mächtig eingedrückt.
Und wie die Seele, noch vom Staub umgeben,
Durch Glieder von verschiedner Art beweist,
Was in ihr für verschiedne Kräfte leben,
So zeiget seine Huld der Weltengeist,
Der ewig einer ist, hier, vielgestaltet,
Im Sternenheer, das durch die Himmel kreist.
Daher verschiedne Kraft verschieden waltet
Im edlen Körper, welchen sie durchdrang,
In dem sie, wie in euch das Leben, schaltet.
Und da sie heiterer Natur entsprang,
Glänzt diese Kraft in jedes Sternes Lichte,
Gleichwie im Augenstern der Wonne Drang.
Durch sie also, und nicht durchs Dünn’ und Dichte,
Erhält verschiednen Glanz der Sterne Schar;
Daß sie ein Denkmal ihrer Huld errichte,
Schafft diese Bildnerin, was trüb und klar.”

Dritter Gesang

Die Sonne, die mich einst mit Glut erfüllt,
Beweisend hatte sie und widerlegend
Der Wahrheit holdes Antlitz mir enthüllt.
Und ich, belehrt, nicht länger Zweifel hegend,
Wollt’ eben, daß ich’s sei, gestehn und stand,
Das Haupt, soweit sich’s ziemt, emporbewegend.
Doch ein Gesicht erschien, und so gespannt
Hielt ich den Blick darauf, um’s zu gewahren,
Daß mein Geständnis der Erinnrung schwand.
Und wie von Gläsern, von durchsicht’gen, klaren,
Von Weihern, welche seicht, doch still und rein,
Den Boden unverdunkelt offenbaren,
Ein Antlitz widerstrahlt, so schwach und fein,
Daß man erkennen würd’ in größrer Schnelle
Auf weißer Stirn der Perle bleichen Schein;
So sah ich manch Gesicht an jener Stelle
Und war im Gegensatz des Wahns, durch den
Einst Lieb’ entflammt ward zwischen Mann und Quelle.
Denn plötzlich glaubt’ ich, wie ich sie ersehn,
Es wären Spiegelbilder, und bemühte
Mich, ringsumher ihr Urbild zu erspäh’n.
Doch sah ich nichts, und, zweifelnd im Gemüte,
Schaut’ ich ins Licht der süßen Führerin,
Die lächelnd in den heil’gen Augen glühte.
Und sie begann: “Nicht staun’ in deinem Sinn.
Belacht’ ich deine kindischen Gedanken.
Noch gehst du auf der Wahrheit strauchelnd hin,
Um, wie du pflegst, dem Wahne zuzuwanken.
Wirkliche Wesen zeigt dir dies Gesicht,
Die, untreu dem Gelübd’, in Schuld versanken.
Sprich, hör’ und glaube; denn das wahre Licht,
Das sie beseligt, wird es nie gestatten,
Daß ihm zu folgen sich ihr Fuß entbricht.
Ich wandte mich und sprach zu einem Schatten,
Der sprechenslustig schien, schnell, als ein Mann,
Den längst gequält der Neugier Stacheln hatten:
“O Seele, die das ew’ge Licht gewann,
Die selig hier die Süßigkeiten machten,
Die nur, wer sie geschmeckt, begreifen kann,
O sei jetzt freundlich mir. Mein ganzes Trachten
Ist ja dein Nam’ und euer Los. Drum sprich!"–
Und sie, bereit, mit Augen, welche lachten,
Sprach: “Unsre Lieb’ erschließt sich williglich
Gerechtem Wunsch, gleich der, der Liebe Bronnen,
Die ihr Gefolg gebildet will nach sich.
Dort auf der Welt gehört’ ich zu den Nonnen,
Doch wende nur mir die Erinnrung zu,
Und durch die höh’re Schönheit, höhern Wonnen,
Daß ich Piccarda bin, erkennest du,
Mit diesen allen, die sich selig nennen,
Zum trägsten Kreis versetzt in Wonn’ und Ruh’.
All unsre Triebe, die allein entbrennen
In Lust des Heil’gen Geist’s, sind hoch ergetzt,
Weil sie in seiner Weihe sich erkennen.
Dies Los, von dir vielleicht geringgeschätzt,
Ward uns zuteile, weil wir dort auf Erden
Verabsäumt die Gelübd’ und sie verletzt."
Drauf ich: “Euch glänzt in Antlitz und Gebärden,
Ich weiß nicht was, von Gottheit, wunderbar,
Und läßt die ersten Züg’ unkenntlich werden,
Drob ich so säumig im Erkennen war,
Jetzt hilft mir, was du sprichst, dem Auge trauen
Und stellt mir deutlicher dein Bildnis dar.
Doch sprich: Ihr, glücklich hier in diesen Auen,
Zieht euch nach höherm Ort nicht die Begier,
Um mehr euch zu befreunden, mehr zu schauen?"
Ein wenig lächelten die Schatten hier,
Denn, als ob sie in erster Liebe glühte,
Erwiderte sie froh und wonnig mir:
“Bruder, hier stillt die Kraft der Lieb’ und Güte
Jedweden Wunsch, und völlig g’nügt uns dies,
Und nicht nach anderm dürstet das Gemüte.
Denn wenn es höherm Wunsch sich überließ,
So würd’ es ja dem Willen widerstehen,
Der uns in diesen niedern Kreis verwies.
Dies kann in diesen Sphären nicht geschehen;
Lieb’ ist das Band des ewigen Vereins,
Mit der nicht Kampf noch Widerstand bestehen.
Vielmehr ist’s Wesen dieses sel’gen Seins,
Nur in dem Willen Gottes hinzuwallen,
Drum schmilzt hier aller Wunsch und Trieb in eins.
Und, wie wir sind von Grad zu Grad, muß allen
Wie ihm, des Will’ allein nach seiner Spur
Den unsern lenkt, dies ganze Reich gefallen.
Und unser Frieden ist sein Wille nur,
Dies Meer, wohin sich alles muß bewegen,
Was er schafft, was hervorbringt die Natur."–
Nun sah ich: Paradies ist allerwegen
Wo Himmel ist, strömt auch von oben her
Vom höchsten Gut nicht gleich der Gnade Regen.–
Wie bei verschiednen Speisen man nicht mehr
Von dieser will und sich nach jener wendet,
Für diese dankt und noch verlangt von der,
So ich mit Wink und Wort, als sie geendet,
Um zu erfahren, was sie dort gewebt,
Allein verlassen, ehe sie’s vollendet.
“Vollkommnes Leben und Verdienst erhebt
Ein Weib”, so sprach sie, “zu den höhern Kreisen,
In deren Tracht und Schleier manche strebt,
In Schlaf und Wachen treu sich zu erweisen
Dem Bräutigam, dem jeder Schwur gefällt,
Den reine Liebestrieb’ ihm schwören heißen.
Ihr nachzufolgen floh ich jung die Welt,
Weiht’ ihrem Orden mich und war beflissen,
Dem g’nugzutun, was sein Gesetz enthält.
Doch Menschen, ruchlos mehr, als gut, entrissen
Gewaltsam dem Verlies, dem süßen, mich
Wie drauf mein Leben war–Gott wird es wissen–
Der andre Glanz, der mir zur Rechten dich
So freudig hell bestrahlt, denn er entzündet
In unsrer Sphäre ganzem Schimmer sich,
Versteht von sich, was ich von mir verkündet.
Denn man entriß, wie meinem, ihrem Haupt
Den Schleier, der der Nonnen Stirn umwindet.
Doch, ob man Rückkehr ihr zur Welt erlaubt,
Blieb doch ihr Herz bekrönt mit jenem Kranze,
Den ihrer Stirn verruchte Tat geraubt.
Sie ist das Licht der trefflichen Konstanze,
Die mit dem zweiten Sturm aus Schwabenland
Den dritten zeugt’, umstrahlt vom letzten Glanze."
Piccarda sprach’s, mir heiter zugewandt,
Und fing ein Ave an, indem sie singend,
Wie Schweres in der tiefen Flut, verschwand.
Mein Blick, ihr nach, soweit er konnte, dringend,
Erhob sich dann, sobald er sie verlor,
Nach einem Ziele größern Sehnens ringend,
Zu Beatricens Antlitz ganz empor,
Doch als ihr Aug’, ein Blitz, in meins geschlagen,
So daß zuerst es niedersank davor,
Da macht’ es zögern mich mit weitern Fragen.

Vierter Gesang

Zwischen zwei Speisen, gleich entfernt und lockend,
Ging hungrig wohl ein freier Mann zugrund’,
Nicht von der einen noch der andern brockend.
So stund’ ein Lämmchen zwischen Schlund und Schlund
Von zweien Wölfen fest, in gleichem Zagen,
So stund’ auch zwischen zweien Reh’n ein Hund.
So ließ’ verschiedner Zweifel mich nicht fragen.
Ich schwieg nur, weil ich mußt’, und kann davon
Drum weder Gutes jetzt noch Böses sagen.
Ich schwieg, doch ward mein Wunsch vom Antlitz schon
Klar ausgedrückt und deutlicher vernommen,
Als hätt’ ich ihn erklärt mit klarem Ton.
Beatrix tat wie Daniel, als entglommen
Nebukadnezar war in blinder Wut,
Die des Propheten Deutung ihm benommen.
“Daß dich zwei Wünsche drängen, seh’ ich gut,"
Begann sie, “die dich fesseln. So daß keiner
Von beiden sich nun kund nach außen tut.
Du fragst: Bleibt unser Will’ ein guter, reiner,
Wie macht Gewalttat andrer dann den Wert
Und wie den Umfang des Verdienstes kleiner?
Hiernächst auch zweifelst du, weil Plato lehrt,
Daß, wie’s ihm scheint, zu ihrem Sternenkreise
Die Seele von der Erde wiederkehrt.
Die beiden Zweifel drängen gleicherweise
Auf deinen Willen ein, daher ich Ietzt
Der schlimmern Meinung Falschheit erst beweise.
Der Seraph, den der reinste Schimmer letzt,
Moses und Samuel–die je heilig waren,
Ja, selbst Marien nenn’ ich dir zuletzt,
Sind nicht in anderm Himmel als die Scharen
Der sel’gen Geister, die du jetzt gesehn,
Sind reicher nicht und ärmer nicht an Jahren.
Die erste Sphäre machen alle schön,
Doch ist verschiedner Art ihr süßes Leben,
Wie mehr und minder Gottes Hauche weh’n.
Sie zeigten hier sich, nicht, weil ihnen eben
Der Kreis zuteil ward, nein, weil dies beweist,
Daß sie zum Höchsten minder sich erheben.
So sprechen muß man ja zu eurem Geist,
Den nur die Sinne zu dem allen leiten.
Was die Vernunft sodann ihr eigen heißt.
Drum läßt sich auch zu euren Fähigkeiten
Die Schrift herab, wenn sie von Gott euch spricht,
Von Hand und Fuß, um andres anzudeuten.
Die Kirche zeigt mit menschlichem Gesicht
Gabriel’ und Michael’ und Raphaelen,
Der neu geklärt Tobias’ Augenlicht.
Doch des Timäus Lehre von den Seelen
Ist andrer Art. Er glaubt auch, was er lehrt,
Und scheint darin kein Sinnbild zu verhehlen.
Daß sich zu ihrem Stern die Seele kehrt,
Er spricht’s und glaubt, daß sie von dort gekommen,
Als die Natur sie uns zur Form gewährt.
Allein wird dies nicht wörtlich angenommen,
So kann er doch vielleicht mit dem Beweis
Dem Ziel der Wahrheit ziemlich nahekommen,
Dafern er meinte, daß aus jedem Kreis
Das Gut’ und Böse stamm’, und deshalb lehrte,
Dem kehre Schimpf zurück und jenem Preis.
Und dieser schlechtverstandne Satz verkehrte
Fast alle Welt, so daß in Sternen man
Den Mars, Merkur und Jupiter verehrte.–
Der andre Zweifel, welcher dich umspann,
Hat mindres Gift, indem er nicht entrücken
Dich meinem Pfad durch seine Schlingen kann.
Denn scheint auch ungerecht den Menschenblicken
Unsre Gerechtigkeit, nun, so beweist
Dies Glauben nur, nicht ketzerische Tücken.
Allein wohl fähig ist des Menschen Geist,
In diese Wahrheit tiefer einzudringen,
Drum will ich jetzt, daß du befriedigt seist.
Ist das Gewalt, wenn jenen, welche zwingen,
Der, welcher leidet, nie sich willig zeigt,
So kann sie jenen nicht Entschuld’gung bringen.
Denn Wille, der nicht will, bleibt ungebeugt,
Wie Feuer, mag der Sturmwind tosend Schwellen,
Oft hingeweht, neu in die Höhe steigt.
Der Wille wird zu der Gewalt Gesellen,
Wenn er sich beugt; drum fehlte jenes Paar
Rückkehren könnend zu den heil’gen Zellen.
Blieb jener Nonnen Will’ unwandelbar,
Wie auf dem Rost Laurentius geblieben,
Wie Scävola, der streng der Rechten war,
So hätt’ er sie, befreit, zurückgetrieben
Denselben Pfad, auf dem man sie entführt;
Doch selten sind, die solchen Willen lieben.
Noch hättest du den Zweifel oft gespürt,
Der jetzt gewiß vor meinem Wort geschwunden,
Wenn du wohl aufgemerkt, wie sich’s gebührt.
Doch hält ein andrer schon dein Aug’ umwunden,
Und gänzlich schwände deine Kraft dahin,
Eh’ du dich Selbst aus ihm herausgefunden.
Ich legt’ es als gewiß in deinen Sinn,
Die Seele, die der ersten Wahrheit Pforten
Stets nahe bleibt, sei niemals Lügnerin.
Doch nun erfuhrst du durch Piccarda dorten,
Daß ihren Schlei’r Konstanze nie vergaß,
Und dies scheint Widerspruch mit meinen Worten.
Oft, Bruder, die Gefahr zu flieh’n, geschah’s,
Daß sich ein Mensch, auch wider Willen, dessen,
Was nimmer sich zu tun geziemt, vermaß.
So hat Alkmäon, welcher sich vermessen
Des Muttermords, weil ihn sein Vater bat,
Die Sohnespflicht aus Sohnespflicht vergessen.
Daraus erkennst du diese Wahrheit: hat
Der Wille sich vermischt dem äußern Drange,
So liegt in ihm die Schuld der bösen Tat.
Der unbedingte Wille trotzt dem Zwange,
Doch stimmt insofern bei, als der Gefahr
Er zagend weicht, vor größerm Schaden bange.
Piccarda sprach, dies siehst du jetzo klar,
Vom unbedingten Willen nur zum Guten,
Vom zweiten Ich, und beider Wort ist wahr."
So war das Wogen jener heil’gen Fluten
Dem Quell entströmt, dem Wahrheit nur entquillt,
Daß süß befriedigt meine Wünsche ruhten.
“Liebste des ersten Liebenden, o Bild
Der Gottheit,” rief ich, “deren Rede regnet,
Erwärmt und mehr und mehr belebt und stillt.
Oh, war’ mit Inbrunst doch mein Herz gesegnet
Zum Dank, der g’nügte deiner Huld–doch dir
Sei nur von ihm, der sieht und kann, entgegnet.
Nie sättigt sich der Geist, dies seh’ ich hier,
Als in der Wahrheit Glanz, dem Quell des Lebens,
Die uns als Wahn zeigt alles außer ihr.
Doch fand er sie, dann ruht die Qual des Strebens,
Und finden kann er sie, sonst wäre ja
Jedweder Wunsch der Menschenbrust vergebens.
Dann läßt der Geist, wenn er die Wahrheit sah,
An ihrem Fuß den Zweifel Wurzel schlagen
Und treibt von Höh’n zu Höh’n dem Höchsten nah.
Dies ladet nun mich ein, dies heißt mich wagen,
Nach einer andern dunkeln Wahrheit jetzt
Voll Ehrfurcht, hohe Herrin, Euch zu fragen.
Kann wohl der Mensch, der ein Gelübd’ verletzt,
Durch andres gutes Werk dies so vergüten,
Daß Ihr’s, nach Eurer Wag’, als g’nügend schätzt?
Sie sah mich an, und Liebesfunken sprühten
Aus ihrem Aug’ so göttlich klar hervor,
Daß ich, besiegt, sobald sie mir erglühten,
Gesenkten Blicks mich selber fast verlor.

Fünfter Gesang

“Wenn ich in Liebesglut dir flammend funkle,
Mehr, als es je ein irdisch Auge sieht,
So, daß ich deines Auges Licht verdunkle,
Nicht staune drum–es macht, daß dies geschieht,
Vollkommnes Schauen, welches, wie’s ergründet,
In dem Ergründeten uns weiterzieht.
Schon glänzt, ich seh’s in deinem Blick verkündet.
In deinem Geist ein Schein vom ew’gen Licht,
Das, kaum gesehen, Liebe stets entzündet.
Und liebt ihr, weil euch andrer Reiz besticht,
So ist’s, weil, unerkannt, vom Licht, dem wahren,
Ein Strahl herein auf das Geliebte bricht.
Ob andrer Dienst, dies willst du jetzt erfahren,
Gebrochenes Gelübd’ ersetzen kann,
Um vor dem Vorwurf euer Herz zu wahren."
So fing ihr heil’ges Wort Beatrix an
Und setzte dann, die Rede zu vollenden,
Ununterbrochen fort, was sie begann.
“Die größte Gab’ aus Gottes Vaterhänden
Und seiner reichen Güte klarste Spur,
Von ihm geschätzt als höchste seiner Spenden,
Ist Willensfreiheit, so die Kreatur,
Der er Vernunft verlieh, von ihm bekommen,
Von diesen jede, doch auch diese nur.
Hieraus ersieh den hohen Wert des frommen
Gelübdes, wenn es so beschaffen ist,
Daß Gott, was du geboten, angenommen.
Denn, wer mit Gott Vertrag schließt, der vermißt
Sich, diesen Schatz zum Opfer darzubringen,
Mit dessen Werte sich kein andrer mißt.
Wie kann drum je hier ein Ersatz gelingen?
Brauchst du auch wohl, was du geopfert hast,
So ist’s nur Wohltat mit gestohlnen Dingen.
Du hast das Wichtigste nun aufgefaßt,
Doch weil die Kirche vom Gelübd’ entbindet,
So zweifelst du an meiner Wahrheit fast.
Drum bleib am Tisch ein wenig noch. Hier findet,
Ob du auch Unverdauliches gespeist,
Das Mittel sich, vor dem der Schmerz verschwindet.
Dem, was ich sag’, erschließe deinen Geist,
Denn Hören gibt nicht Weisheit, nein, Behalten;
Behalt es drum, damit du weise seist.
In diesem Opfer sind zwei Ding’ enthalten;
Das erste: des Gelübdes Gegenst and–
Das zweite: der Vertrag, es treu zu halten.
Der letztere hat ewigen Bestand,
Bis er erfüllt ist, und wie er zu achten,
Dies macht’ ich oben dir genau bekannt.
Drum mußten die Hebräer Opfer schlachten,
Obwohl für das Gelobte dann und wann
Sie, wie du wissen mußt, ein andres brachten.
Der Gegenstand kann also sein, daß man,
Auch ohne Reu’ und Vorwurf zu empfinden,
Mit einem andern ihn vertauschen kann.
Nur mag sich dessen niemand unterwinden
Nach eigner Wahl, wenn ihn der ersten Last
Der gelb’ und weiße Schlüssel nicht entbinden.
Und jeder Tausch der Bürd’ ist Gott verhaßt,
Wenn, die wir nehmen, die wir von uns legen,
Nicht wie die Sechs die Vier, voll in sich faßt.
Drum, ziehet das, was man gelobt, beim Wägen
Jedwede Wag’ herab durch sein Gewicht,
So gibt’s auch nirgendwo Ersatz dagegen.
Scherzt, Sterbliche, mit dem Gelübde nicht.
Seid treu, doch seht euch vor; denn schwer beklagen
Wird’s jeder, der, wie Jephtha, blind verspricht.
Ihm ziemt’ es besser: Ich tat schlimm! zu sagen,
Als, haltend, schlimmer tun–und gleiche Scham
Sah man davon den Griechenfeldherrn tragen;
Drob Iphigenia weint’ in bitterm Gram
Und um sich weinen Weis’ und Toren machte,
Ja, jeden, der von solchem Dienst vernahm.
Sei nicht leichtgläubig, Christenvolk, und trachte,
Nicht wie der Flaum im Windeshauch zu sein;
Daß dich nicht jedes Wasser wäscht, beachtet
Das Alt’ und Neue Testament ist dein,
Der Kirche Hirt ist Führer ihren Söhnen,
Und dieses g’nügt zu eurem Heil allein.
Und reizt euch jemand, schlechtem Trieb zu frönen,
Nicht Schafe seid ihr, eurer unbewußt,
Drum laßt vom Nachbar Juden euch nicht höhnen.
Tut nicht dem Lamm gleich, das der Mutter Brust
Aus Einfalt läßt und, dumm und geil, vergebens
Nur mit sich selber kämpft nach seiner Lust."
Beatrix sprach’s und wandte, regen Strebens,
Ganz Sehnen, ihren Blick zum hellem Licht,
Empor zur schönen Welt des höhern Lebens.
Ihr Schweigen, ihr verwandelt Angesicht
Geboten dem begier’gen Geiste Schweigen
Und ließen mich zu neuen Fragen nicht.
Und schnell, wie sich beschwingte Pfeile zeigen,
Ins Ziel einbohrend, eh’ die Sehne ruht,
So eilten wir, zum zweiten Reich zu steigen.
Die Herrin sah ich so in frohem Mut,
Da uns der Flug zum neuen Glänze brachte,
Daß heller ward des Sternes Licht und Glut.
Wenn der Planet nun, sich verwandelnd, lachte,
Wie ward wohl mir, mir, den verwandelbar
Schon die Natur auf alle Weisen machte?
Gleichwie im Teich, der ruhig ist und klar,
Wenn das, wovon die Fischlein sich ernähren,
Von außen kommt, her eilt die muntre Schar,
So sah ich hier zu uns sich Strahlen kehren
Wohl Tausende, von welchen jeder sprach:
“Seht, der da kommt, wird unser Lieben mehren!"
Und wie sie uns sich nahten nach und nach,
Da sah ich süßer Wonne voll die Seelen,
Im Glanz, der hell hervor aus jeder brach.
Bedenke, Leser, wollt’ ich dir verhehlen,
Was ich noch sah, und schweigend von dir gehn,
Wie würde dich der Durst nach Wissen quälen?
Du wirst daraus wohl durch dich selbst verstehn,
Wie ich ihr Los mich sehnte zu erfahren,
Sobald mein Aug’ in ihren Glanz geseh’n.
“Begnadigter, dem hier sich offenbaren
Des ewigen Triumphes Thron’, eh’ dort
Du noch verlassen hast der Krieger Scharen,
Wir sind entglüht vom Licht, das fort und fort
Den Himmel füllt–drum, wünschest du Erklärung,
So sättige nach Wunsch dich unser Wort."
Ein frommer Geist verhieß mir so Gewährung,
Beatrix drauf: “Sprich, sprich und glaub’ ihm fest,
So fest, als war’ es göttliche Belehrung."
“Ich sehe, würd’ger Geist, du hast dein Nest
Im eignen Licht, das, wie du lächelst, immer
Mit hellerm Glanz dein Auge strahlen läßt,
Doch wer bist du? Was ward der schwache Flimmer
Der niedern Sphäre dir zum Sitz gewährt,
Die uns umschleiert wird durch fremden Schimmer?"
So sprach ich, jenem Lichte zugekehrt,
Das erst gesprochen hatt’, und sah’s in Wogen
Von Strahlen drum weit mehr als erst verklärt.
Denn gleichwie Sol, von dichtem, Dunst umzogen,
In zu gewalt’gen Glanz sich selber hüllt,
Wenn Glut der Nebel Schleier weggesogen,
So barg sich jetzt, von größrer Lust erfüllt,
Die heilige Gestalt im Strahlenringe,
Und sie entgegnete mir, so verhüllt,
Das, was ich bald im nächsten Sange singe.

Sechster Gesang

“Nachdem der Kaiser Konstantin, entgegen
Der Himmelsbahn, gewendet jenen Aar,
Der einst ihr folgt’ auf des Äneas Wegen,
Da sah man mehr als schon zweihundert Jahr’
Zeus’ Vogel an Europens Rand verbringen,
Nah dem Gebirg, dem er entflogen war.
Beherrschend unterm Schatten heil’ger Schwingen
Von dort die Welt, ging er von Hand zu Hand,
Bis ihm beim Wechsel meine Hand’ empfingen.
Cäsar war ich, Justinian genannt,
Der, nach der ersten heil’gen Liebe Walten,
Unmaß und Leeres ins Gesetz gebannt.
Und eh’ ich’s unternahm, dies zu gestalten,
Lebt’ ich zufrieden in dem Wahne fort,
Ein Wesen sei in Christo nur enthalten.
Doch Agapet, der höchste Hirt und Hort,
Er lenkte mich zurück zum Echten, Wahren,
Zum rechten Glauben durch sein heilig Wort.
Ich glaubt’ ihm und bin jetzt ob des im klaren,
Was er mir sagt’–und du auch wirst nun sehn,
Daß Wahr und Falsch im Gegensatz sich paaren.
Kaum fing ich an, der Kirche nachzugehn,
So flößt’ es Gott mir ein, mich aufzuraffen,
Und nur dem hohen Werke vorzustehn.
Dem Belisar vertraut’ ich meine Waffen,
Und ihm verband des Himmels Rechte sich
Zum Zeichen mir, ich soll’ in Ruhe schaffen.
Befriedigt hab’ ich nun im ersten dich,
Was du gefragt; allein die Art der Frage
Verbindet noch zu einem Zusatz mich,
Damit du sehst, welch Unrecht jeder trage,
Der dieses hehren, heil’gen Zeichens Macht
An sich zu zieh’n und ihr zu trotzen wage.
Du siehst die Kraft, die’s wert der Ehrfurcht macht,
Seit seiner Herrschaft Pallas, überwunden,
Sein Leben selbst zum Opfer dargebracht;
Weißt, daß es drauf den Aufenthalt gefunden,
Dreihundert Jahr’ und mehr in Albas Au’n,
Bis drei und drei dafür den Kampf bestunden;
Weißt, was vom Raube der Sabinerfrau’n
Es tat bis zu Lukreziens Schmerz, durch sieben,
Die ringsumher besiegt die Nachbargau’n.
Weißt, wie es Brennus, Pyrrhus auch vertrieben,
Getragen vor der wackern Römer Schar
Und siegreich noch in manchem Kampf geblieben;
Drob Quinctius, benannt vom wirren Haar,
Drob auch Torquatus, Decier, Fabier glänzen
In freud’gem Ruhme durch den heil’gen Aar.
Er schlug der Libyer Stolz, die, Welschlands Grenzen
Einst Hannibal verführt, zu überzieh’n,
Wo Alpen deinen Quell, o Po, umkränzen.
Ein Jüngling noch, hob Scipio sich durch ihn.
Pompejus auch, zu des Triumphes Ehren,
Der bitter deinem Vaterlande schien.
Dann, nah der Zeit, in der die Welt verklären
Der Himmel wollt’ in seinem eignen Schein,
Nahm Julius Cäsar ihn auf Roms Begehren.
Was er dann tat vom Varus bis zum Rhein,
Jser’ und Seine sahn’s, es sahns, bezwungen,
Die Tale, die der Rhon’ ihr Wasser Ieih’’n.
Wie er den Rubikon dann übersprungen,
Was er dann tat, das war von solchem Flug,
Daß Zung’ und Feder nie sich nachgeschwungen.
Nach Spanien lenkt’ er dann den Siegerzug,
Dann nach Durazz’ und traf Pharsaliens Auen
So, daß man Leid am heißen Nile trug.
Sah wieder dann den Simois, die Gauen,
Von wo er kam, wo Hektor ruht und schwang
Sich auf dann, zu des Ptolemäus Grauen.
Worauf er blitzend hin zum Juba drang;
Dann sah man ihn die Flügel westwärts schlagen,
Wo ihm Pompejus’ Kriegsdrommet’ erklang.
Was er mit dem tat, der ihn dann getragen,
Bellt Brutus, Cafsius noch in ew’ger Not,
Sagt Modena, Perugia noch mit Klagen.
Kleopatra beweint’s noch, die, bedroht
Von seinem Zorn, entfloh und an die Brüste
Die Schlange nahm zu schnellem, schwarzem Tod.
Mit diesem eilt’ er bis zur roten Küste,
Mit diesem schloß er fest des Janus Tor,
Weil Fried’ und Ruh’ den ganzen Erdball küßte.
Doch was der Adler je getan zuvor,
Und was noch drauf getan dies hohe Zeichen,
Das Gott zur Herrschaft ird’schen Reichs erkor,
Muß dem gering erscheinen und erbleichen,
Der’s in der Hand des dritten Cäsar schaut
Mit klarem Blick, dem Wahn und Irrtum weichen.
Denn die Gerechtigkeit, die jeden Laut
Mir einhaucht, hat ihn, ihren Zorn zu rächen.
Der Hand des, den ich dir benannt, vertraut.
Jetzt staun’ ob dessen, was ich werde sprechen:
Er nahm, begleitend dann des Titus Bahn,
Rach’ an der Rache für ein alt Verbrechen.
Und als darauf der Langobarden Zahn
Die Kirche biß, sah unter seinen Schwingen
Man Karl den Großen ihr mit Hilfe nah’n.
Nun siehst du selbst, wie jene sich vergingen,
Von denen ich, sie hart anklagend, sprach,
Die über euch all euer Übel bringen.
Der trachtet selbst dem Reicheszeichen nach,
Der will es durch die Lilien überwinden,
Und schwer zu sagen ist, wer mehr verbrach.
Der Ghibellin mög’ andres Zeichen finden,
Denn schlechte Folger sind dem heil’gen Aar,
Die standhaft nicht das Recht und ihn verbinden.
Der neue Karl mit seiner Guelfenschar,
Nicht trotz’ er ihm, der wohl schon stärkerm Leuen
Das Vlies abzog mit seinem Klauenpaar.
Oft muß der Sohn des Vaters Fehl bereuen.
Nicht glaub’ er seine Lilien Gott so lieb,
Um ihrethalb sein Zeichen zu erneuen–
Der kleine Stern, der fern und dämmernd blieb,
Ist Wohnsitz derer, die zum tät’gen Leben
Der Durst allein nach Ruf und Ehre trieb.
Und wenn so falsch gelenkt die Wünsche streben,
So muß sich wohl der wahren Liebe Licht
Mit minderm Glanz zum rechten Ziel erheben.
Doch wägen wir dann des Verdiensts Gewicht
Mit dem des Lohns, so wird uns Wonn’ und Frieden,
Weil eins dem andern so genau entspricht.
Dann stellt uns die Gerechtigkeit zufrieden
Und sichert uns vor jedem sünd’gen Hang,
Denn glücklich macht uns das, was uns beschieden.
Verschiedne Tön’ erzeugen süßen Klang;
So bilden hier die Harmonie der Sphären
Die lichten Kreise von verschiednem Rang.
Du siehst in dieser Perle sich verklären
Romeos Licht, mußt’ auch sein schönes Tun
Auf Erden des verdienten Lohns entbehren.
Allein die Pprovenzalen lachen nun
Nicht ihres Grolls, denn solche nah’n dem Falle,
Die sich in andrer Guttat Schaden tun.
Vier Töchter hatt’, und Königinnen alle,
Graf Raimund, und Romeo tat ihm dies,
Der niedre Fremd’ in stolzer Fürstenhalle.
Und jener folgt’, als ihm die Scheelsucht hieß,
Dem Biedermanne Rechnung anzusinnen,
Der acht und vier für zehn ihm überwies.
Arm und veraltet ging er dann von hinnen;
Und wußte man, mit welchem Herzen er
fortzog, sein Brot als Bettler zu gewinnen,
Man preist ihn hoch und pries’ ihn dann noch mehr.

Siebenter Gesang

Hosianna dir, du Gott der Macht und Wahrheit,
Dir, der du hier der sel’gen Flammen Glanz
Reich überströmst mit Fülle deiner Klarheit!"
So schien, zurückgewandt zu ihrem Tanz,
Die Seel’ im Lied den höchsten Herrn zu feiern,
Umringt ihr Licht von neuem Strahlenkranz.
Den Reigen sah ich alle nun erneuern,
Und Funken gleich, die durch die Lüfte flieh’n,
Von plötzlicher Entfernung sie verschleiern.
Ich zweifelte. “Sprich, sprich, zur Herrin,” schien
Mein Herz zu sprechen bei des Mundes Schweigen,
“Die stets dir Lab’ in süßem Tau verlieh’n."
Allein die Ehrfurcht, der ich immer eigen
Als Sklav’ war, wo nur be nd ice klang,
Ließ, gleich dem Schläfrigen, das Haupt mich neigen.
Sie aber duldete mich so nicht lang;
In Lächeln strahlte mir das hohe Wesen,
Das Feuerpein umschüf in Wonnedrang.
Sie sprach: “Ich hab’ in deiner Brust gelesen,
Wie ist–dies ist’s, was dir im Haupte kreist–
Gerechter Rache Zücht’gung Recht gewesen.
Doch bald entwirren will ich deinen Geist,
Damit du, wenn dein Sinn sich mir erschlossen,
Um eine große Wahrheit reicher seist.
Der Mensch, der nicht geboren ward, verdrossen,
Zu dulden, sich zum Heil, des Willens Zaum,
Verdammte sich und mit sich seine Sprossen;
Drob das Geschlecht in Wahn und falschem Traum
Viel hundert Jahre krank lag, matt und trübe,
Bis sich das Wort geneigt zum niedern Raum,
Wo’s der Natur, die sich im irren Triebe
Vom Schöpfer abgekehrt, sich ganz verband,
Bloß durch das Walten seiner ew’gen Liebe.
Scharf sei dein Blick jetzt auf mein Wort gespannt.
Diese Natur, dem Schöpfer hingegeben
Und ihm vereint, war rein, wie sie entstand.
Doch durch sie selbst war sie für falsches Streben
Vom Paradies verbannt, weil sie die Bahn
Verlassen, wo nur Wahrheit ist und Leben.
Drum ward die Strafe, durch das Kreuz empfah’n,
Mit größerm Recht, als jemals irgendeine,
Der angenommenen Natur getan.
So war die Straf auch ungerecht wie keine,
In Hinsicht des, der sie erlitten hat,
Mit der Natur, der ird’schen, im Vereine.
Verschieden war die Wirkung einer Tat.
Gott und den Juden mußt’ ein Tod gefallen,
Drob Erd’ erbebt’ und Himmel auf sich tat.
Schwer wird dir’s nicht mehr zu begreifen fallen,
Wenn man von dem gerechten Richter spricht,
Des Rach’ auf rechte Rache schwer gefallen.
Doch deinen Geist, gleich einem Netz, umflicht
Gedank’ itzt und Gedank’ in engem Kreise,
Aus dem er sehnlich Lösung sich verspricht.
Der Rache Recht war klar in dem Beweise,
Denkst du; doch weshalb wählt’ in seiner Macht
Gott zur Erlösung ebendiese Weise?
Der Schluß, mein Bruder, birgt sich dem in Nacht,
Dem nicht, wenn hell der Liebe Flammen brennen,
Die Glut den Geist zur Mündigkeit gebracht.
Vernimm deshalb, weil wenig zu erkennen,
Wo viel der Blick umsonst sich spähend müht,
Warum die Art die würdigste zu nennen.
Die ew’ge Gut’, in sich nie zornentglüht,
Zeigt, wenn im All sich ihre Schönheit spiegelt,
Wie sie die Funken eigner Glut versprüht.
Was ihr unmittelbar entströmt–verriegelt
Ist dem des Todes Tür, und fest und treu
Ist das Gepräge, wenn sie selber siegelt.
Was ihr unmittelbar entströmt, ist frei,
Ist völlig frei, und deshalb wohnt dem Neuen
Die Kraft nicht, es zu unterjochen, bei.
Je mehr’s ihr gleicht, je mehr muß sie’s erfreuen,
Drum will die heil’ge Glut, das Licht der Welt,
Aufs ähnlichste den hellsten Schimmer streuen.
In allem dem ist hoch der Mensch gestellt,
Der aber, wenn nur eins ihm fehlt, entweihet,
Mit Schmach herab von seinem Adel fällt.
Die Sünd’ allein ist das, was ihn entfreiet.
Unähnlich macht sie ihn dem höchsten Gut,
Das wenig drum von seinem Glanz ihm leihet.
Nie kehrt zurück ihm seine Würde, tut
Er dem nicht G’nüge durch gerechte Leiden,
Was er gefehlt in sünd’ger Lüste Glut.
Eure Natur, die in den ersten beiden
Ganz sündigte, ward, wie der Würd’ entsetzt,
So auch verdammt, das Paradies zu meiden.
Und Möglichkeit, dahin zurückversetzt
Dereinst zu sein, gab’s nur auf zweien Pfaden,
Wenn scharf dein Geist der Dinge Wesen schätzt:
Entweder Gott verzieh allein aus Gnaden,
Oder es mußte sich, der ihn gekränkt,
Der Mensch, g’nugtuend, selbst der Schuld entladen.
Dein Blick sei in den Abgrund jetzt versenkt
Des ew’gen Rates, und mit ernstem Schweigen
Sei ganz dein Geist nach meinem Wort gelenkt.
G’nugtuung konnte nie der Mensch erzeigen,
Und, eng beschränkt, so tief nicht niedergehn,
Gehorchend, nicht sich so in Demut neigen,
Als, ungehorsam, er sich wollt’ erhöh’n;
Drum könnt’ er nie sich von der Schuld befreien,
Genugtuung nicht durch ihn selbst gescheh’n.
Drum wählt’, ihn neu zum Leben einzuweihen,
Gott, so gerecht wie gnädig, seinen Pfad
Und führt’ auf diesem ihn, vielmehr auf zweien.
Doch weil so werter ist des Täters Tat,
Je heller strahlt die Gut’ in dem Gemüte,
In dem die Handlung ihre sQuelle hat,
Hat, die die Welt gestaltet, Gottes Güte,
Auf jedem Wege, der ihr offen lag,
Euch neu erhöht zu eurer ersten Blüte.
Und zwischen letzter Nacht und erstem Tag
Ist nie so Hohes, Herrliches gediehen
Für sie und euch, was er auch schaffen mag.
Freigeb’ger war’s, daß Gott sich selbst verliehen,
Drob zu erstehn der Mensch genügend ward,
Als hätt’ er ihm nur aus sich selbst verziehen,
Karg war’ erfüllt in jeder andern Art
Das Recht, wenn Gottes Sohn um euretwillen
Nicht demutsvoll dem Fleische sich gepaart.
Jetzt, um noch besser deinen Wunsch zu stillen,
Und daß du seh’st, gleich mir, das volle Licht,
Will ich noch eins dir deutlicher enthüllen.
Ich sehe Feuer, sehe Luft–so spricht
Dein Zweifel–Wasser, Erd’, in mannigfachen
Vermischungen, und alle dauern nicht.
Geschöpfe sind ja alle diese Sachen;
Und sollte dies, wenn ich dich recht verstand,
Sie nicht vor der Verderbnis sicher machen?
Die Engel, Bruder, und dies reine Land,
Sie dürfen wohl sich für erschaffen halten,
Weil, wie sie sind, ihr volles Sein entstand.
Doch alles, was die Element’ entfalten,
Die Elemente selbst, sie läßt allein
Der Höchste durch geschaffne Kraft gestalten.
Geschaffen ward ihr Stoff, ihr erstes Sein,
Geschaffen ward die Bildungskraft dem Tanze
Der Sterne, die um eure Welt sich reih’n.
Die Seele jedes Tiers und jeder Pflanze
Zielet nach verschiedner Bildungsfähigkeit
Regung und Licht aus ihrem heil’gen Glanze.
Allein der höchsten Güte Hauch verleiht
Unmittelbar uns selber unser Leben
Und Liebe, die dann ihr sich sehnend weiht.
Wie aus der Gruft die Leiber sich erheben,
Erkennst du, wenn du denkest, wessen Ruf
Dem Menschenleib sein erstes Sein gegeben,
Als er die beiden ersten Eltern schuf.

Achter Gesang

Die Welt glaubt’ einst, unsel’gen Irrtum hegend,
Daß Cypris toller Liebe Glut entflammt,
Im dritten Epizyklus sich bewegend.
Drob nicht zu ihr allein mit Opferamt
Und Weiherufen sich anbetend kehrte
Das alte Volk, im alten Wahn verdammt;
Nein, auch Dionen und Cupiden ehrte,
Als ihre Mutter sie, ihn als das Kind,
Dem Dido ihren Schoß zum Sitz gewährte.
So ward nach ihr, von der mein Sang beginnt,
Der Stern benannt, der, bald der Sonn’ im Rücken,
Bald ihr im Angesicht liebäugelnd minnt.
Nicht fühlt’ ich mich in diesen Stern entrücken,
Doch daß ich wirklich drinnen sei, entschied
Der Herrin höh’res, schöneres Entzücken.
Und wie man Funken in der Flamme sieht,
Und wie wir Stimmen in der Stimm’ erkennen,
Die aushält, wenn die andre kommt und flieht;
So sah ich Lichter hier im Lichte brennen,
Und, nach dem Maß des innern Schau’ns erregt,
So schien’s, im Kreis mehr oder minder rennen.
Kein Wind, unsichtbar oder sichtbar, pflegt
So schnell aus kalter Wolk’ herabzugleiten,
Daß er nicht langsam schien’ und schwer bewegt
Dem, der die Lichter uns entgegenschreiten
Im Flug gesehn, aus jenem Kreis hervor,
Den hohe Seraphim bewegend leiten.
Und hinter diesen ersten klang’s im Chor:
Hosianna! Und seit ich den Ton vernommen,
Sehnt stets nach ihm sich brünstig Herz und Ohr.
Und einen sah ich dann uns näher kommen,
Und er begann allein mit frohem Klang:
“Willfährig sind wir alle, dir zu frommen.
Wir wandeln hin, ein Kreis, ein Schwung, ein Drang,
Uns nie vom Pfad der Himmelsfürsten trennend,
Zu welchem du gejagt in deinem Sang:
Die ihr den dritten Himmel lenkt, erkennend;
Für dich wird uns nicht schwer ein Stillestand,
Für dich in so inbrünst’ger Liebe brennend."
Als ich zu ihr voll Ehrfurcht mich gewandt,
Und so der Herrin Blick sich ausgesprochen,
Daß ich mich sicher und befriedigt fand,
Schaut’ ich zum Licht, das mir in sich versprochen
So vieles hatt’, und sprach: “Wer bist du, sprich!"
Den Ton vor großer Inbrunst fast gebrochen.
O wie vermehrte, wie verschönte sich
Der frohe Glanz in Mienen und Gebärden
Bei meinem Wort!–Dann sprach er freudiglich:
“Nur kurze Zeit verweilt’ ich auf der Erden,
Verweilt’ ich mehr, dann wären viele nicht
Der Übel, die dich noch betreffen werden.
Nur meine Freude birgt dir mein Gesicht,
Nur sie verhüllt mich rings im Strahlenrunde,
So wie den Seidenwurm die Seid’ umflicht.
Du liebtest mich, und wohl aus gutem Grunde;
Denn lebt’ ich noch, gewiß dir keimten jetzt
Nicht Blätter nur aus unserm Liebesbunde.
Der linke Strand, den Rhodanus benetzt,
Nachdem er mit der Sargue sich verbündet,
Sah einst im Geist durch mich den Thron besetzt;
So auch Ausoniens Horn, wo, festbegründet,
Bari, Gaëta und Crotona droh’n,
Von wo im Meere Verd’ und Tronto mündet.
Auch schmückte mich des Landes Krone schon,
Das längs durchstreift der Donau Wogenfülle,
Nachdem sie aus Germaniens Gau’n entflob’n.
Trinacria–bedeckt von schwarzer Hülle
Zwischen Pachino und Pelor, am Schlund
Des Meers, das schäumt bei Eurus’ Wutgebrülle,
Durch Typhöus nicht, nein, durch den Schwefelgrund
Der Fürsten harrt’ es noch, der edeln Sprossen
Rudolfs und Karls aus meinem Ehebund,
Wenn schlechte Herrschaft, welche stets verdrossen
Der Unterworfne trägt, zum Mordgeschrei
Nicht in Palermo jeden Mund erschlossen.
Ging’ Ahnung dessen meinem Bruder bei,
So würd’ er Kataloniens Bettler jagen,
Damit ihr Geiz kein Sporn zum Aufruhr sei.
Nottut’s fürwahr, daß ihm die Freund es sagen,
Wenn er’s nicht sieht: daß volle Ladung schon
Sein Nachen hat, und nichts kann weiter tragen.
Er, des freigeb’gen Vaters karger Sohn,
Braucht Diener, die nicht Gold nur zu gewinnen
Begierig sind, nicht bloß erpicht auf Lohn."–
“Herr, weil ich glaube, daß die Lust hierinnen,
Die deine Rede strömt in meine Brust,
Du, wo die Güter enden und beginnen,’
So deutlich schauest, wie sie mir bewußt,
Wird sie mir werter–daß du beim Betrachten
Des Herrn sie schauest, gibt mir neue Lust.
Mach’ itzt, wie froh mich deine Worte machten,
Mich klar und schaffe noch dem Zweifel Ruh’:
Wie süße Saaten bittre Früchte brachten?"
So ich–und er: “Die Wahrheit fasse du,
Und dem. was du gefragt, kehrst du zufrieden,
Wie jetzt den Rücken, dann das Antlitz zu.
Das Gut, das ihren Lauf und ihren Frieden
Den Himmeln gab, hat jedem Stern den Schein
Und eine Kraft, als Vorsehung, beschieden.
Nicht nur der Wesen vorbestimmtes Sein
Hat der durch sich vollkommne Geist erwogen,
Er schließt in sich auch ihre Wohlfahrt ein.
Drum, was nur immer fliegt von diesem Bogen,
Kommt, gleich dem Pfeil, auf vorbestimmtem Gang
Gewiß herab zu seinem Ziel geflogen.
War’ dieses nicht, dann würd’ im wirren Drang,
Was diese Himmel irgend wirkend schaffen,
Kein Kunstwerk sein, nein, Graus und Untergang.
Dies kann nicht sein, wenn jene nicht erschlaffen,
Die Geister, lenkend diese Sternenschar,
Der Urgeist auch, der dann sie schlecht erschaffen.
Ist diese Wahrheit nun dir völlig klar?"
Und ich: “Gewiß, ich seh’s, Natur bleibt immer
In dem, was nötig ist, unwandelbar;"
Drum er: “Nun sprich, wär’s für den Menschen schlimmer,
Wenn er nicht Bürger ward und einsam blieb’?"
Ich: “Ja, und weitern Grund begehr’ ich nimmer!"
“Und wär’ ein Staat, wenn in verschiednem Trieb
Die Menschen nicht verschieden sind erwiesen?
Nein, wenn die Wahrheit euer Meister schrieb!"
So folgert’ ich bis jetzt, um hier zu schließen:
“Drum also muß der Menschen Tun hervor
Verschieden aus verschiedner Wurzel Sprießen.
Und Solon sproßt’ und Xerres so empor,
Also Melchisedek, und der Erfinder,
Der bei dem luft’gen Flug den Sohn verlor.
Natur, im Kreislauf, so die Menschenkinder
Wie Wachs ausprägt, übt ihre Kunst und sieht
Auf dies und jenes Haus nicht mehr noch minder.
Dies ist’s, was Esaus Keim von Jakobs schied,
Drob auch Quirin entsproß so niedrer Lende,
Daß man als Vater ihm den Mars beschied.
Und stets auf der Erzeuger Wegen fände
Man die, so sie erzeugten, nur, wenn nicht
Die Vorsehung des Höchsten überwände.
Was hinter dir war, sieh jetzt im Gesicht;
Doch wie ich dein mich freue, geb’ ich Kunde
Und dir durch einen Zusatz beßres Licht.
Ist die Natur nicht mit dem Glück im Bunde,
Dann kommt sie übel fort, wie jede Saat,
Die man gesät auf fremdem, falschem Grunde.
Und folgte der Natur des Menschen Pfad,
Suchtet auf ihrem Grund ihr nach dem Rechten,
Dann gab’ es gute Leut’ und wackre Tat.
Doch solche, die geboren sind, zu fechten,
Macht ihr zu Priestern wider die Natur
Und macht zu Fürsten die, so pred’gen möchten,
Und deshalb schweift ihr von der rechten Spur.

Neunter Gesang

Noch sprach dein Karl, als er mich aufgeklärt,
Schöne Clemenza, von den Ränkevollen,
Durch welche schnöden Trug sein Sam’ erfährt.
Doch sagt’ er: “Schweig und laß die Jahre rollen!"
Drum sag’ ich nur, daß eurem Schaden bald
Gerechte Straf und Klage folgen sollen.
Schon war das Leben jener Lichtgestalt
Zur Sonn’, in deren Strahl es ganz genesen,
Zum Gut, das allem g’nügt, zurückgewallt.
Betrogne Seelen, gottvergeßne Wesen!
Was wendet ihr das Herz von solchem Gut
Und habt nur Eitelkeit zum Ziel erlesen!
Und sieh, ein andres jener Lichter lud
Mich, nahend, ein und zeigte seinen Willen,
Mich zu befriedigen, in hellrer Glut.
Beatrix, die den Blick, den heil’gen, stillen,
Auf mich gewandt, wie erst, erlaubte mir,
Durch teure Zustimmung, den Wunsch zu stillen.
Ich sprach: “O g’nüge meiner Wißbegier,
Bewähr’, o Geist, den Fried’ und Lust durchdringen,
Daß, was ich denke, widerstrahl’ in dir."
Das Licht, das ich aus seinem Innern singen
Vorher gehört, sprach, mir noch unbekannt,
Wie der, den’s freut, das Gute zu vollbringen:
“Doch im verkehrten schnöden welschen Land
Zwischen der Brenta und der Piave Quelle
Und des Rialto meerumfloßnem Strand,
Dort hat ein niedrer Hügel seine Stelle;
Von ihm herab stürzt’ eine Fackel sich
Und macht’ in grausem Brand die Gegend helle.
Aus einer Wurzel sproßten sie und ich.
Ich, einst Cunizza, glänz’ in diesem Sterne,
Denn seines Schimmers Reiz besiegte mich.
Und meines Schicksals Grund verzeih’ ich gerne
Mir selber hier, da’s mir nicht bitter dünkt,
So schwer eu’r Pöbel dies auch fassen lerne.
Sieh diesen Glanz, der mir am nächsten blinkt
In unserm Kreis, den leuchtenden, den teuern!
Groß blieb sein Ruhm, und, eh’ er ganz versinkt,
Wird fünfmal das Jahrhundert sich erneuern.
Sieh, wenn das erste Sein ein zweites schenkt,
Soll dies zur Trefflichkeit euch nicht befeuern?
Doch dies ist’s nicht, woran die Rotte denkt,
Die Tagliamento hier, dort Etsch umfließen,
Die selbst das Unglück nicht zur Reue lenkt.
Doch färbend wird sich Paduas Blut ergießen
Zum Sumpfe, der Vicenzas Mauer wahrt,
Weil die Verstockten sich der Pflicht verschließen.
Und dort, wo sich Tagnan mit Sile paart,
Herrscht einer, hoch die stolze Stirne tragend,
Zu dessen Fang das Netz schon fertig ward.
Schon seh’ ich Feltre, den Verrat beklagend
Des Hirten, der dort herrscht, an Schändlichkeit,
Was je geführt nach Malta, überragend.
Kein Paß auf Erden ist so hohl und weit,
Um alles Ferrareser Blut zu fassen,
Das zum Geschenk der wackre Pfaff verleiht,
Um als Parteiglied recht sich sehn zu lassen;
Und solcherlei Geschenk wird wohl zum Geist
Und zu des Landes Art und Leben passen.
Von hohen Spiegeln, die ihr Throne heißt,
Glänzt Gott, der Richtende, zu uns hernieder,
Worin als wahr sich, was ich sprach, erweist."
Sie sprach’s, von mir gekehrt, und wandte wieder
Sich hin zu ihrem Kreis, wo sie verschwand,
So wie sie kam, beim Klang der Himmelslieder.
Die andre Wonne, mir bereits bekannt,
Ward leuchtender in Mienen und Gebärden,
Wie in der Sonne Blitz der Diamant.
Dort gibt die Wonne Glanz, wie sie auf Erden
Das Lächeln zeugt, indes bei innrer Pein
Die äußern Schatten unten dunkler werden.
“Alles sieht Gott–du siehst in seinen Schein,"
Sprach ich, “und kann in ihn dein Auge dringen,
So muß dir klar sein ganzer Wille fein.
Drum deine Stimme, die im frommen Singen
Den Himmel mit dem Sang der Feuer letzt.
Die sich bekleiden mit sechsfachen Schwingen,
Warum nicht g’nügt sie meinen Wünschen jetzt?
Auch ungefragt harrt’ ich so lang nicht säumend,
War’ ich in dich, wie du in mich versetzt."–
“Das größte Tal, worin das Wasser schäumend
Sich ausgedehnt,” begann des Sel’gen Wort,
“Außer dem Meere, rings die Erd’ umsäumend,
Geht zwischen Feindesufern westlich fort,
So weit, daß hier, an seinem letzten Strande,
Gesichtskreis ist, was Mittagsbogen dort.
Ich lebt’ an dieses großen Tales Rande
Zwischen Ebro und Magra, die, nicht lang,
Trennt Genuas Gebiet vom Tuskerlande.
Fast einen Aufgang hat und Niedergang
Buggéa und die Stadt, der ich entsprossen,
Sie, deren Blut einst warm den Port durchdrang.
Mich hießen Folco meine Zeitgenossen
Und diesen Stern schmückt meine Freudigkeit,
Wie dort sein Licht sich in mein Herz ergossen.
Nicht zu Sichäus’ und Creusas Leid
Fühlt’ in sich Dido solche Flammen wogen,
Wie ich einst fühlt’ in meiner Jugendzeit;
Nicht Phyllis, von Demophoon betrogen;
Und nicht Alcid, nachdem in seine Brust
Eurytos’ Tochter siegend eingezogen.
Doch fühlt man hier nicht Reue drob, nein Lust,
Ganz die Erinnerung der Schuld verlierend,
Und nur des ew’gen Ordners sich bewußt.
Und jene Kunst, die Welten herrlich zierend,
Sehn wir, und sehn zu gutem Zwecke nun
Die obre Welt die untere regierend.
Doch um dem Wunsche ganz genugzutun,
Der dich durchdrungen hat in dieser Sphäre,
Darf ich noch nicht in meiner Rede ruh’n.
Du möchtest wissen, wer der Schimmer wäre,
Der nahe hier so strahlt, als ob die Glut
Der Sonn’ in reinem Wasser sich verkläre.
So wisse, daß darinnen Rahab ruht,
Die hier, in unsern Orden aufgenommen,
Sich kund im höchsten Glanz des Sternes tut.
Vor jedem andern Geist der Höll’ entrommen,
Ist sie zum Stern, wo sich vom Erdenrund
Der Schatten spitzt, durch Christi Sieg gekommen.
Der Sieg, den er, an beiden Händen wund,
Errungen hat, wird hier von ihr verkündet;
Den Himmeln tut sie, als Trophä’, ihn kund,
Weil sie des Josua ersten Ruhm begründet
Durch ihre Hilf in jenem heil’gen Land,
Das jetzt der Papst kaum wert der Sorge findet.
Und deine Stadt, die einst durch den entstand,
Des Neid euch alles Mißgeschick bereitet,
Und der zuerst von Gott sich abgewandt,
Sie ist’s, die das verfluchte Geld verbreitet,
Das einzig, weil’s zum Wolf den Hirten macht,
Vom rechten Wege Schaf und Lämmer leitet.
Drum wird nicht an die Bibel mehr gedacht,
Doch hat man sehr genau–war’s zu verhehlen,
So zeigt’s der Rand–der Dekretalen Acht.
Drin wird studiert von Papst und Kardinälen
Und Nazareth, wo Gabriel das Wort
Verkündigt hat, wird fremd den geiz’gen Seelen.
Doch Vatikan, samt jedem heil’gen Ort
In Rom, wo Petri Folger einst gepredigt,
Der Märtyrer geweihte Gräber dort,
Bald werden sie des Ehebruchs entledigt.

Zehnter Gesang

Urkraft, der Liebe voll den Sohn beschauend,
Die ihr und ihm allewiglich entweht,
Die Unaussprechliche, das All erbauend,
Schuf, was ihr nur mit Geist und Aug’ erseht
So ordnungsvoll, daß sie mit Wonneregung
Den ganz durchdringt, der ihre Werk’ erspäht.
Erheb, o Leser, Blick und Überlegung
Miit mir zum Himmel jetzt, gerad’ dahin,
Wo sich durchkreuzt die doppelte Bewegung.
Von dort an letz’ am Kunstwerk deinen Sinn,
Denn selbst der Meister sieht es mit Vergnügen
Und spiegelt liebend seinen Blick darin.
Von dort verteilt sich zu verschiednen Zügen
Der schiefe Kreis, der die Planeten trägt,
Um denen, die sie rufen, zu genügen.
Und war’ ihr Lauf von dort nicht schief bewegt,
So wäre viele Himmelskraft verschwendet,
Und nichts beinah auf Erden angeregt.
Und war’ er mehr und minder abgewendet
Vom g’raden Weg, so blieb’ auf Erden dort,
Wie hier, die Weltenordnung unvollendet.
Jetzt bleib, o Leser, still auf deinem Ort,
Um dem, was du gekostet, nachzudenken,
Und eh’ du matt wirst, reißt dich Wonne fort.
Ich gab dir Wein–du magst dich selber tränken,
Denn alle meine Sorgen muß ich nur
Auf jenen Stoff, den ich beschreibe, lenken.
Die Dienerin, die größte, der Natur,
Die sich die Himmelskraft zum Spiegel machte,
Die leuchtend zeigt der Zeiten Maß und Spur.
Vereint dem Orte, dessen ich gedachte,
Sah man in schraubenförm’gem Kreis sich dreh’n,
In dem sie schneller hier die Tage brachte.
Ich war in ihr–allein wie dies gescheh’n,
Das spürt’ ich nur, wie wir Gedanken spüren,
Bevor sie noch in unserm Geist entstehn.
Beatrix, die so schnell uns weiß zu führen,
Vom Guten uns zum Bessern einzuweih’n,
Daß sich indessen nicht die Stunden rühren,
Wie leuchtend mußte sie von selber sein!
Und was ich drinnen in der Sonne schaute,
Durch Farbe nicht, durch hellen Glanz allein,
Ob ich auf Geist und Kunst und Übung baute,
Nie stellt’ es doch mein Wort euch deutlich vor,
Drum sehne sich, zu schau’n, wer mir vertraute.
Nicht staunt, wenn Phantasie die Kraft verlor,
Daß sie zu solchen Höh’n sich schwach erweise;
Kein Blick fliegt über diesen Stern empor.
So war ich nun im vierten Kinderkreise
Des Vaters, der, ihm zeigend, wie er weht,
Und wie er zeugt, ihn nährt mit ew’ger Speise.
Beatrix sprach: “Dank, Dank sei dein Gebet.
Zur Engelsonne laß ihn sich erheben,
Die dich zu dieser sichtbaren erhöht."
Kein Menschenherz war je mit allem Streben
Zur Andacht noch so freudig hingewandt,
Keins noch so ganz und innig Gott ergeben,
Als ich bei diesem Worte meins empfand,
Das so zu ihm hin all sein Lieben wandte,
Daß in Vergessenheit Beatrix schwand.
Sie zürnte nicht; ihr lächelnd Aug’ entbrannte
Drob so in Glanz, daß nun mein Geist, der nicht
An andres dacht’, itzt andres doch erkannte.
Und sieh, viel siegendes lebend’ges Licht
Macht’ uns zum Mittelpunkt und sich zur Krone
Süßer im Sang, als leuchtend im Gesicht.
So schmückt ein Kranz die Tochter der Latone,
Wenn dunstgeschwängert sie die Luft umzieht,
Die widerstrahlt den Streif der lichten Zone.
Am Himmelshof, von dem ich wieder schied,
Gibt’s viele Schöne, köstliche Juwelen,
Nicht auszuführen aus des Reichs Gebiet.
Dergleichen eins war der Gesang der Seelen;
Doch wer nicht selbst zu jenen Höh’n sich schwang.
Der lasse von den Stummen sich’s erzählen.
Nachdem dreimal die Sonnen mit Gesang,
Gleich Nachbarsternen, die den Pol umkreisen,
Uns rings umtanzt in Glut und Wonnedrang,
Da schienen sie wie Frau’n sich zu erweisen,
Die horchend stehn, noch nicht gelöst vom Tanz,
Bis sie gefaßt das Maß der neuen Weisen.
“Wenn, wahre Lieb’ entzündend, dir der Glanz
Der Gnade lacht, der sich durch Liebe mehret,"
So sprach ein Licht aus jenem Strahlenkranz,
“Wenn er in dir vervielfacht sich verkläret,
So, daß er dich empor die Stiege lenkt,
Die niemand absteigt, der nicht aufwärts kehret,
So wird der, welcher deinen Durst nicht tränkt
Mit seinem Wein, so wenig Freiheit zeigen,
Als Wasser, das sich nicht zum Meere senkt.
Erfahren möchtest du, von welchen Zweigen
Des Kranzes Blumen sind, der feiernd sich
Um sie schlingt, die dich stärkt, emporzusteigen.
Von Dominiks geweihter Schar war ich,
Der solche Wege leitet seine Herden,
Wo wohl gedeiht, wer nicht dem Wahne wich.
Man hieß mich Thomas von Aquin auf Erden,
Und meines Meisters, meines Bruders Schein,
Albrechts von Köln, sieh rechts hier heller werden
Und willst du aller andern sicher sein,
So folge mit den Augen meinen Worten
Auf diese Blumen, die zum Kranz sich reih’n.
Den Gratian sieh wonneflammend dorten;
Dem doppelten Gerichtshof dienend, fand
Er frohen Einlaß an des Himmels Pforten.
Auch jenen Petrus sieh von Lust entbrannt;
Als Scherflein bot er, nach der Witwe Weise,
Der Kirche seinen Schatz mit treuer Hand.
Der fünfte Glanz, der schönste hier im Kreise,
Haucht solche Liebe, daß die ganze Welt
Nach Kunde gierig ist von seinem Preise.
So tiefes Wasser ist’s, das er enthält,
Daß, ist das Wahre wahr, ihm nie ein zweiter
Als Weiser sich und Seher gleichgestellt.
Sieh neben ihm den leuchtenden Begleiter.
Niemand war je auf Erden noch im Amt
Und der Natur der Engel eingeweihter.
Das kleinre Licht, das dorten lächelnd flammt,
Des Glaubens Anwalt ist’s, aus des Lateine
In Augustini Schriften manches stammt.
Verfolgend nun mein Lob von Schein zu Scheine
Mit geist’gem Blick, erspähst du dürstend jetzt,
Wer in dem achten Lichte dir erscheine.
Jedwedes Gut in sich zu schau’n, ergetzt
Die heil’ge Seele, die den Trug danieden
Dem offen kund tut, der sie hört und schätzt.
Der Leib, von dem sie durch Gewalt geschieden
Liegt in Cield’or, und sie kam aus Gefahr
Und Bann und Märtyrtum zu diesem Frieden.
Bedo und Isidor sieh hell und klar,
Sieh Richard dann die Liebesstrahlen spenden,
Der mehr als Mensch einst im Betrachten war.
Das Licht, von dem zurück zu mir sich wenden
Dein Auge wird, rief, bei der Erde Gram
Tiefsinnig ernst, den Tod, um ihn zu enden.
Sigieri ist’s, der zu der Toren Scham
Einst im Strohgäßchen las und, streng und trübe,
Durch Folgerung auf bittre Wahrheit kam."–
Dann wie, uns rufend, früh der Uhr Getriebe,
Wenn Gottes Braut aufsteht, das Morgenlied
Singend dem Bräutigam, daß er sie liebe,
Hierhin und dorthin kreisend drängt und zieht
Tini tin! verklingend in so süßem Tone,
Daß frische Lieb’ in frommen Herzen blüht;
So regte sich die edle Strahlenkrone,
Mit Süßigkeit im himmlischen Gesang,
Die nur begreift, wer dort am Sternenthrone
Die ewig ungetrübte Lust errang.

Elfter Gesang

O menschliche Begier voll Wahn und Trug,
Wie mangelhaft sind doch die Syllogismen,
Die dir herabzieh’n des Gefieders Flug!
Der ging dem Jus nach, der den Aphorismen;
Der sucht’ als Priester Ehren und Gewinn;
Der herrschte durch Gewalt, der durch Sophismen;
Der stahl, der hatt’ ein Staatsamt nur im Sinn;
Der mühte sich, in Fleischeslust befangen,
Und jener gab dem Müßiggang sich hin;
Indes ich, allem diesem Tand entgangen,
Im Himmel oben mit Beatrix war,
So herrlich und so ruhmvoll dort empfangen.
Still stand nun jeder von der sel’gen Schar
Im Kreis zurückgekehrt zur ersten Stelle,
Und stellte sich, wie Licht auf Leuchtern, dar.
Da schien es mir, aus jenem Schimmer quelle,
Der mich zuerst gesprochen, neuer Laut,
Und lächelnd sprach er dann in reinrer Helle:
“Wie, wenn ins ew’ge Licht mein Auge schaut,
Mich dieses ganz mit seinem Strahl entzündet,
So ist mir deines Denkens Grund vertraut.
Du zweifelst noch und hörtest gern verkündet
In offnen Worten und verständlich breit,
So, daß sie deine Fassungskraft ergründet,
Was wohl mein ob’ges Wort: Wo wohl gedeiht–
Und dann: Kein zweiter kam ihm gleich–bedeutet.
Und hier ist nötig scharfer Unterscheid.
Die ew’ge Vorsicht, die das Weltall leitet,
Mit jener Weisheit, die in Tiefen ruht,
Zu welchen kein erschaffnes Auge gleitet,
Damit sich dem Geliebten ihre Glut,
Die Glut der Braut, die er mit lautem Schreie
Sich anvermählt hat durch sein heil’ges Blut,
Sichrer in sich und ihm getreuer, weihe,
Hat, ihr zur Gunst, zwei Fürsten ihr bestallt.
Und hier und dorten führen sie die zweie.
Der eine war von Seraphsglut umwallt,
Der andre zeigt’ im Glanz der Cherubinen
Die Weisheit dort im ird’schen Aufenthalt.
Von einem sprech’ ich, weil, wen man von ihnen
Auch preisen mag, man nie vom andern schweigt,
Da beide wirkten, einem Zweck zu dienen.
Beim Bach, der von Ubaldos Hügel steigt,
Und dem Tupino, hebt sich, zwischen beiden,
Ein Berg, des Abhang fruchtbar grün sich neigt.
Von ihm muß Hitz’ und Frost Perugia leiden,
Und hinter diesem Berg liegt Gualdo dicht,
Und fühlt mit Nocera des Joches Leiden.
Dort, wo sich seines Abhangs jähe bricht,
Dort sah man einer Sonne Glanz entbrennen,
Gleich der am Ganges klar im hellsten Licht.
Nicht möge man den Ort Ascesi nennen,
Denn wenig sagt, wer also ihn benannt;
Nein, was er war, gibt Orient zu erkennen.
Schon als der Glanz nicht fern dem Aufgang stand,
Begann er solche Kraft zu offenbaren,
Daß sich dadurch erquickt die Erde fand.
Denn mit dem Vater stritt er, jung an Jahren,
Für eine Frau, vor der der Freuden Tor
Die Menschen fest, wie vor dem Tod, verwahren,
Bis vor dem geistlichen Gericht und vor
Dem Vater sie zur Gattin er sich wählte
Und täglich lieber hielt, was er beschwor.
Sie, des beraubt, der sich ihr erst vermählte,
Blieb ganz verschmäht mehr als elfhundert Jahr’,
Da, bis zu diesem, ihr der Freier fehlte,
Obgleich durch sie Amicias in Gefahr
So sicher ruht’, als dessen Stimm’ erklungen,
Des Mächt’gen, der der Erd’ ein Schrecken war;
Obgleich sie standhaft, kühn und unbezwungen,
Als selbst Maria unten blieb, sich dort,
An Christi Kreuz, zu ihm emporgeschwungen.
Allein nicht mehr in Rätseln red’ ich fort;
Franziskus und die Armut sieh in ihnen,
Die dir geschildert hat mein breites Wort.
Der Gatten Eintracht, ihre frohen Mienen
Und Lieb’ und Wunder und der süße Blick
Erweckten heil’gen Sinn, wo sie erschienen.
Und solchem Frieden eilte, solchem Glück
Barfuß erst Bernhard nach, der Ehrenwerte,
Und glaubte doch, er bliebe träg zurück.
O neuer Reichtum! Gut von echtem Werte!
Egid, Silvester folgten bald dem Mann
Barfuß, weil hoher Reiz die Frau verklärte.
Der Vater und der Meister ging sodann
Nach Rom mit deiner Frau und mit den Seinen,
Die schon des niedern Strickes Band umspann.
Nicht feig sich beugend sah man ihn erscheinen,
Als Peter Bernardones niedrer Sohn,
Mocht’ er auch ärmlich und verächtlich scheinen,
Nein, kund tat er vor Innocenzens Thron
Den strengen Plan mit königlicher Würde,
Und der besiegelte die Stiftung schon.
Dann, als die Schar der Armen in der Hürde
Des Hirten wuchs, des Wunderleben hier,
Im Himmelsglanz, man besser singen würde,
Verlieh der frommen heiligen Begier,
Auf Gottes Eingebung, zum Eigentume
Honorius der zweiten Krone Zier.
Dann predigend, aus Durst nach Märtyrtume,
Kühn in des stolzen Sultans Gegenwart,
Von Christi und von seiner Folger Ruhme,
Fand zur Bekehrung er das Volk zu hart,
Drob, da ihm hier sein edles Werk nicht glückte,
Von ihm bebaut Italiens Garten ward.
Und auf Alvernas Felsenböhen drückte
Das letzte Siegel noch ihm Christus ein,
Das dann zwei Jahre seine Glieder schmückte.
Als der, der ihn berufen, aus der Pein
Zur Wonn’ ihn rief, den Lohn hier zu erwerben,
Daß er sein Knecht war, niedrig, arm und klein,
Empfahl er noch, als seinen rechten Erben,
Den Brüdern seine Frau, ihm lieb und wert,
Zu treuer Lieb’ im Leben und im Sterben.
Eh’ ihrem Schoß die Seele, schon verklärt,
Entfloh, heimkehrend zu des Vaters Reiche,
Ward nur die Erd’ als Sarg von ihm begehrt.
Jetzt denke selbst, wer dem an Würde gleiche,
Der, sein Genoß, durchs Meer führt Petri Kahn,
Daß er auf g’radem Weg das Ziel erreiche.
Dies Amt hatt’ unser Patriarch empfah’n,
Und gute Ware trägt auf deiner Reise,
Wer treu ihm folgt auf der befohlnen Bahn.
Doch deine Herd’ ist jetzt nach neuer Speise
So lüstern, daß sie üppig hüpft und springt
Und sich zerstreut und irrt vom rechten Gleise.
Je weiter hin der Schäflein Herde dringt,
Dem Hirten fern sich irrend zu zerstreuen,
Je minder Milch zum Stalle jedes bringt.
Wohl gibt’s noch welche, die den Schaden scheuen.
Die folgen, angedrängt dem Hirten, nach,
Doch wenig Tuch gibt Kutten diesen Treuen.
Jetzt aber, war mein Wort nicht trüb und schwach,
Verblieb dein Ohr, aufmerksam meinen Lehren,
Rufst du zurück dem Geiste, was ich sprach,
Dann wird’s Befried’gung deinem Wunsch gewähren,
Dann zeigt der Baum, von dem ich pflückte, sich,
Und meines Tadels Grund wird sich erklären:
Wo wohl gedeiht, wer nicht dem Wahne wich.”

Zwölfter Gesang

Sobald mir nur das letzte Wort erschollen,
Das aus der sel’gen Himmelsflamme drang,
Begann die heil’ge Mühl’ im Kreis zu rollen.
Doch eh’ sie rundherum sich völlig schwang,
War sie umringt von einem zweiten Kranze,
Eingreifend Tanz in Tanz und Sang in Sang;
Sang, hold verhaucht bei diesem Strahlentanze,
Dem unsrer Musen und Sirenen Lied
So weicht, wie Widerschein dem ersten Glanze.
Wie auf Gewölk, das leicht das Blau umsieht,
Man zwei gleichfarb’ge, gleichgespannte Bogen,
Wenn Juno ihrer Magd befiehlt, ersieht,
Erzeugt vom innern der, der ihm umzogen–
Der Rede jener gleich, die Liebesglut,
Wie Sonnenglut die Dünste, weggesogen–
Die Bogen, die nach allgemeiner Flut
Der Herr dem Noah zeigte, zum Beweise
Des Bunds, durch den die Erde sicher ruht;–
So drehte jetzt um uns sich gleicherweise
Der ew’gen Rosen schöner Doppelkranz,
So glich der äußere dem innern Kreise.
Und als zuletzt der festlich frohe Tanz,
Die Lust des Sangs, der lichten Flammen schweben,
Das Spiegeln einer in der andern Glanz,
Still ward in einem Nu, mit gleichem Streben,
Wie sich die Augen, wenn es dem gefällt,
Der sie bewegt, verschließen und erheben;
Klang aus dem Kreis, von neuem Licht erhellt,
Ein Laut, nach dem ich mich so eilig kehrte,
Wie der Magnet nach seinem Sterne schnellt.
Er sprach: Die Liebe, die mich schön verklärte,
Ist’s, die vom zweiten Hort mich sprechen heißt,
Durch den man hier so hoch den meinen ehrte.
Vom andern spreche, wer den einen preist,
Zusammen glänzt’ ihr Ruhm, so wie sie stritten
Für einen Zweck und mit gleich tapferm Geist.
Des Heilands Heer, für welches schwer gelitten,
Der’s neu bewehrt, zog zweifelnd und voll Leid
Der Fahne nach, schwach und mit trägen Schritten,
Als er, der herrscht in Zeit und Ewigkeit,
Den Kriegern half, die hart gefährdet waren,
Aus Gnad’ und nicht ob ihrer Würdigkeit;
Und, wie gesagt, um seine Braut zu wahren.
Zwei Kämpfer rief, durch deren Wort und Tat
Gesammelt wurden die zerstreuten Scharen.
Woher der Zephir haucht, um am Gestad’
In Tal und Au die Knospen froh zu schwellen,
Wenn sich der Lenz im Schmuck Europen naht,
Dort, nah dem Strand, wo hochgetürmte Wellen
Weit hergewälzt, von Sturmeswut bekriegt,
Dem Sonnenstrahl sich oft entgegenstellen,
Dort ist der Platz, wo Callaroga liegt,
Beschützt und wohlgedeckt vom großen Schilde,
Auf dem der Leu obsiegt und unterliegt.
Dort ward erzeugt im glücklichen Gefilde
Der Glaubenstreue Buhle, der Athlet,
Dem Feind ein Graus, den Seinigen voll Milde. ’
Dem Geist, erschaffen kaum, ward zugeweht
Vom höchsten Geiste Kraft und hohe Gabe,
Und ungeboren war er schon Propbet.
Als mit der Glaubenstreue drauf der Knabe
Verlöbnis hielt, vom heil’gen Quell benetzt,
Wo gegenseit’ges Heil die Morgengabe,
Da ward die Zeugin, die Sein Ja! ersetzt,
Schon von der Wunderfrucht, die ihm entsprieße,
Und seiner Schul’, im Traumgesicht ergetzt.
Und daß sich, was er war, erkennen ließe,
Gebot ein Geist, vom Himmel hergesandt,
Daß man nach ihm, der ihn besaß, ihn hieße.
Dominikus ward er darum benannt,
Der Gärtner, welchen als Gehilfen Christus
Für seinen Garten wählt’ und sich verband.
Wohl schien er Bot’ und treuer Knecht von Christus,
Wie das, was er zuerst geliebt, bezeugt,
Denn er vollzog den ersten Rat von Christus.
Wohl fand ihn öfters die, so ihn gesäugt,
Am Boden liegend, wach, in tiefem Schweigen,
Als spräch’ er aus: Hierzu bin ich gezeugt.
O du, sein Vater, Felix wahr und eigen!
O Mutter, wahrhaft als Johann’ erblüht,
Wenn wir bis zu des Namens Wurzel steigen!
Nicht für die Welt, für die man jetzt sich müht,
Nach des von Ostia, des Thaddäus Lehren,
Nein, fürs wahrhafte Manna nur entglüht,
Sollt’ er als Lehrer bald sich groß bewähren,
Den Weinberg pflegend, der bald Unkraut trägt,
Wenn nicht des Winzers Hand’ ihm emsig wehren.
Vom Stuhl, der einst die Armen mild gehegt–
Einst, nicht durch Schuld des Stuhls–durch dessen Sünden
Der sitzt, und aus der Art der Väter schlägt,
Erbat er Zehnten nicht, noch fette Pfründen,
Erlaubnis nicht, Ablaß und Heil für Geld,
Um drei und vier für zehen, zu verkünden;
Nein die, zu kämpfen mit der irren Welt,
Durch jenen Samen, dem die Bäum’ entspringen,
Die, zweimal zwölf, sich um dich her gestellt,
Die Pflichten des Apostels zu vollbringen,
Strebt’ auf sein Will’ und seine Wissenschaft,
Gleich Strömen, die aus tiefer Ader Springen.
Und ihre Wellen stürzten grausenhaft
Auf ketzerisch Gestrüpp, es auszubrechen,
Und mit dem Widerstand wuchs ihre Kraft.
Er gab darauf den Ursprung manchen Bächen,
Die hinzieh’n durch der Kirche Gartenland,
Drob ihre Bäume schönre Frucht versprechen–
Wenn so ein Rad des Kriegeswagens stand,
Auf dem den Kampf die heil’ge Kirche wagte,
Als sie die innern Meut’rer überwand,
So muß dir jetzt, wie hoch das andre ragte
An Trefflichkeit, vollkommen deutlich sein,
Und was von ihm dir Thomas Gutes sagte.
Allein das Gleis hält jetzo niemand ein,
Das in den Grund der Schwung des Rades prägte,
Und Essig wird, was vormals süßer Wein.
Die Schar, die seiner Spur zu folgen pflegte,
Hat jetzt der Füße Stellung ganz gewandt
Und geht zurück, wo er sich vorbewegte.
Wie schlecht die Saat ist, wird euch bald bekannt,
Denn bei der Ernte wird das Korn erlesen
Und eingescheuert, doch der Lolch verbrannt.
Zwar, will man Blatt für Blatt das Buch durchlesen,
Das unsre Namen zeigt, so sagt ein Blatt
Noch hier und dort: Ich bin, was ich gewesen.
Doch nicht Casal, noch Aquasparta hat
Dergleichen Glieder unsrer Schar gegeben,
Da der zu streng ist, der zu schlaff und matt.
Jetzt wiss’, ich bin Buonaventuras Leben,
Von Bagnoregio, und gering erschien
Beim großen Amt mir jedes andre Streben.
Hier sind Jlluminat und Augustin,
Zwei von den ersten barfußarmen Scharen,
Die durch den Strick in Gottes Huld gedieh’n.
Hier sind der von Sankt Viktor zu gewahren,
Und Mangiador, der Spanier Peter dann,
Des Ruhm der Welt zwölf Bücher offenbaren.
Nathan der Seher, Erzbischof Johann,
Anselm, Donat, der sich dem Werke weihte,
Des sich die erste Kunst berühren kann.
Ruban ist hier; und solchen Brüdern reihte
Sich dieser an, begabt mit Sehergeist
Abt Joachim, helleuchtend mir zur Seite.
Wenn solchen Kämpfer meine Rede preist,
So ist’s des Thomas liebentflammte Weise,
Die mit sich fort auch meine Rede reißt,
Und mit mir fortzieht all in diesem Kreise.

Dreizehnter Gesang

Wer wohl verstehn will, was ich nun gesehen,
Bild’ itzt sich ein und lass im Geist das Bild,
Indes ich spreche, fest, wie Felsen, stehen,
Fünfzehen Sterne, die man am Gefild
Des Himmels in verschiedner Gegend findet,
So glanzvoll, daß ihr Licht durch Nebel quillt;
Den Wagen, der um unsern Pol sich windet,
Und sein Gewölb’ bei Tag und Nacht durchreist,
Drob er beim Deichselwenden nicht verschwindet;
Bild’ ein sich, was der Mund des Hornes weist,
Das anfängt an der Himmelsachse Grenzen,
Um die das erste Rad nie rastend kreist;
Die Sterne denk’ er sich in zweien Kränzen,
Die, dem gleich, der sich zur Erinnrung flicht
An Ariadnens Tod, am Himmel glänzen,
Umringt den einen von des andern Licht,
Und beid’ im Kreis gedreht in solcher Weise,
Daß dem, der vorgeht, der, so folgt, entspricht;
Dann glaub’ er, daß sich ihm ein Schatten weise
Des wahren Sternbilds, welches, zweigereiht,
Den Punkt, auf dem ich stand, umtanzt’ im Kreise.
Denn was wir kennen, steht ihm nach, so weit,
Als nur der Chiana träger Lauf dem Rollen
Des fernsten Himmels weicht an Schnelligkeit.
Dort sang man nicht von Bacchus, von Apollen,
Nein, drei in einem–Gott und Mensch nur eins,
Die Lieder waren’s, welche dort erschollen.
Als Sang und Tanz des heiligen Vereins
Vollbracht war, wandt’ er sich zu uns, von Streben
Zu Streben, ewig froh des sel’gen Seins.
Und jenes Licht hört’ ich die Stimm’ erheben
Im eintrachtsvollen Kreis, das mir vorher
Erzählt des heil’gen Armen Wunderleben.
Es sprach zu mir: Das eine Stroh ist leer
Und wohlverwahrt die Saat, allein entglommen
Von süßer Liebe, dresch’ ich dir noch mehr.
Du glaubst: Der Brust, aus der die Ripp’ entnommen
Zum Stoff des Weibes, deren Gaum hernach
Der ganzen Welt so hoch zu stehn gekommen,
Und jener, die, als sie der Speer durchstach,
So nach wie vor so große G’nüge brachte,
Daß sie die Macht jedweder Sünde brach,
Sei alles Licht, das je dem Menschen lachte,
Und des er fähig ist, voll eingehaucht
Von jener Kraft, die jen’ und diese machte;
Und staunst, daß ich vorhin das Wort gebraucht:
Der fünfte Glanz sei bis zum tiefsten Grunde
Der Weisheit, wie kein zweiter mehr, getaucht.
Erschließ itzt wohl die Augen meiner Kunde;
Mein Wort und deinen Glauben siehst du dann
Im Wahren, wie den Mittelpunkt im Runde.
Das, was nicht stirbt, und das, was sterben kann,
Ist nur als Glanz von der Idee erschienen,
Die, liebreich zeugend, unser Heer ersann.
Denn jenes Licht des Lebens, das entschienen
Dem ew’gen Lichtquell, ewig mit ihm eins,
Und mit der Lieb’, als dritter, eins in ihnen,
Eint gnädiglich die Strahlen seines Scheins
Sie, wie in Spiegeln, in neun Himmeln zeigend,
Im ewigen Verein des einen Seins.
Von dort sich zu den letzten Kräften neigend,
Wird schwächer dann der Glanz von Grad zu Grad,
Zuletzt nur Dinge kurzer Dauer zeugend.
Die Dinge, die mein Wort bezeichnet hat,
Sind die Erschaffnen, welche die Bewegung
Des Himmels zeugt, so mit wie ohne Saat.
Ihr Wachs ist ungleich, und die Kraft der Prägung
Und von des Urgedankens Glanz gewahrt
Man drum hier schwächere, dort stärkre Regung;
Daher denn auch von Bäumen gleicher Art
Bald bessere, bald schlechtre Früchte kommen,
Und euch verschiedne Kraft des Geistes ward–
War’ irgendwo das Wachs rein und vollkommen,
Und ausgeprägt mit höchster Himmelskraft,
Rein würde das Gepräg’ dann wahrgenommen.
Doch die Natur gibt’s immer mangelhaft
Und wirkt dem Künstler gleich, der wohl vertrauen
Der Übung kann, doch dessen Hand erschlafft.
Drum, bildet heiße Lieb’ und klares Schauen
Der ersten Kraft, dann wird sie, rein und groß,
Vollkommenes erschaffen und erbauen.
So ward gewürdiget der Erdenkloß,
Die tierische Vollkommenheit zu zeigen,
Und so geschwängert ward der Jungfrau Schoß.
Darum ist deine Meinung mir auch eigen:
Daß menschliche Natur in jenen zwei’n
Am höchsten stieg und nie wird höher steigen.
Hielt’ ich mit meinen Lehren jetzo ein,
So würdest du die Frage nicht verschieben:
Wie könnt’ ein dritter ohnegleichen sein?
Doch, daß erscheine, was versteckt geblieben,
So denke, wer er war, und was zum Fleh’n,
Als ihm gesagt ward: “Bitt’!” ihn angetrieben.
Aus meiner Rede konntest du ersehn:
Als König fleht’ er um Verstand, beflissen,
Damit dem Reiche g’nügend vorzustehn,
Nicht um der Himmelslenker Zahl zu wissen,
Nicht, ob Notwend’ges und Zufälligkeit
Notwendiges als Schluß ergeben müssen;
Nicht, was zuerst bewegt, Bewegung leiht;
Nicht, ob ein Dreieck in dem halben Kreise
Noch anderen, als rechten Winkel, beut–
Was ich gemeint, erhellt aus dem Beweise.
Du siehst: eine Seher sondergleichen war
Durch Königsklugheit jener hohe Weise,
Auch ist mein Wort: dem nie ein zweiter, klar;
Von Kön’gen sprach ich nur an jenem Orte,
Die selten gute sind, ob viele zwar.
Mit diesem Unterschied nimm meine Worte,
Daß nicht im Streit damit dein Glaube sei
Vom ersten Vater und von unserm Horte.
Und dieses leg’ an deine Füße Blei
Und mache schwer dich, gleich dem Müden, gehen
Zum Ja! und Nein! wo nicht dein Auge frei,
Weil die selbst unter Toren niedrig stehen,
Die sich zum Ja und Nein, ohn’ Unterschied,
Gar schnell entschließen, eh’ sie deutlich sehen;
Drob sich die Meinung, wie es oft geschieht,
Zum Irrtum neigt, und dann im Drang des Lebens
Die Leidenschaft das Urteil mit sich zieht–
Wer nach der Wahrheit fischt und, irren Strebens,
Die Kunst nicht kennt, der kehrt nicht, wie er geht,
Und schifft vom Strand drum schlimmer als vergebens,
Wie ihr dies an Melissus deutlich seht
Und an Parmenides und andern vielen,
Die gingen, eh’ sie nach dem Ziel gespäht;
Drob Arius und Sabell in Torheit fielen.
Gleich Schwertern waren sie dem heil’gen Wort
Und machten die geraden Blicke schielen.
Nicht reiß’ euch Wahn zum schnellen Urteil fort,
Gleich denen, die das Korn zu schätzen wagen,
Das eh’ es reift, vielleicht im Feld verdorrt.
Denn öfters sah ich erst in Wintertagen
Den Dornenbusch gar rauh und stachlicht stehn.
Und auf dem Gipfel dann die Rose tragen.
Und manches Schiff hab’ ich im Meer gesehn,
Gerad’ und flink auf allen seinen Wegen,
Und doch zuletzt am Hafen untergehn.
Nicht glauben möge Hinz und Kunz deswegen,
Weil dieser stiehlt und der als frommer Mann
Der Kirche schenkt, mit Gott schon Rat zu pflegen.
Da der erstehn und jener fallen kann.

Vierzehnter Gesang

Vom Rand zur Mitte sieht man Wasser rinnen
Im runden Napf, vom Mittelpunkt zum Rand,
Je wie man’s treibt nach außen oder innen.
Dies war’s, was jetzt vor meiner Seele stand,
Als stille schwieg des Thomas heil’ges Leben
Und süß verhallend seine Stimme schwand,
Ob jener Ähnlichkeit, die sich ergeben,
Da er erst sprach, dann Beatricens Mund,
Der’s jetzt gefiel, die Stimme zu erheben:
“Ihm tut es not, obwohl er’s euch nicht kund
In Worten gibt, noch läßt im Innern lesen,
Zu späh’n nach einer andern Wahrheit Grund.
Sagt ihm, ob dieses Licht, das euer Wesen
So schön umblüht, euch ewig bleiben wird
Im selben Glanze, wie’s bis jetzt gewesen.
Und, bleibt’s. So sagt, damit er nimmer irrt,
Wie, wenn ihr werdet wieder sichtbar werden,
Es euren Blick nicht blendet und verwirrt."
Wie mit verstärkter Lust oft hier auf Erden
Die Tanzenden im heitern Ringeltanz
Die Stimm’ erhöh’n und froher sich gebärden;
So zeigte neue Lust der Doppelkranz,
Als sie ihn bat, so rasch, doch fromm-bescheiden,
In freud’gem Dreh’n und Wundersang und Glanz–
Wer klagt, daß wir den Tod auf Erden leiden,
Um dort zu leben, oh, der fühlt und denkt
Nicht, wie wir dort am ew’gen Tau uns weiden.
Daß drei und zwei und eins, das alles lenkt
Und ewig lebt in einein, zwei’n und dreien,
Und, ewig unumschränkt, das All umschränkt,
Gesungen ward’s in solchen Melodeien
Dreimal im Chor, um vollen Lohn der Pflicht
Und jeglichem Verdienste zu verleihen.
Und eine Stimm’ entklang dem hellem Licht
Des kleinern Kreises dann und wich an Milde
Wohl der des Engels der Verkündung nicht.
“Solang die Lust im himmlischen Gefilde,
So lange währt auch unsre Lieb’ und tut
Sich kund um uns in diesem Glanzgebilde.
Und seine Klarheit, sie entspricht der Glut,
Die Glut dem Schau’n, und dies wird mehr uns frommen,
Je mehr auf uns die freie Gnade ruht.
Wenn wir den heil’gen Leib neu angenommen,
Wird unser Sein in höhern Gnaden stehn,
Je mehr es wieder ganz ist und vollkommen.
Drum wird sich das freiwill’ge Licht erhöh’n,
Das wir vom höchsten Gut aus Huld empfangen,
Licht, welches uns befähigt, ihn zu sehn,
Und höher wird zum Schau’n der Blick gelangen,
Höher die Glut sein, die dem Schau’n entglüht,
Höher der Strahl, der von ihr ausgegangen.
Doch, wie die Kohle, der die Flamm’ entsprüht,
Sie an lebend’gem Schimmer überwindet
Und wohl sich zeigt, wie hell auch jene glüht;
So wird der Glanz, der jetzt schon uns umwindet,
Dereinst besiegt von unsres Fleisches Schein,
Wenn Gott es seiner Grabeshaft entbindet.
Nicht wird uns dann so heller Glanz zur Pein;
Denn stark, um alle Wonnen zu genießen,
Wird jedes Werkzeug unsers Körpers sein."–
Und Amen riefen beide Chör’ und ließen
Durch Einklang wohl den Wunsch ersehn, den Drang,
Sich ihren Leibern wieder anzuschließen.
Und wohl für sich nicht nur, nein, zum Empfang
Der Väter, Mütter und der andern Teuern,
Die sie geliebt, eh’ sie die Flamm’ umschlang.
Und sieh, zum Glanz von diesen ew’gen Feuern
Kam gleiche Klarheit rings, wie wenn das Licht
Des Tags der Sonne goldne Pfeil’ erneuern.
Wie, wenn allmählich an der Abend bricht,
Am Himmel Punkte, klein und bleich, erglänzen,
So daß die Sach’ als wahr erscheint und nicht;
So glaubt’ ich jetzt in neuen Ringeltänzen
Noch zweifelnd, neue Wesen zu erspäh’n,
Weit außerhalb von jenen beiden Kränzen.
O wahrer Schimmer, angefacht vom Weh’n
Des Heil’gen Geist’s so plötzlich hell!–Geblendet
Könnt’ ihm mein Auge jetzt nicht widerstehn.
Doch als ich zu Beatrix mich gewendet,
War sie so lachend schön, so hochbeglückt,
Daß solches Bild kein irdisch Wort vollendet.
Da ward von neuer Kraft mein Aug’ entzückt;
Ich schlug es auf und sah mich schon nach oben
Mit ihr allein zu höherm Heil entrückt.
Wohl nahm ich wahr, ich sei emporgehoben.
Denn glühend lächelte der neue Stern
Und schien von ungewohntem Rot umwoben.
Von Herzen, in der Sprache, welche fern
Und nah gemeinsam ist den Völker Scharen,
Bracht’ ich Dankopfer dar dem höchsten Herrn.
Und lustentzündet könnt’ ich schon gewahren,
Eh’ ich die ganze Glut ihm dargebracht,
Daß angenehm dem Herrn die Opfer waren.
Denn Lichter, in des Glanzes höchster Macht,
Sah ich aus zweien Schimmerstreifen scheinen,
Und rief: O Gott, du Schöpfer solcher Pracht!–
So tut, besät mit Sternen, groß’ und kleinen, ’
Galassia zwischen Pol und Pol sich kund,
Von welcher dies und das die Weisen meinen,
Wie diese Streifen, bildend auf dem Grund
Des roten Mars das hochgeehrte Zeichen,
Gleich vier Quadranten, wohlgefügt im Rund.
Wohl muß die Kunst hier dem Gedächtnis weichen,
Denn von dem Kreuz hernieder blitzte Christus;
Wo gäb’s ein Bild, ihm würdig zu vergleichen?
Doch wer sein Kreuz nimmt, folgend seinem Christus,
Von ihm wird das, was ich verschwieg, verzieh’n,
Denn blitzen sieht auch er im Glanze Christus.
Von Arm zu Arm, vom Fuß zur Höh’ erschien
Bewegtes Licht, hier hell in Glanz entbrennend,
Weil sich’s verband, dort beim Vorüberzieh’n.
So sieht man wohl, hier träg bewegt, dort rennend,
Atome, hier g’rad’, dort krummgeschweift,
Und lang und kurz, sich einend und sich trennend,
Wirbelnd im Strahl, der durch den Schatten streift,
Nach dem, wenn heiß die Sonnengluten flirren,
Der Mensch mit Witz und Kunst begierig greift.–
Und wie harmonisch Laut’ und Harfe schwirren,
Sind nur die vielen Saiten rein gespannt,
Ob auch im Ohr die Töne sich verwirren;
So hört’ ich jetzt den Sang vom Kreuz und stand,
Als ob in Lust die Sinne sich verlören,
Obwohl ich von der Hymne nichts verstand.
Doch hohen Preis vernahm ich in den Chören,
Denn: Du erstehst und siegst!–erklang’s, und ich
Glich denen, welche nicht verstehn, doch hören.
Und so durchdrang hier süße Liebe mich,
Daß, welche holde Band’ auch mich umfingen,
Doch keins bis dahin diesem Bande glich.
Vielleicht scheint sich zu kühn mein Wort zu schwingen,
Nachsetzend selbst der schönen Augen paar,
Die jeden Wunsch in mir zur Ruhe bringen.
Doch nimmt man die lebend’gen Stempel wahr,
Die, höher, immer schöneres gestalten,
Und denkt, daß ich gewandt von jenen war,
So wird man drob mich für entschuldigt halten
Und sehn, daß ich vom Wahren nicht geirrt;
Doch dürft’ auch hier die heil’ge Wonne walten,
Die, wie man aufsteigt, immer reiner wird.

Fünfzehnter Gesang

Gewogner Will’, in welchem immer dir
Sich offen wird die echte Liebe zeigen,
Wie böser Wille kund wird durch Begier,
Gebot der süßen Leier Stilleschweigen
Und hielt im Schwung der heil’gen Saiten ein,
Die Gottes Rechte sinken macht und steigen.
Wie werden taub gerechter Bitte sein
Sie, die einhellig den Gesang itzt meiden,
Um Mut zur Bitte selbst mir zu verleih’n.
Oh, wohl verdienen ewiglich zu leiden
Die, weil die Lieb’ in ihrer Brust erwacht
Für Irdisches, sich jener Lieb’ entkleiden.
Wie durch die Heiterkeit der stillen Nacht
Oft Feuer läuft, vom Augenblick geboren,
Und des Beschauers Augen zücken macht,
Gleich einem Stern, der andern Platz erkoren,
Nur, daß an jenem Ort, wo er entbrannt,
Sich nichts verliert und er sich schnell verloren;
So sah ich aus dem Arm zur rechten Hand
Jetzt einen Stern zum Fuß des Kreuzes wallen,
Aus jenem Sternbild, das dort glänzend stand.
Die Perl’ war nicht aus ihrem Band gefallen;
Sie lief am lichten Streif dahin und war
Wie Feuer hinter glänzenden Kristallen.
So, redet unsre größte Muse wahr,
Stellt’ in Elysiums Hainen seinem Sprossen
Anchises sich mit frommer Liebe dar.
“O du, mein Blut, auf welches sich ergossen
Die Gnade hat, wem hat der höchste Hort
Zweimal, wie dir, des Himmels Tür erschlossen?"
Mir zog den Geist zum Lichte dieses Wort;
Drauf, als ich mich zu meiner Herrin wandte,
Ward mir Entzückung, Staunen, hier wie dort,
Weil ihr im Auge solch ein Lächeln brannte,
Daß, wie ich glaubte, meins den Grund darin
Von meinem Himmel, meiner Gnad’ erkannte.
Der Geist dann fügte Dinge zum Beginn,
Er, angenehm zu hören und zu sehen,
Die ich nicht faßte vor zu tiefem Sinn.
Doch wollt’ er nicht, ich soll’ ihn nicht verstehen;
Es mußte sein, weil Reden solcher Art
Weit übers Ziel der Menschenfassung gehen.
Doch als der Schwung, in dem sich offenbart
Der Liebe Glut, insoweit nachgelassen,
Daß jenes Ziel nicht überflogen ward,
Sprach er, was ich nun fähig war, zu fassen:
“Preis dir, Dreieiner, der du auf mein Blut
So reich an Gnade dich herabgelassen."
Und dann: “Der Sehnsucht lange, süße Glut.
Entflammt, da ich im großen Buch gelesen,
Das kund unwandelbar die Wahrheit tut,
Stillst du, mein Sohn, im Licht, aus dem mein Wesen
Jetzt freudig zu dir spricht; Dank ihr, die dich
Zum Flug beschwingt und dein Geleit gewesen!
Du glaubst, daß alles, was du denkst, in mich
Vom Urgedanken strömt; denn es entfalten
Die fünf und sechs ja aus der Einheit sich;
Drum fragst du nicht nach mir und meinem Walten,
Und weshalb höher meine Freude scheint
Als die der andern dieser Lichtgestalten.
Dein Glaub’ ist wahr, weil groß und klein vereint
In diesem Reich, nach jenem Spiegel blicken,
Wo, eh’ du denkest, der Gedank’ erscheint,
Doch, um die Lieb’, in die mit wachen Blicken
Ich ewig schau’, und die die Süßigkeit
Der Sehnsucht zeugt, vollkommner zu erquicken,
Erklinge sicher, kühn, voll Freudigkeit
Die Stimm’ in deinem Willen, deinem Sehnen,
Und die Entgegnung drauf ist schon bereit."
Ich sah auf sie, die, eh’ die Wort’ ertönen,
Mich schon versteht, und lächelnd im Gesicht,
Hieß sie mich frei des Willens Flügel dehnen.
Ich sprach: “Die Neigung und des Geistes Licht
Sind, seit die erste Gleichheit ihr ergründet,
Bei jeglichem von euch im Gleichgewicht,
Weil euch die Sonne, die euch hellt und zündet
Mit Licht und Glut, damit sogleich durchdringt,
Daß man, was sonst sich gleicht, hier ungleich findet.
Doch Will’ und Witz, wie sie der Mensch erringt,
Sie sind aus dem euch offenbaren Grunde
Mit sehr verschiedner Kraft zum Flug beschwingt.
Dies fühl’ ich Sterblicher in dieser Stunde,
Und danke deine Vaterliebe dir
Drum mit dem Herzen nur, nicht mit dem Munde.
O du lebendiger Topas, du Zier
Des edlen Kleinods, hell in Glanz entglommen,
Still’ itzt, dich nennend, meine Wißbegier!"
“Mein Sproß, längst froh erwartet, jetzt willkommen,
In mir sieh deine Wurzel!” So der Geist,
Und setzt’ hinzu, nachdem ich dies vernommen:
“Und er, nach welchem dein Geschlecht sich heißt,
Der hundert Jahr’ und mehr für stolzes Wesen
Des Berges ersten Vorsprung schon umkreist,
Er ist mein Sohn, dein Urgroßahn, gewesen,
Und dir geziemt’s, von solcher langen Pein
Durch gute Werk’ ihn schneller zu erlösen.
Florenz, im alten Umkreis, eng und klein,
Woher man jetzt noch Terzen hört und Nonen,
War damals friedlich, nüchtern, keusch und rein.
Nicht Kettchen hatt’ es damals noch, nicht Kronen,
Nicht reichgeputzte Frau’n–kein Gürtelband,
Das sehenswerter war als die Personen.
Bei der Geburt des Töchterleins empfand
Kein Vater Furcht, weil man zur Mitgift immer,
So wie zur Zeit, die rechten Maße fand.
Und öde, leere Häuser gab’s da nimmer;
Nicht zeigte dort noch ein Sardanapal,
Was man vermag in Üppigkeit der Zimmer.
Nicht übertroffen ward der Montemal
Von dem Uccellatojo noch im Prangen,
Und wie im Steigen, also einst im Fall.
Ich sah vom schlichten Ledergurt umfangen
Bellincion Berti noch und sah sein Weib
Vom Spiegel gehn mit ungeschminkten Wangen.
Ich sah ein unverbrämtes Wams am Leib
Des Nerli und des Vecchio–und den Frauen
War Spill’ und Rocken froher Zeitvertreib.
Glücksel’ge Fraun! In eurer Heimat Auen
War euch ein Grab gewiß–durch Frankreichs Schuld
War keiner noch das öde Bett zum Grauen.
Die, wach und emsig an der Wiege, lullt’
In jener Sprach’ ihr Kindlein ein, die jeden
Der Vater ist, entzückt in Süß’ und Huld.
Die, ziehend aus dem Rocken glatte Fäden,
Letzt’ ihrer Kinder Kreis von Römertat,
Von Troja, Fiesole mit klugen Reden.
Was ihr an einer Cianghella saht,
An Salterell, solch Wunder hätt’s gegeben,
Als itzt Cornelia gab’ und Cincinnat.
So ruhigem, so schönem Bürgerleben,
So treuer Bürgerschaft, so teurem Land,
Gab mich Maria, die mit Angst und Beben
Die Mutter anrief, als sie Weh’n empfand,
Und dort, in unserm Taufgebäu, dem alten,
Ward ich ein Christ und Cacciaguid genannt.
Zwei Brüder hatt’ ich, und zu treuem Walten
Im Haufe kam die Gattin mir vom Po,
Von der den zweiten Namen du erhalten.
Den Kaiser Konrad folgt’ und dient’ ich, so,
Daß er mich weihte zu des Ritters Ehren,
Und immer blieb ich seiner Gnade froh.
Mit ihm wollt’ ich des Greuels Reich zerstören,
Des Volk, durch eurer Hirten Fehler, sich
Der Länder anmaßt, die euch angehören.
Und dort, von jenem schnöden Volk, ward ich
Vom Trug der Welt entkettet und geschieden,
Der viele Herzen jeder Zeit beschlich,
Und kam vom Märtyrtum zu diesem Frieden.

Sechzehnter Gesang

O du geringer Adel unsers Bluts,
Kannst du hienieden uns zum Stolz verführen,
Wo wir noch fern vom Schau’n des wahren Guts.
So werd’ ich nimmer drob Verwundrung spüren;
Denn dort, wo falsche Lust uns nicht erreicht,
Fühlt’ ich darob in mir den Stolz sich rühren.
Du bist ein Mantel, der, sich kürzend, weicht,
Setzt man nicht Neues zu von Tag zu Tagen,
Weil rings die Zeit mit ihrer Schere schleicht–
Mit jenem ihr, das Rom zuerst ertragen,
Das jetzt die Römer minder brauchen, trat
Ich näher hin, beginnend neue prägen.
Beatrix drum, zur Seite stehend, tat,
Lächelnd, gleich jener, die beim ersten Fehle
Ginevrens, wie man schreibt, gehustet hat.
“Ihr seid mein Vater; Ihr erhebt die Seele,
Daß ich mehr bin als ich; Ihr gebt mir Mut
Mit Euch zu sprechen frei und sonder Hehle.
Mir strömt zur Brust vielfacher Wonne Flut,
Doch sie erträgt es, ohne zu zerspringen,
Weil süß das Herz in eigner Freude ruht.
Drum sprecht, mein Urahn, welche Vordern gingen
Euch noch voraus, und wie bezeichnet man
Die Jahre, die Euch hier itzt Früchte bringen?
Vom Schafstall sprecht des heiligen Johann;
Wie groß war er? Wer ist, den, hochzustehen
In jenem Volk, man würdig preisen kann?"
Gleichwie, belebt von frischen Windeswehen,
Die Kohl’ in Flammen glüht, so war das Licht
Bei meinem Liebeswort in Glanz zu sehen.
Und so verschont er jetzt sich dem Gesicht,
Wie seine Sprache sich dem Ohr verschönte;
Doch war’s nicht jene, die man jetzo spricht.
Er sprach: “Seitdem des Engels Ave tönte,
Bis meine Mutter, heilig itzt, in Qual
Sich meiner Last entledigend, erstöhnte,
Kam allbereits fünfhundertachtzigmal
Dies Feuer zu den Füßen seines Leuen,
Dort zu erneuern seinen Flammenstrahl.
Des ersten Lichts sollt’ ich am Ort mich freuen,
Den Vätern gleich, wo man das Sechsteil fand.
In dem sich eure Jahresläuf’ erneuen.
Und dies sei von den Ahnen dir bekannt;
Wer sie gewesen, und woher entsprossen,
Wird schicklicher verschwiegen als benannt.
Was da, von Mars und Täufer eingeschlossen,
Befähigt war, sich zum Gefecht zu reih’n,
Ein Fünfteil war’s der jetzigen Genossen.
Allein die Bürgerschaft, jetzt groß zum Schein,
Vermischt mit Campis und Certaldos Scharen,
War noch im letzten Handwerksmanne rein.
Wohl besser wären, die einst Nachbarn waren,
Es jetzo noch–wohl besser war’s, Galluzz
Und Trespian als Grenzen zu bewahren,
Als innerhalb der Bauern Stank und Schmutz
Von Aguglion und Signa zu ertragen,
Die listig schachern allem Recht zum Trutz.
Wenn sich, der gänzlich aus der Art geschlagen,
Am Kaiser nicht stiefväterlich verging,
Statt ihn am Herzen väterlich zu tragen,
War’ mancher Schachrer, den Florenz empfing,
Bereits zurückgekehrt nach Simifonte,
Wo sein Großvater schmählich betteln ging.
Wie Montemurlo Grafschaft bleiben konnte,
So wären noch die Cerchi in Acon,
Vielleicht in Valdigriev die Buondelmonte.
In Volksvermischung fand man immer schon
Den ersten Keim zu einer Stadt Verfalle,
Wie Speis auf Speisen unsern Leib bedroh’n.
Ein blinder Stier stürzt hin in jäherm Falle
Als blindes Lamm, und öfters ist ein Schwert
Mehr wert als fünf und schneidet mehr als alle.
Sieh Luni, Urbifaglia schon verheert,
Sieh Chiusi in derselben Not sich winden,
Die Sinigaglia, jenen gleich, erfährt;
Dann wirst du’s nicht mehr neu und schrecklich finden,
Hüllt Nacht des Todes die Geschlechter ein,
Da Städte selbst vom festen Grund verschwinden.
Was euer ist, das trägt, wie euer Sein,
Den Tod in sich; doch, was sich minder wandelt,
Verbirgt ihn euch, denn eure Zeit ist klein.
Und wie des Mondes Lauf den Strand verwandelt
Und ihn in Ebb’ und Flut entblößt und deckt,–
So ist’s, wie das Geschick Florenz behandelt.
Drum werde dir kein Staunen mehr erweckt,
Sprech’ ich von Edeln deiner Stadt, von ihnen,
Die in Vergessenheit die Zeit versteckt.
Die Ughi hob’ ich und die Catellinen
Der Greci und Ormanni Stamm gesehn,
Die selbst im Fall erhabne Bürger schienen.
Mocht’ alt, wie hoch, der von Sanella stehn,
Er mußte mit Soldanier, den von Arke
Und den Bostichi kläglich untergehn.
Am Tor, das jetzt an Hochverrat so starke
Belastung hat, daß in den Wogen bald
Versinken wird die überladne Barke,
Dort war der Ravignani Aufenthalt,
Das Stammhaus derer, so den Namen führen
Des Bellincion, der edel ist und alt.
Wohl wußte, wie sich’s zieme, zu regieren,
Der della Pressa–Galigajo nahm
Das Schwert, das goldnes Blatt und Knauf verzieren.
Groß war die graue Säul’ und wundersam,
Groß waren die Sachetti, die Barucci
Und die ein Scheffel jetzt durchglüht mit Scham.
Groß war vordem der Urstamm der Calfucci;
Zu jeglichem erhabnen Platz im Staat
Rief man die Sizii, die Arrigucci.
Wie groß war’t ihr! Allein des Stolzes Saat
Trug Untergang–wie blüht auf allen Ästen
So edler Stämme Mut und große Tat!
So waren deren Väter, die in Festen,
Wenn man den Sitz des Bischofs ledig sieht,
Im Konsistorium sich behaglich mästen.
Das prahlende Geschlecht, das dem, der flieht,
Zum Drachen wird, doch sanft wird, gleich dem Lamme,
Wenn man die Zahne weist, den Beutel zieht
Kam schon empor, allein aus niederm Stamme,
Drum zürnt’ Ubert dem Bellincion, daß er
Zu solcherlei Verwandtschaft ihn verdamme.
Von Fiesole kam Caponsacco her
Auf euren Markt und trieb in jenen Tagen,
Wie Infangato bürgerlich Verkehr.
Unglaubliches, doch Wahres werd’ ich sagen:
Ein Tor des Städtchens ließ man ungescheut
Den Namen des Geschlechts der Pera tragen.
Wen nur des schönen Wappens Schmuck erfreut,
Des großen Freiherrn, dessen Preis und Ehren
Alljährlich noch das Thomasfest erneut.
Ließ Ritterwürden sich von ihm gewähren,
Mag der auch, der’s mit goldner Zier umwand,
Jetzt im Vereine mit dem Volk verkehren.
Da hoch der Stamm der Gualterotti stand,
So würd’ in Kriegsnot Borgo minder beben,
Wenn er sich mit den Nachbarn nicht verband.
Das Haus, das euch zum Weinen Grund gegeben,
Da’s in gerechtem Grimm euch Tod gebracht
Und ganz beendigt euer heitres Leben,
Stand mit den Seinen fest in Ehr’ und Macht.
Buondelmont, was hattest du Verlangen
Nach andrer Braut? Was fremden Antriebs acht?
Wohl viele würden froh sein, die jetzt bangen,
Wenn Gott der Ema dich vermählt, als du
Zum ersten Male nach der Stadt gegangen.
Doch wohl stand dieser Stadt das Opfer zu,
Das sie der Brückenwacht, dem wüsten Steine,
Mit Blut gebracht in ihrer letzten Ruh’.
Mit diesen und mit andern im Vereine
Sah ich Florenz des süßen Friedens wert,
Indem’s nie Ursach’ fand, weshalb es weine.
Mit diesem sah ich hoch sein Volk geehrt,
Gerecht und treu, in ruhig stiller Haltung,
Und nie am Speer die Lilie umgekehrt’
Und nimmer rotgefärbt durch innre Spaltung.

Siebzehnter Gesang

Wie der, der Väter karg gemacht den Söhnen,
An Climene um Kunde sich gewandt
Von dem, was man gejagt, ihn zu verhöhnen;
So war ich jetzt in mir, und so empfand
Beatrix mich und er, des Liebesregung
Vom Flammenkreuz ihn zu mir hergebannt.
Drum sie: “Folg’ itzt der inneren Bewegung
Und laß den Wunsch hervor, nur sei er rein
Bezeichnet durch des innern Stempels Prägung.
Er soll nicht größre Kenntnis uns verleih’n,
Doch mutig sollst du deinen Durst bekennen,
Als ob ein Mensch ihn stillen sollt’ in Wein."
“O teurer Ahn, hochragend im Erkennen,
Gleich wie der Mensch sieht, daß im Dreieck nicht
Zwei stumpfe Winkel sich gestalten können,
So siehst du, was da sein wird, das Gesicht
Dem Spiegel zugewandt, der alle Zeiten
Als Gegenwart dir zeigt im klaren Licht.
Als noch Virgil bestimmt war, mich zu leiten,
Um auf den Berg, der unsre Seelen heilt,
Und zu der toten Welt hinabzuschreiten,
Ward von der Zukunft Kunde mir erteilt,
Die hart ist, mag ich auch als Turm mich fühlen,
Der trotzend steht, wenn ihn der Sturm umheult.
Drum wüßt’ ich gern, um meinen Wunsch zu kühlen,
Welch ein Geschick mir naht. Vorausgeschaut,
Scheint minder tief ein Pfeil sich einzuwühlen."
Ich sprach’s zum Licht, das mir mit süßem Laut
Gesprochen hatt’, und hatt’ ihm nun vollkommen,
Nach meiner Herrin Wink, den Wunsch vertraut.
In Rätseln nicht, wie man sie einst vernommen,
Bestimmt, ein Netz für Torenwahn zu sein,
Eh’ Gottes Lamm die Sünd’ auf sich genommen,
In klarem Wort und bündigem Latein,
Antwortete mir jene Vaterliebe
Verschlossen in der eignen Wonne Schein:
“Der Zufall, Werk allein der Erdentriebe,
Malt sich im ew’gen Blick, wie vorbestimmt,
Und keiner ist, der ihm verborgen bliebe,
Obwohl er euch die Freiheit nicht benimmt
So wenig, als das Aug’ ein Schifflein leitet,
Das drin sich spiegelt, wenn’s stromunter schwimmt.
Wie Orgelharmonie zum Ohre gleitet,
So kann mein Aug’ im ew’gen Blicke sehn,
Welch ein Geschick die Zukunft dir bereitet.
Wie Hippolyt, vertrieben aus Athen
Von der Stiefmutter treulos argen Ränken,
So mußt du aus dem Vaterlande gehn.
Dies wollen sie, dies ist’s, worauf sie denken;
Und wo man Christum frech zu Markte trägt,
Dort wird zur Tat, was nottut, dich zu kränken.
Und dem verletzten Teil folgt, wie er pflegt,
Der Ruf der Schuld–allein die Wahrheit künden
Wird Gottes Rache, die den Argen schlägt.
Du wirst dich allem, was du liebst, entwinden
Und wirst, wenn dies dir bittern Schmerz erweckt,
Darin den ersten Pfeil des Banns empfinden.
Wie fremdes Brot gar scharf versalzen schmeckt,
Wie hart es ist, zu steigen fremde Stiegen,
Wird dann durch die Erfahrung dir entdeckt.
Doch wird so schwer nichts seinen Rücken biegen,
Als die Gesellschaft jener schlechten Schar,
Mit welcher du dem Bann wirst unterliegen.
Ganz toll und ganz verrucht und undankbar
Bekämpft sie dich; doch zeiget bald, zerschlagen,
Ihr Kopf, nicht deiner, wer im Rechte war.
Wie dumm sie ist, das wird ihr Tun besagen;
Und daß du für dich selbst Partei gemacht,
Wird dir erwünschte, schöne Früchte tragen.
Die erste Zuflucht in der harten Acht
Wird dir der herrliche Lombard gewähren,
Den heil’ger Aar und Leiter kenntlich macht.
Zwischen euch wird von Geben und Begehren
Das, was sonst später kommt, das erste sein,
So sorgsam wird auf dich sein Blick sich kehren.
Dort siehst du ihn, dem dieses Sternes Schein
Bei der Geburt im hellsten Licht entglommen,
Ihm das Gepräg’ zu hoher Tat zu leih’n.
Und hat die Welt noch nichts davon vernommen,
So ist’s, weil eben erst zum neuntenmal
Die Sonn’ um ihm den Zirkellauf genommen.
Doch glänzt er, ungerührt durch Gold und Quäl,
Bevor sich des Gascogners Tücken zeigen
Bei Heinrichs Zug, in heller Tugend Strahl.
Hochherrlich wird sein Ruhm zum Himmel steigen;
Der Feind selbst kann, obwohl voll Ungeduld
Bei seiner Taten Lob, es nicht verschweigen.
Gewärtig sei denn sein und seiner Huld;
Aus Armen macht er Reich’ und Arm’ aus Reichen,
Hebt arme Tugend, stürzt die reiche Schuld.
Laß nicht dies Wort aus dem Gedächtnis weichen,
Doch sage nichts!” Dann sagt’ er Dinge mir,
Die dem selbst, der sie sah, noch Wundern gleichen.
“Sohn,” also sprach er weiter, “siehe hier,
Zu dem, was dir verkündet ward, die Glossen.
Schon droht man aus dem Hinterhalte dir.
Doch nicht beneide deine Landsgenossen,
Denn lang, bevor du sinkst ins dunkle Grab,
Ist dem Verrat gerechte Rach’ entsprossen."
Hier brach die heil’ge Seel’ ihr Reden ab
Und hatte das Gewebe ganz vollendet,
Wozu ich fragend ihr den Aufzug gab.
Und wie man zweifelnd sich an jemand wendet,
Der innig liebt und Rechtes will und sieht,
Nach gutem Rat–so ich, als er geendet:
“Ich seh’s, wie rasch heran die Stunde zieht,
Um gegen mich den scharfen Pfeil zu kehren,
Der schwerer trifft, wen die Besinnung flieht.
Drum muß ich wohl mit Vorsicht mich bewehren,
Um fern dem Ort, der, was ich lieb’, enthält,
Nicht durch mein Lied der Zuflucht zu entbehren.
Denn reifend durch die endlos bittre Welt,
Dann auf die Höh’, wo mich vom Angesichte
Der Herrin Licht zum höhern Flug erhellt,
Dann durch den Himmel selbst von Licht zu Lichte,
Erfuhr ich, was wohl manchen brennt und beißt
Durch ätzenden Geschmack, wenn ich’s berichte.
Und zagt, der Wahrheit feiger Freund, mein Geist,
Dann, fürcht’ ich, bin ich tot bei jenen allen,
Bei welchen diese Zeit die alte heißt."
Und neuen Glanz sah ich dem Licht entwallen,
Das Strahlen, wie ein goldner Spiegel, warf,
Auf den der Sonne Feuerblicke fallen.
“Wer rein nicht sein Gewissen nennen darf,"
Sprach er, “wen eigne Schmach, wen fremde drücket,
Dem schmeckt wohl deine Rede streng und scharf.
Dennoch verkünde ganz und unzerstücket
Was du gesehn, von jeder Lüge frei
Und laß nur den sich kratzen, den es jücket.
Ob schwer dein Werk beim ersten Kosten sei,
Doch Nahrung hinterläßt’s zu kräft’germ Leben,
Ist des Gerichts Verdauung erst vorbei.
Dein Laut wird sich, dem Sturme gleich, erheben,
Der hohe Gipfel stärker schüttelnd faßt,
Und dies wird Grund zu größrer Ehre geben.
Drum sind berühmte Seelen alle fast,
Die du im dunkeln, wehevollen Schlunde
Und auf dem Berg und hier gesehen hast.
Denn niemand traut beruhigt einer Kunde,
Verbirgt das Bild, das sie vor Augen stellt,
Die Wurzel tief im unbekannten Grunde,
Und nur was schimmert überzeugt die Welt.”

Achtzehnter Gesang

Schon freute sich der sel’ge Geist alleine
An seinem Wort. und ich, mit Süßigkeit
Das Bittre mäßigend, genoß das meine.
Und jene Frau, zum Höchsten mein Geleit,
Sprach: “Wechsle die Gedanken–denk’, ich wohne
Dem nah, der mildert unverdientes Leid."
Ich, hingewandt zum süßen Liebestone,
Konnt’ in den heil’gen Augen Liebe schau’n,
Die ich nicht sing’ in dieser niedern Zone.
Denn nicht der Sprache nur muß ich mißtrau’n;
Selbst das Gedächtnis kehrt nicht, ungetragen
Vom Flug der Gnade, zu den sel’gen Au’n.
Ich kann von jenem Augenblick nur sagen:
Ich fühlte jeden Wunsch der Brust entflieh’n,
Als ich den Blick zur Herrin aufgeschlagen,
Bis, die nun selbst aus ihrem Auge schien,
Die ew’ge Luft, vom schönen Angesichte
Im zweiten Anblick G’nüge mir verlieh’n,
Besiegend mich mit eines Lächelns Lichte.
“Nicht mir im Aug’ allein ist Paradies."
Sie sprach’s. “Horch auf! Dorthin die Augen richte!"
Wie Lieb’ auf Erden wohl sich mir erwies,
Die lächelnd glänzt’ auf eines Freundes Zügen,
Der seine Seele ganz ihr überließ,
So zeigt’ in Glanz und wonnigem Vergnügen
Des Urahns Geist die liebende Begier,
Mir noch durch ein’ge Reden zu genügen:
“In dieses Baumes fünfter Stufe hier,
Der von dem Gipfel Nahrung zieht und Leben,
Stets reich an Frucht und frischer Blätter Zier,
Sind Sel’ge, die, eh’ sie emporzuschweben
Der Himmel rief, in eurem Erdental
Durch Ruhm der Muse reichen Stoff gegeben.
Sieh auf die Arme hin am Kreuzesmal,
Und zeigen wird sich jeder, den ich nannte,
Wie in der Wolk’ ihr schneller Feuerstrahl.
Und sieh, ein Licht, gleich schnellem Blitz, entbrannte,
Beim Namen Josua–so daß ich Wort
Und Tat in einem Augenblick erkannte.
Den Makkabäus nannt’ er dann, und dort
War kreisend Feuer glänzend vorgedrungen,
Und Freude trieb den heil’gen Kreisel fort.
Als Karl der Groß’ und Roland dann erklungen,
Folgt’ ich so aufmerksam dem Glanz, als man
Dem Falken folgt, der sich emporgeschwungen.
Wilhelm zog meinen Blick zum Kreuz hinan,
Und Rinoard, bei ihres Namens Klange.
Auch Herzog Gottfried, Robert Guiscard dann.
Drauf mischte sich dem schimmernden Gedrange
Die Seele, die erst sprach, als Meisterin
Sich zeigend in dem himmlischen Gesange.
Ich kehrte mich zur rechten Seite hin,
Um in Beatrix; meine Pflicht zu lesen,
In Wink und Wort der heil’gen Führerin,
Und sah so rein ihr Aug’, ihr ganzes Wesen
So hold, daß, was ich hab an Himmelsluft,
Sie übertraf, ja, was sie je gewesen.
Und, wie des guten Wirkens sich bewußt,
In größrer Wonne man von Tag zu Tagen
Der Tugend Wachstum merkt in eigner Brust;
So merkt’ ich jetzt, vom Himmel fortgetragen
In seinem Schwung, gewachsen sei der Kreis,
Sobald ich sah dies schönre Wunder tagen.
Und wie das Rot der Scham, die glühend heiß
Gefärbet hat der zarten Jungfrau Wangen,
Bald wieder schwindet vor dem lautern Weiß;
So, nach dem roten Licht, das mich umfangen,
Sah ich mich in den Silberglanz entrückt
Des sechsten Sterns, der mich in sich empfangen.
Und in dem Stern des Zeus, den Freude schmückt,
War frohes Liebesfunkeln zu gewahren,
Durch unsrer Sprache Zeichen ausgedrückt.
Wie Vögel, die empor vom Strande fahren,
Gemeinsam neuer Weide froh, sich bald
In runden, bald in langen Haufen scharen;
So flatterten, von Himmelslicht umwallt,
In Sängen Sel’ge hin, im Fluge zeigend
Des D und dann des I und L Gestalt,
Im Sang, erst bald gesenkt, bald wieder steigend,
Und war die Ordnung diesen Zeichen gleich,
Einhaltend in des Fluges Schwung und schweigend.
Kalliope, die du die Geister reich
An Ruhme machst, sie ewig zu erhalten,
Die du erhältst mit ihnen Stadt und Reich,
Erleuchte mich, damit ich die Gestalten
Getreu beschreibe, jetzt mit deinem Strahl;
Laß deine Kraft in kurzen Reimen walten!–
Vokal’ und Konsonanten–siebenmal
Fünf waren’s, die mein Auge dort ergötzten,
Auch merkt’ ich wohl die Ordnung dieser Zahl.
Diligite iustitiam–So setzten
Erst Haupt’ und Zeitwort sich; dann sieh sofort:
Qui iudicatis terram–als die letzten.
Und alles blieb beim M im fünften Wort
Geordnet stehn, hiermit das Werk vollbringend.
So stand die Schrift wie Gold in Silber dort.
Ich sah viel andres Licht, sich niederschwingend
Zum Haupt des M, dort still und unbewegt,
Vom Gut, so schien es, das sie anzieht, singend.
Dann, wie wenn man mit Feuerbränden schlägt,
Draus unzählbare Funken sprühend flammen,
Woraus die Torheit wahrzusagen pflegt;
So hoben dort sich mehr als tausend Flammen,
Und die stieg mehr, und minder die empor,
Wie sie die Sonne trieb, aus der sie stammen.
Als jed’ an ihrer Stelle war, verlor
Sich das Gewühl–da trat in Flammenzügen
Der Kopf und Hals von einem Adler vor.
Der dorten malt, weiß selbst sich zu genügen;
Er, ungeleitet, lenkt des Künstlers Hand,
Damit der Form sich die Gebilde fügen.
Die sel’ge Schar, die dort zufrieden stand,
Das M bekrönend mit dem Lilienkranze,
Vollendete das Bild jetzt, leicht gewandt.
So sah ich, schöner Stern, der Himmel pflanze
In uns die Keime der Gerechtigkeit,
Der Himmel, den du schmückst mit deinem Glanze.
Zum Geist, der Kraft dir und Bewegung leiht,
Fleh’ ich, nach jenem Rauche hinzuschauen,
Der deinen Strahl verdunkelt und entweiht.
Sein Zorn mach’ einmal noch dem Volke Grauen,
Das in dem Tempel schachert und verkehrt,
Den er aus Wundern ließ und Martern bauen.
Himmelskriegerschar, dort hellverklärt,
Bitte für die, so noch der Leib umschlossen,
Die schlechtes Beispiel falsche Wege lehrt.
Einst kriegte man mit Schwertern und Geschossen,
Doch jetzt, das Brot wegnehmend dort und hie,
Das unser frommer Vater nie verschlossen.
Du, der du schreibst, um auszustreichen, sie:
Für jenen Weinberg, welchen du verdorben,
Starb Paul und Petrus, doch noch leben sie.
Du aber denkst: Hab’ ich nur den erworben,
Der in die Einsamkeit der Wüst’ entrann,
Und der zum Lohn für einen Tanz gestorben,
Was kümmern Paulus mich und Petrus dann?

Neunzehnter Gesang

Vor mir erschien mit offnem Flügelpaar
Das schöne Bild, wo, selig im Vereine,
Der Geister lichter Kranz verflochten war.
Jedweder war wie ein Rubin, vom Scheine
Der Sonne so in Licht und Glut entbrannt,
Als ob sie selbst mir in die Augen Scheine.
Der Schilderung, zu der ich mich gewandt,
Wie kann die Sprache sie, die Feder wagen,
Da Phantasie dergleichen nie erkannt?–
Ich sah den Aar und hört’ ihn Worte sagen,
Und in der Stimm’ erklangen Ich und Mein,
Als Wir und Unser ihm im Sinne lagen:
Er sprach: “Für frommes und gerechtes Sein
Sollt’ ich zu dieser Glorie mich erheben,
Die jeden Wunsch uns zeigt als arm und klein.
Und solch Gedächtnis ließ ich dort im Leben,
Daß es für rühmlich selbst den Bösen gilt,
Die nicht auf meiner Spur zu wandeln streben."
Wie vielen Kohlen eine Glut entquillt,
So tönte jetzt von vielen Liebesgluten
Ein einz’ger Ton mir zu aus jenem Bild.
“Ihr ew’ge Blüten des endlosen Guten,"
Begann ich, “die ihr mir als einen jetzt
Laßt eure Wohlgerüch’ entgegenfluten,
Ich bitt’ euch nun, mit eurem Hauch ergetzt
Mich Hungrigen und reicht mir jene Speise,
Mit welcher mich die Erde nie geletzt.
Wohl weiß ich, spiegelt sich in anderm Kreise
Des Himmels ab des Herrn Gerechtigkeit,
Daß sie sich euch nicht unterm Schleier weise.
Ihr wißt, zum Hören bin ich schon bereit,
Auch wißt ihr, welch ein Zweifel mich befangen,
Der unbefriedigt ist seit langer Zeit."
Gleichwie ein edler Falk, der Kapp’ entgangen,
Das Haupt bewegt, sich schön und freudig macht,
Stolz mit den Flügeln schlägt und zeigt Verlangen,
So machte sich des hohen Zeichens pracht,
Das Gottes Gnade laut dem All verkündet,
Mit Sang, wie der nur hört, der dort erwacht.
Und es begann: “Er, der die Welt gerundet
Und sie begrenzt, hat viel Geheimes drin
Und Offenbares viel darin begründet;
Doch hat er seine Kraft vom Anbeginn
Nicht völlig ausgeprägt im Weltenaue,
Denn endlos überragt’s sein hoher Sinn.
Der erste Stolze, welcher höh’r als alle
Geschöpfe stand, sank drum im frevlen Zwist,
Des Lichts nicht harrend, früh in jähem Falle.
Denn jegliches der kleinern Wesen ist
Zu eng, um jenes Gut darein zu bringen,
Das, endlos, sich nur mit sich selber mißt,
Drum kann so weit der Menschenblick nicht dringen,
Er, nur ein Strahl von jenes Geistes Schein,
Der Urstoff ist und Grund von allen Dingen,
Kann nie durch eigne Kraft so mächtig sein,
Um Seinen Ursprung deutlich zu ersehen,
Denn Nebel hüllt für ihn so Tiefes ein;
Drob zu der Urgerechtigkeit das Spähen
Des Menschenblicks sich nur so weit erstreckt,
Als in den Grund des Meers die Augen gelten.
Leicht wird der Grund am Strand vom Aug’ entdeckt,
Doch nie im Meer, wie sehr sich’s müh’ und übe;
Grund ist dort, doch zu tief und drum versteckt.
Nur aus der Heiterkeit, die nimmer trübe,
Kommt Licht–all andres ist nur Dunkelheit,
Ist Schatten oder Gift der Fleischestriebe.
Sieh das Versteck, das die Gerechtigkeit
Dir lang verhehlt, jetzt offen dem Verstande,
Und ruh’n wird nun in dir der Zweifel Streit.
Erzeugt wird jemand an des Indus Strande,
So sprachst du, doch wer spricht von Jesus Christ,
Wer liest und schreibt von ihm in jenem Lande?
Wenn er, soweit es die Vernunft ermißt,
In Tat und Willen rein und unverdorben
Und ohne Sünd’ in Wort und Leben ist
Und er ungläubig, ungetauft gestorben,
Wo ist dann wohl ein Recht, dem er verfällt?
Wo Schuld, daß er den Glauben nicht erworben?–
Und wer bist du, der sich so hoch gestellt,
Um, richtend, tausend Meilen weit zu springen,
Da eine Spanne kaum dein Blick enthält?
Gewiß, daß die mir nach im Forschen ringen,
War’ über euch nicht Gottes heil’ges Wort,
Zum Zweifel und Erstaunen Grund empfingen.
O Tier aus Erd’! Ihrr groben Geister dort!
Der erste Wille, gut von selber, gehet
Nie aus sich selbst, dem höchsten Gute, fort.
Gerecht ist, was mit ihm in Einklang stehet.
Ihn kann nicht anzieh’n ein erschaffnes Gut,
Das nur aus seiner Strahlenfüll’ entstehet."–
Wie über ihrem Nest die Störchin tut,
Wenn sie die Brut gespeist, im Kreise schwebend,
Und wie nach ihr hinschaut die satte Brut;
So tat–und so auch ich, das Aug’ erhebend–
Das heil’ge Bild, das seine Flügel Schwang,
Den Willen kund der freud’gen Scharen gebend,
Indem’s, im Kreis sich schwingend, also sang:
“So wie du nicht verstehst, was ich verkündet,
So kennt ihr nicht des ew’gen Urteils Gang."
Dann, noch im Zeichen, das den Ruhm begründet
Der Römer hat, stand still die sel’ge Schar,
Von lichter Glut des Heil’gen Geists entzündet.
“In dieses Reich”, begann aufs neu’ der Aar,
“Stieg keiner je, der nicht geglaubt an Christus,
Vor oder nach, als er gekreuzigt war.
Doch siehe, viele rufen: Christus! Christus!
Und stehn ihm ferner einst beim Weltgericht
Als jene, welche nichts gewußt von Christus.
Das Strafurteil für solche Christen Spricht
Der Heid’ einst aus, wenn sich die Scharen trennen,
Die zu der ew’gen Nacht und die zum Licht.
Wie wird ein Perser eure Fürsten nennen,
Zeigt ihm sich aufgeschlagen jenes Buch,
In dem er ihre Schmach wird lesen können?
Die Tat des Albrecht wird mit hartem Spruch
Er in dem Buch dann eingetragen sehen,
Ob der ihn trifft, des Böhmerreiches Fluch.
Auch Frankreichs Schmerz wird aufgezeichnet stehen,
In den es durch den Münzverfälscher fällt,
Der durch des Ebers Stoß wird untergehen.
Dort steht der Stolz, der Durst nach Land und Geld,
Drob Schott’ und Engelländer tun gleich Tollen,
Und keiner sich in seiner Grenze hält.
Dort wird die Üppigkeit sich zeigen sollen
Des Spaniers und des Böhmen, welcher nie
Die Trefflichkeit gekannt, noch kennen wollen.
Dort, Lahmer von Jerusalem, dort sieh
Mit einem M bezeichnet deine Sünden,
Und deine Tugenden mit einem I.
Dort wird sich auch der niedre Geiz verkünden
Des, der dort herrschet, wo Anchises ruht
Nach langer Fahrt, bei Ätnas Feuerschlünden.
Und wie gering er ist an Kraft und Mut,
Das wird die abgekürzte Schrift bezeugen,
Die vieles kund auf engem Raums tut.
Auch wird das schmutz’ge Tun des Ohms sich zeigen,
Und das des Bruders kund sein überall,
Die mit dem edlen Stamm zwei Kronen beugen.
Auch den von Norweg, den von Portugal
Und den von Rascia wird man unterscheiden,
Der Schuld ist an Venedigs Münzverfall.
Mög’ Ungarn fernerhin nicht Unbill leiden!
Navarra, es verteidige getrost
Die Bergesreih’n, die es von Frankreich scheiden!
Und Nicosia ist und Famagost,
Vorläufig und als Angeld, sehr mit Fuge,
Wie jeder zugibt, auf ihr Vieh erbost,
Das mit dem andern geht in gleichem Zuge.”

Zwanzigster Gesang

Wenn sie, die hell die ganze Welt verklärt,
Von unsrer Hemisphär’ herabgeschwommen
Und rings der Tag ersterbend sich verzeiht,
Dann zeigt der Himmel, erst von ihr entglommen,
Von ihr allein, viel Sterne rings im Rund,
Die all ihr Licht von einem Licht entnommen.
Dies war’s, was jetzt vor meiner Seele stund,
Als unsrer Welt und ihrer Herrscher Zeichen
Stillschweigen ließ den benedeiten Mund.
Denn alle Lichter, jene wonnereichen,
Erglänzten mehr im Sang, an dessen Macht
Nicht irdischer Erinnrung Schwingen reichen.
O Lieb’, umkleidet mit des Lächelns Pracht,
Wie sah ich Glanz dich in die Funken gießen,
Die heil’ger Sinn allein dort angefacht!
Dann, als die Edelsteine, die mit süßen
Lichtstrahlen hold das sechste Licht erhöh’n,
Die Engelsglocken wieder schweigen ließen,
Schien mir’s, es zeig’ in murmelndem Getön
Ein Fluß, von Fels zu Felsen niederfallend,
Wie reich sein Quell entstand auf Bergeshöh’n.
Und wie ein Ton, aus reiner Laute schallend,
An ihrem Hals sich formt und wie der Wind
Durchs Mundloch eindringt, die Schalmei durchhallend;
So hatte jener Murmelton geschwind
Sich bis zum Hals des Adlers aufgeschwungen
Und drang, wie aus der Kehle, süß und lind
Und ward zur Stimm’, und, dort hervorgedrungen,
Ward er gebildet zum erwünschten Wort,
Und wohl behält mein Herz, was mir erklungen.
“Den Teil in mir, der bei den Adlern dort
Die Sonne sieht und trägt, schau’ an!” so hoben
Die Wort’ itzt an und fuhren weiter fort:
“Denn von den Feuern, die mein Bild gewoben,
Stehn, die hier glänzen an des Auges Statt,
In allen Würden vor den andern oben.
Der, so den Platz des Augenapfels hat,
Des Heil’gen Geistes Sänger war’s und brachte
Die Bundeslade fort von Stadt zu Stadt.
Wie der, der ihn begeistert, seiner achte
Und seines Sangs, das kann er jetzo sehn,
Da er dem Wert gleich die Belohnung machte.
Von fünf, die um mein Aug’ als Braue stehn,
Sieh nächst dem Schnabel den, der eh’mals Weile
Dem Heer gebot auf einer Witwe Fleh’n.
Wie, wer nicht Christo folgt zu seinem Heile,
Dies teuer büßt, das hat er nun erkannt
In dieser Wonn’ und in dem Gegenteile.
Der Nächst’ im Kreise, der mein Aug’ umspannt,
Ist jener, der den Tod auf fünfzehn Jahre
Durch wahre Reue von sich abgewandt.
Jetzt sieht er ein, der Herr, der ewig Wahre,
Bleib’ ewig wahr, obwohl sein Urteil sich
Auf würd’ges Fleh’n von heut auf morgen spare.
Der nachfolgt, führte das Gesetz und mich,
Durch guten Sinn zu schlimmem Tun bewogen,
Nach Griechenland, weil er dem Hirten wich.
Jetzt sieht er, daß, vom Guten abgezogen,
Das Übel, das in Trümmern euch begräbt,
Ihm dennoch nichts von seiner Wonn’ entzogen.
Sieh Wilhelm, wo der Bogen abwärts strebt,
Ob dessen Tod des Landes Bürger weinen,
Das weint, weil Karl und Friederich gelebt.
Jetzt sieht er, Gott liebt zärtlich, als die Seinen,
Gerechte Fürsten, und, in Glanz erhellt,
Läßt er dies hier in frohem Blitz erscheinen.
Wer glaubt’ es in der wahnbefangnen Welt,
Daß Ripheus, den Trojaner, hier im Runde
Des fünften Lichtes heil’ger Glanz enthält?
Jetzt hat er wohl von Gottes Gnade Kunde
Und siehet mehr, als eurer Welt sich zeigt,
Dringt auch sein Blick nicht bis zum tiefsten Grunde."
Wie in die Luft die kleine Lerche steigt,
Erst singend flattert, aber dann, zufrieden,
Vom letzten süßen Ton gesättigt, schweigt;
So schien mir jenes Bild, durch das hienieden
Des Höchsten ew’ger Wille zu uns spricht,
Der jedem Ding das, was es ist, beschieden.
Und barg ich auch den Zweifel minder dicht,
Als Glas die Farbe, litt er doch mein Schweigen,
Und längres Harren auf Verkündung nicht.
Er zwang dies Wort, dem Munde zu entsteigen:
“Was sah ich dort!” durch seines Dranges Macht,
Denn Freudenfunkeln sah ich dort sich zeigen.
Im Auge hellre Gluten angefacht,
Sprach drauf der Adler, um mich aufzuregen,
Den Staunen fesselte bei solcher Pracht:
“Ich sah, du glaubest dies, doch nur deswegen,
Weil ich’s gesagt, und siehest nicht das Wie?
Wie wir Verborgenes zu glauben pflegen,
Wie man der Sache Namen lernt, doch sie
Nicht kann nach ihrem Wesen unterscheiden,
Wenn nicht ein anderer uns Licht verlieh.
Das Reich der Himmel muß Gewalt erleiden,
Wenn Kraft der Lieb’ und Hoffnung es bekriegt,
Denn Gottes Wille wird besiegt von beiden;
Nicht wie ein Mensch dem Stärkern unterliegt;
Nein, er siegt, denn er will sich ja ergeben.
Drob er, besiegt durch seine Güte, siegt.
Du staunst beim ersten und beim fünften Leben
In meiner Brau’ und nennst es wunderbar,
Daß beide hier in hellem Glanze schweben.
Als Christen, nicht als Heiden, starb dies Paar.
Der glaubt’ ans Leiden, das schon eingetroffen,
Der zweit’ an das, das noch zu dulden war.
Der ist vom Höllenschlund, der nimmer offen
Zur Rückkehr war, zum Leib zurückgekehrt,
Und dies verdankt er nur lebend’gem Hoffen;
Lebend’gem Hoffen, das von Gott begehrt,
Ihn zu befreien aus des Todes Banden,
Damit er lebe, wie das Wort gelehrt.
Und die ruhmwürd’ge Seele kehrt’ erstanden
Auf kurze Zeit zum Leib und glaubt’ an ihn,
Des Allmacht auf ihr Fleh’n ihr beigestanden.
Und fühlte, glaubend, sich so hell erglüh’n
In wahrer Liebe, daß sie dieser Wonnen
Bei ihrem zweiten Tode wert erschien.
Der zweit’, aus Gnade, die so tiefem Bronnen
Entquollen ist, daß nie die Kreatur
Die Quell’ erspähen kann, wo er begonnen,
Weiht’ all sein Lieben einst dem Rechte nur,
Drum hob ihn Gott empor zu Gnad’ und Gnaden
Und zeigt’ ihm künftiger Erlösung Spur.
Er glaubt’ an sie und schalt sodann, entladen
Des Heidentums, von seinem Stanke frei,
Die, so noch wandelten auf falschen Pfaden.
Anstatt der Taufe standen ihm die drei,
Die du am rechten Rad im Tanz gesehen,
Wohl tausend Jahre vor der Taufe bei.
O Gnadenwahl, wie tief verborgen stehen
Doch deine Wurzeln jenem Blick, der nicht
Vermag den Urgrund völlig zu erspähen!
Kurz sei dein Urteil, Mensch, wie dein Gesicht,
Da wir nicht all die Auserwählten wissen,
Wir, die wir schau’n in Gottes ew’ges Licht.
Und süß ist uns auch das, was wir vermissen,
Da daraus uns das höchste Heil entquillt,
Daß dessen, was Gott will, auch wir beflissen."
So reichte jenes gottgeliebte Bild,
Der schwachen Sehkraft Stärkung zu bereiten,
Mir Arzeneien, wundersüß und mild.
Und wie mit lieblichem Geschwirr der Saiten
Die guten Lautner guter Sänger Lied
Zu größrer Süßigkeit des Sangs begleiten;
So regt’, indes der Adler mich beschied,
Der benedeiten Lichter Paar, zusammen,
Wie man die Augen blicken sieht,
Bei seinem Wort die hellen Wonneflammen.

Einundzwanzigster Gesang

Schon heftet’ ich die Augen aufs Gesicht
Der Herrin wieder, Augen und Gemüte,
Und dachte drum an alles andre nicht.
Sie lächelte mir nicht, doch sprach voll Güte:
“Dafern ich lachte, würde dir gescheh’n
Wie Semelen, als sie in Staub verglühte.
Wenn meine Schönheit, die, wie du gesehn,
Beim Steigen in dem ewigen Palaste
Sich mehr entflammt, je mehr wir uns erhöh’n,
Sich deinem Blick nicht mäßigte, sie faßte
Dich wie ein Blitz–du wärst von ihr erdrückt,
Zerschmettert, gleich dem blitzgetroffnen Aste.
Wir sind zum Glanz, dem siebenten, entrückt,
Der vom Gebild des Himmelsleu’n umgeben,
Aus seiner Glut den Strahl herniederzückt.
Laß itzt den Geist, dem Blicke nach, sich heben;
Und deinen Blick–mach’ itzt zum Spiegel ihn
Fürs Bild, das kund wird dieser Spiegel geben."
Wer wüßte, wie ihr Blick so selig schien,
Wie er dem meinen ward zur süßen Weide,
Als sie gebot, ihn wieder abzuzielen,
Oh, der erkennt auch wohl, mit welcher Freude
Ich dem gehorcht, was sie mir auferlegt,
Denn Wonne hielt das Gleichgewicht dem Leide.
In dem Kristall, das, um die Welt bewegt,
Vom teuren Führer, unter dem entweichen
Die Bosheit mußte, noch den Namen trägt,
Erblickt’ ich einer Leiter schimmernd Zeichen,
An Farbe gleich dem Gold, durchglänzt vom Strahl,
Hoch, daß zur Höh’ nicht Menschenblicke reichen.
Und auf den Sprossen stieg in solcher Zahl
Die Schar der sel’gen Himmelslichter nieder,
Als ström’ hier alles Licht mit einemmal.
Und wie, nach ihrer Art, die Kräh’n, wenn wieder
Der Tag beginnt, sich rasch bewegend zieh’n.
Um zu erwärmen ihr erstarrt Gefieder,
Und die von dannen ohne Rückkehr flieh’n,
Die rückwärts fliegen, andre dann, im Bogen
Dieselbe Stell’ umkreisend, dort verzieh’n;
So sah ich’s jetzt in jenem Glanze wogen,
Der sich als Strom ergoß. Sobald die Flut
Bis zu gewissen Stufen hergezogen.
Und einer glänzte, der, uns nah, geruht,
Drum wollte schon dies Wort der Lipp’ entsteigen:
“Ich seh’ es wohl, du zeigst mir Liebesglut."
Doch sie, die mir zum Sprechen und zum Schweigen
Das Wie und Wann bestimmt, sie schwieg, und ich
Tat wohl, nicht fragend meinen Wunsch zu zeigen.
Doch sie erklärte wohl mein Schweigen sich,
In ihm, der alles sieht, mich klar erschauend,
Und sprach: “Still’ itzt den heißen Wunsch und sprichl"
Und ich begann: “Nicht dem Verdienste trauend,
Halt’ ich von dir mich einer Antwort wert;
Ich frag’, auf sie, die mir’s gestattet, bauend,
O sel’ges Leben, das du schön verklärt
Dich in der Freude birgst, aus welchem Grunde
Hast du zu mir dich liebevoll gekehrt?
Und sage mir, weswegen diesem Runde
Die Paradiessymphonie gebricht,
Die tiefer dort erklang im frommen Bunde?"
Und er:"Dein Ohr ist schwach, wie dein Gesicht,
Weshalb Beatrix nicht gelacht, deswegen
Ertönt der Sang in diesem Kreise nicht.
Ich kam von heil’ger Leiter dir entgegen,
Um mit der Red’ und mit dem Licht, das mir
Zum Kleide dient, dich freudig aufzuregen.
Und nicht aus größrer Liebe bin ich hier;
Nein, mehr und gleiche Liebe glüht in ihnen,
Die dorten sind, und Schimmer zeigt sie dir.
Doch höchste Liebe, die uns treibt, zu dienen
Dem ew’gen Rat, braucht, wen sie wählt, dabei,
Wie dir in dem, was du gesehn erschienen."
“Ich sehe,” sprach ich, “daß die Liebe, frei,
An diesem Hof den Schlüssen nachzugehen
Der ew’gen Vorsehung, genügend sei.
Doch bleibt mir eins noch schwierig zu verstehen:
Warum bist du von allen jenen dort
Schon im voraus zu diesem Amt ersehen?"
Noch war ich nicht gelangt zum letzten Wort,
Da drehte sich, sich um sich selber schwingend,
Das Licht im Kreis gleich einer Mühle fort.
“Da jenes Licht, dem Urquell selbst entspringend,"
Antwortete die Liebe drin, “mir scheint,
Das, welches mich in sich verschließt, durchdringend,
Hebt seine Kraft, mit meinem Schau’n vereint,
Mich über mich, so daß in seinem Schimmer
Das Ursein, das ihn ausströmt, mir erscheint.
Und daher kommt mein freudiges Geflimmer,
Denn wie des Blickes Klarheit sich vermehrt,
Vermehrt sich auch der Flammen Klarheit immer.
Doch der, der sich im reinsten Licht verklärt,
Der Seraph selbst, der Gott am hellsten siebet,
Genügt dir nicht in dem, was du begehrt.
Denn in dem Abgrund ew’gen Rats umziehet
Das, was du fragtest, Nacht, die, nie erhellt,
Es jeglichem geschaffnen Blick entziehet.
Verkünde dies, zurückgekehrt, der Welt
Und warne sie vor jenem stolzen Streben,
Das so Erhabnes sich zum Ziele stellt.
Der Geist, von Licht hier, dort von Rauch umgeben,
Sucht, wie er kann, zum höchsten Ziel hinauf,
Das er nicht sehn kann, dort den Blick zu heben."
Dies trug das Wort des Seligen mir auf,
Drum ließ ich demutsvoll von diesen Fragen
Und fragte nur nach seinem Lebenslauf.
“Zwischen Italiens beiden Küsten ragen
Gebirge, Tuscien nah, so hoch empor,
Daß unter ihren Höh’n die Wolken jagen.
In ihnen springt ein Bergeshöcker vor,
Catria genannt, und drunter liegt die Öde,
Die Gott zu seinem echten Dienst erkor."
Also begann er seine dritte Rede
Und fuhr dann fort: “Dort stärkt’ ich meine Kraft
Im Dienste so, daß ich der Speisen jede
Mit nichts mir würzt’ als mit Olivensaft;
Dort hat Beschauung mir in vielen Jahren
Bei Hitz’ und Frost Zufriedenheit verschafft.
Fruchtbare Felder für den Himmel waren
Im Klosterbann–jetzt wuchert Unkraut dort,
Und wohl geziemt sich’s, dies zu offenbaren.
Pier Damian war ich an jenem Ort.
(Petrus Peccator lebt’ in Unsrer Lieben
Frau’n heil’gem Kloster an Ravennas Bord.)
Nur wenig Leben war mir noch geblieben,
Da rief, ja zog man mich zu jenem Hut,
Der jetzt zu Schlimmen reizt und schlimmem Trieben.
Petrus war mager einst und unbeschuht,
Paulus ging so einher in jenen Tagen
Und fand die Kost in jeder Hütte gut.
Die neuen Hirten, feist, voll Wohlbehagen,
Sieht man gestützt, geführt und schwerbewegt,
Und hinten läßt man gar die Schleppe tragen.
Wenn übers Prachtroß sich ihr Mantel schlägt,
Sind zwei Stück Vieh in einer Haut beisammen.
O göttliche Geduld, die viel erträgt!"–
Hier stiegen von der Leiter viele Flammen
Und kreisten dort, so daß sie mehr und mehr
Bei jedem Kreis in schönem Lichte schwammen.
Sie stellten sich um jenen Schimmer her,
Mit einem Rufe von so lautem Schalle,
Daß nichts auf Erden tönt so laut und schwer.
Doch nichts verstand ich in dem Donnerhalle.

Zweiundzwanzigster Gesang

Ich kehrte mich, vom Staunen überwunden,
Zu meiner Führerin, gleich einem Kind,
Das Hilfe sucht, wo’s immer sie gefunden.
Sie sprach, der Mutter gleich, die sich geschwind
Zum Knaben kehrt, der atemlos, beklommen
In ihrer Stimme frischen Mut gewinnt:
“Bedenk’s, dich hat der Himmel aufgenommen,
Wo alles heilig ist, wo heißem Drang
Gerechten Eifers, was geschieht. entglommen.
Wie dich mein Lächeln, wie dich der Gesang
Verwandelt hätten, wirst du jetzt verstehen,
Da jener Ruf dich so mit Graus durchdrang.
Verstündest du das drin enthaltne Flehen,
So wäre dir die Rache schon erklärt,
Die du noch wirst vor deinem Tode sehen.
Von droben fällt zu frühe nicht das Schwert,
Und nicht zu spät, wie’s dem scheint, der mit Grauen
Es harrend fürchtet oder es begehrt.
Jetzt blicke nur auf andres mit Vertrauen,
Sieh dortenhin; du wirst in großer Zahl
Dort hochberühmte sel’ge Geister chauen."
Ich sah, den Blick gewandt, wie sie befahl,
Wohl hundert Kreise, welche Funken Sprühten,
Verschönert von dem gegenseit’gen Strahl.
Wie auch in mir der Sehnsucht Stacheln glühten,
Doch wagt’ ich keine Frag’ und hieß sie ruh’n,
Um vor zu großer Kühnheit mich zu hüten.
Die größte, hellste Perle nahte nun,
Um jenem Wunsch, den sie in mir ergründet,
Mit süßem Liebeswort genugzutun.
“Wenn du die Liebe säh’st, die uns entzündet,"
So sprach die Stimme jetzt aus jenem Licht,
“Du hättest, was du denkst, mir frei verkündet.
Doch horch, auf daß du, harrend, später nicht
Zum hohen Ziel gelangest, und ich deute
Dir, was zu fragen dir der Mut gebricht.
Des Berges Höh’, an dessen Abhang heute
Cassino liegt, war einst Versammlungsort
Für viel Betrüger und betrogne Leute.
Der erste, nannt’ ich dessen Namen dort,
Der jene Wahrheit, die uns hoch erhoben,
Der Erde bracht’ in seinem heil’gen Wort.
Und solche Gnade glänzt’ auf mich von oben,
Daß ich das Land umher vom Dienst befreit,
Der mit verruchtem Trug die Welt umwoben.
Wer hier glänzt, lebt’ einst in Beschaulichkeit,
Und keiner ließ in sich die Flamm’ erkalten,
Die Blüten treibt und heil’ge Frucht verleiht.
Sieh des Maccar, des Romuald Lichtgestalten,
Sieh meine Brüder, die im Klosterbann
Den Fuß gehemmt und fest das Herz gehalten."
“Dein liebevolles Wort”, so hob ich an,
“Und diese Freundlichkeit, die es begleitet,
Die ich an jedem Glanz bemerken kann,
Sie haben also mein Vertrau’n erweitet,
Wie Sonnenschein die Rose, welche sich,
Soweit sie kann, erschließet und verbreitet.
Und, so vertrauend, Vater, bitt’ ich dich,
Dich meinen Blicken unverhüllt zu zeigen,
Ist solche Gnade nicht zu groß für mich."
“Wenn so hoch”, sprach er, “deine Wünsche steigen,
Beut dir der letzte Kreis Erfüllung dar.
Durch sie wird jeder Wunsch, auch meiner, schweigen.
Dort wird vollkommen, reif und ganz und wahr,
Was nur das Herz ersehnt–und dort nur findet
Sich jeder Teil da, wo er ewig war,
Weil jener Kreis sich nicht im Raum befindet;
Doch unsrer Leiter Höh’ erreichet ihn,
Daher sie also deinem Blicke schwindet.
Als sie dem Jakob einst im Traum erschien,
Sah er die Spitze bis zum Himmel streben
Und drauf die Engel auf und nieder zieh’n.
Jetzt mag man nicht den Fuß vom Boden heben,
Um sie zu steigen, und bei Schreiberei’n
Bleibt an der Erde träg mein Orden kleben.
Denn Räuberhöhlen sind, was einst Abtei’n,
Und ihrer Mönche weiße Kutten pflegen
Nur Säcke, voll von dumpf’gem Mehl, zu sein.
Kein Wucher ist so sehr dem Herrn entgegen
Als jene Frucht, auf die die Mönch’ erpicht,
Drob sie im Herzen solche Torheit hegen.
Das, was die Kirche wahrt, gehört nach Pflicht
Den Armen nur zur Lind’rung der Beschwerden,
Nicht Vettern, noch auch schlechterem Gezücht.
Schwach ist des Menschen Fleisch, so, daß auf Erden
Ein guter Urspung nicht genügen kann,
Bis Eichensprossen Eichenbäume werden.
Petrus fing ohne Gold und Silber an,
Und ich begann mit Fasten und mit Flehen,
Franz seinen Orden als ein niedrer Mann.
Willst du nach eines jeden Ursprung spähen,
Dann sehn, wie ihn verführt der Übermut,
So wirst du Schwarzes statt des Weißen sehen.
Traun! daß sich aufgetürmt des Jordans Flut
Auf Gottes Wink, ist wunderbar zu finden,
Mehr als die Hilfe, die euch nötig tut."
Sprach’s, um mit seiner Schar sich zu verbinden;
Zusammen drängte sich die Schar und fuhr
Vereint empor, gleich schnellen Wirbelwinden.
Und ihnen nach, mit einem Winke nur,
Trieb mich die Herrin aufwärts jene Stiegen;
So zwang jetzt ihre Kraft mir die Natur.
Hienieden, wo bald sinkt, was erst gestiegen,
Gibt die Natur nie solche Schnelligkeit,
Daß sie vergleichbar ist mit meinem Fliegen.
So wahr ich, Leser, zu der Herrlichkeit
Einst kehren will, für die ich oft in Zähren
Den Busen Schlag’ in Reu’ und tiefem Leid;
Du kannst ins Feu’r den Finger tun und kehren
So schnell nicht, als ich war im Sterngebild,
Das nach dem Stier durchrollt die Himmelssphären.
O edle Sterne, kraftgeschwängert Bild,
Dem das, was ich an Geist und Witz empfangen,
Sei’s wenig oder sei es viel, entquillt,
In euch ist auf-, in euch ist untergangen
Die Mutter dessen, was auf Erden lebt,
Als mich zuerst Toskanas Luft umfangen.
Als ich zum hohen Kreis, in dem ihr schwebt,
Geführt von reicher Gnad’, emporgeflogen,
Da ward zuteil mir, daß ich euch erstrebt.
Fromm seufz’ ich jetzt zu euch, seid mir gewogen!
Wollt Kraft zum schweren Pfade mir verleih’n,
Der meine Seele ganz an sich gezogen,
“Zum letzten Heile führ’ ich bald dich ein,"
Sie sprach’s, die mich zu diesen Höhen brachte,
“Und scharf und klar muß itzt dein Auge sein.
Darum, bevor du tiefer dringst, betrachte
Was unten liegt, und sieh, wie viele Welt
Ich unter deinem Fuß schon liegen machte.
Damit dein Herz, soviel es kann, erhellt,
Bereit sei, vor den Siegern zu erscheinen,
Die fröhlich sich in diesem Kreis gesellt."
Durch alle sieben Sphären warf ich meinen
Blick nun zurück und sah dies Erdenrund,
So daß ich lächelt’ ob des niedern, kleinen.
Und jener Rat beruht’ auf gutem Grund,
Denn die dies Rund verschmäh’n in höherm Streben,
Nur ihnen wird die echte Weisheit kund.
Ich sah in Glut Latonas Tochter schweben,
Von jenem Schatten frei, der mir zum Wahn
Vom Dünnen und vom Dichten Grund gegeben.
Dich, strahlenreicher Sohn Hvperions, sahn
Jetzt meine Blicke fest und ungeblendet,
Und um dich Majas und Diones Bahn.
Dich sah ich, Zeus, der mäß’gen Schimmer spendet,
Zwischen Saturn und Mars, auch ward mir klar,
Wie seinen Wechsellauf ein jeder wendet.
Wie groß die sieben sind, ward offenbar,
Wie schnell sie sind, den Weltenraum durchreisend,
Auch stellte mir sich ihre Ferne dar.
Und mit dem ew’gen Zwillingspaare kreisend,
Sah ich die Scheibe, die so stolz uns macht,
Mir Land und Meer und Berg’ und Täler weisend.
Dann kehrt’ ich mich zu ihrer Augen Pracht.

Dreiundzwanzigster Gesang

Gleichwie der Vogel, der, vom Laub geborgen,
Im Nest bei seinen Jungen süß geruht,
Indes die Nacht die Dinge rings verborgen,
Um zu erschauen die geliebte Brut
Und ihr zu bringen die willkommne Speise,
Um die bemüht, er selbst sich gütlich tut,
Noch vor der Zeit, sobald am Himmelskreise
Aurora nur erschien, in Lieb’ entbrannt,
Der Sonn’ entgegenschaut vom offnen Reife;
So, aufmerksam, das Haupt erhebend, stand
Die Herrin, nach dem Teil der Himmelsauen,
Wo minder eilig Sol sich zeigt, gewandt.
Ich konnte harrend sie und sehnend schauen,
Und war gleich dem, der anderes begehrt,
Doch freudig ist in Hoffnung und Vertrauen.
Und bald ward Schau’n für Hoffen mir gewährt,
Denn fort und fort sah ich den Glanz sich mehren
Und sah den Himmel mehr und mehr verklärt.
Beatrix sprach: “Sieh in den sel’gen Heeren
Christi Triumph und sieh geerntet hier
Die ganze Frucht des Rollens dieser Sphären!"
Als reine Glut erschien ihr Antlitz mir,
Als reine Wonn’ ihr Blick–und nimmer brächten
Die Wort’ hervor ein würdig Bild von ihr.
Wie in des Vollmonds ungetrübten Nächten
Luna inmitten ew’ger Nymphen lacht,
Die das Gewölb’ des Himmels rings durchflechten;
So über tausend Leuchten stand in Pracht
Die Sonne, so die Gluten all erzeugte,
Wie unsre mit den Himmelsaugen macht.
Und, glänzend durch lebend’gen Schimmer, zeigte
Der Lichtstoff sich, in solcher Herrlichkeit
Mir im Gesicht, daß es, besiegt, sich neigte.
O Herrin! teures, himmlisches Geleit!–
Sie sprach zu mir: “Was hier dich überwunden,
Ist Kraft, vor der nichts Hilf und Schutz verleiht.
Hier ist’s, wo Weisheit sich und Macht verbunden;
Sie machten zwischen Erd’ und Himmel Bahn,
Nach welcher Sehnsucht längst die Welt empfunden."
Wie wenn der Wolken Schoß sich aufgetan,
Die Feuer sich, sie sprengend, niedersenken
Und gegen ihren Trieb der Erde nah’n;
So rang mein Geist, von diesen Himmelstränken
Gestärkt, vergrößert, aus sich selber sich,
Doch, wie ihm ward, wie könnt’ er des gedenken?
“Sieh auf, und wie ich bin, erschaue mich!
Durch das Erschaute hast du Kraft empfangen,
Und nicht vernichtet mehr mein Lächeln dich."
Ich war, wie einer, dem sein Traum entgangen,"
Und der, vom dunklen Umriß nur betört,
Umsonst sich müht, die Bilder zu erlangen,
Als ich dies Wort, so wert des Danks, gehört,
Daß in dem Buch, das den vergangnen Dingen
Gewidmet ist, es keine Zeit zerstört.
Und möchten mit mir alle Zungen singen,
Die von der hohen Pierinnen Schar
Die reinste Milch zum Labetrunk empfingen,
Doch stellt’ ich’s nicht zum Tausendteile dar,
Wie hold ihr heil’ges Lächeln, wie entzündet
In lauterm Glanz ishr heil’ges Wesen war.
Und so, da’s Paradieses Lust verkündet,
Muß jetzo springen mein geweiht Gedicht,
Gleich dem, der seinen Weg durchschnitten findet.
Doch wer bedenkt des Gegenstands Gewicht,
Und daß es schwache Menschenschultern tragen,
Der schilt mich, wenn ich drunter zittre, nicht.
Durch Wogen, die mein kühnes Fahrzeug schlagen,
Darf sich kein Schiffer, scheu vor Not und Müh’n,
Darf sich kein kleiner schwanker Nachen wagen.
“Was macht mein Blick dich so in Lieb entglüh’n,
Um nicht zum schönen Garten hinzusehen,
Wo unter Christi Strahlen Blumen blüh’n.
Die Rose siehe dort, in der’s geschehen,
Daß Fleisch das Wort ward–sieh die Lilien dort,
Bei deren Duft wir gute Wege gehen."
Beatrix sprach’s,–ich aber, ihrem Wort
Gehorsam stets, erneute, mit den matten
Besiegten Augen doch den Kampf sofort.
Wie ich besonnt oft sah beblümte Matten,
Besonnt vom Strahl aus einer Wolke Spalt,
Indes bedeckt mein Auge war von Schatten;
So sah ich Scharen dort, von Glanz umwallt,
Der, Blitzen gleich, auf sie von oben sprühte,
Doch sah ich nicht den Quell, dem er entwallt.
Du, die du ihn verströmst, o Kraft voll Güte,
Du bargst dich in den Höh’n, so daß mein Sinn
Ertragen konnte, was dort strahlend blühte.
Der Name klang der Blumenkönigin,
Zu der ich ruf in allen Erdenleiden,
Und zog mich ganz zum größten Feuer hin.
Kaum malte sich in meinen Augen beiden
Die Größ’ und Glut des Sterns, den Strahl und Glanz
Siegreich, wie hier einst, so itzt dort umkleiden,
Da kam, gleich einer Kron’, ein Feuerkranz
Vom Himmel her, die Blume zu bekrönen,
Umwand sie auch mit Strahlenkreisen ganz.
Was auch hienieden klingt von süßen Tönen,
Von Harmonie, die hold das Herz erweicht,
Scheint wie zerrißner Wolke Donnerdröhnen,
Wenn man’s mit jener Leier Ton vergleicht,
Der Leier, den Saphir als Krön’ umgebend,
Der zu des klarsten Himmels Schmuck gereicht.
“Ich bin die Engelslieb’, im Kreise schwebend,
Und von der Lust, die uns der Leib gebracht,
Der unser Sehnen aufnahm, Kunde gebend.
Und kreisen werd’ ich, wenn in höh’rer Pracht,
Weil, Herrin, du dem Sohn dich nachgeschwungen,
Bei deinem Nah’n die höchste Sphäre lacht."
Hier war des Kreises Melodie verklungen.
Maria! tönt’ es aus dem andern Licht
Mit einem Klang, doch wie von tausend Zungen.
Der Königsmantel, der die Stern’ umflicht,
Entglüht in lebensvollerm Strahlenbrande
In Gottes Hauch und Strahlenangesicht,
War über uns mit seinem innern Rande
So weit entfernt, daß er noch nicht erschien,
Noch nicht erkennbar war von meinem Stande.
Drum war dem Auge nicht die Kraft verlieh’n,
Um, als sie sich erhob zu ihrem Sprossen,
Der Flamme, der bekrönten, nachzuzieh’n.
Und wie das Kindlein, wenn’s die Milch genossen,
Zur Brust, aus der es trank, die Arme reckt,
Von Liebesglut auch außen übergossen;
So sah ich hier, die Flamm’ emporgestreckt,
Jedweden Glanz; so ward sein innig Lieben
Zur hohen Jungfrau-Mutter mir entdeckt.
Worauf sie noch mir im Gesichte blieben,
Als ihr Regina coeli!–mir erscholl
Im Sang, des Lust mir keine Zeit vertrieben.
O wie sind dorten doch die Scheuern voll
Von reicher Frucht, die jeder, der hienieden
Gut ausgesät, in Lust genießen soll.
Dort lebt bei solchem Schatz in sel’gem Frieden,
Der weinend ihn erlangt in Babylon
Und sich im Bann vom Erdengut geschieden;
Dort triumphieret unterm hohen Sohn
Der Jungfrau und des Herrn, und mit dem Alten
Und Neuen Bund, so nah dem ew’gen Thron,
Er, der die Schlüssel solchen Reichs erhalten.

Vierundzwanzigster Gesang

“O auserwählte Tischgenossenschaft
Beim großen Mahl des Lamms, daß solcherweise
Euch speiset, daß euch’s voll G’nüge schafft,
Wenn er, durch Gottes Huld’ sich an der Speise,
Die eurem Tisch entfällt, vorkostend stillt,
Eh’ ihn der Tod beschwingt zur letzten Reise
So denkt, wie seine Brust vor Sehnen schwillt;
Netzt ihn mit eurem Tau–auch letzt die Quelle,
Der alles, was er sinnt und denkt, entquillt."
Beatrix sprach’s–wie um des Poles Stelle
Sich Sphären dreh’n, so jene Sel’gen nun,
Flammend, Kometen gleich, in Glut und Helle.
Wie, wohlgefügt, der Uhren Räder tun–
In voller Eil’ zu fliegen scheint das letzte,
Das erste scheint, wenn man’s beschaut, zu ruh’n
Also verschieden in Bewegung setzte
Sich jeder Kreis, drob, wie er sich erwies,
Schnell oder trag, ich seinen Reichtum schätzte.
Und aus dem Kreis, den ich den schönsten pries,
Sah ich ein so beseligt Feuer schweben,
Daß es nichts Klareres drin hinterließ.
Um Beatricen Schwang dies heil’ge Leben
Sich erst dreimal, und Sang entquoll dem Licht,
Den keine Phantasie kann wiedergeben.
Drum springt die Feder hier und schreibt es nicht,
Weil, wo der Phantasie die Kraft benommen,
Sie noch weit mehr dem armen Wort gebricht.
“O heil’ge Schwester, die du in so frommen
Gebeten flehst, durch deine Liebesglut
Bin ich aus schönerm Kreis herabgekommen!"
Nachdem das heil’ge Feu’r im Tanz geruht,
Wandt’ es den Hauch zur Herrin mit den Worten,
Die mein Gedicht euch kund hier oben tut.
“O ew’ges Licht des großen Manns, dem dorten"
–Sie sprach’s–"der Herr die Schlüssel ließ, die er
Getragen, zu des Wunderreiches Pforten,
Prüf ihn mit ein’gen Fragen, leicht und schwer,
Wie dir’s gefällt, ob jener Glaub’ ihm eigen,
Durch welchen du gegangen auf dem Meer.
Ob er gut liebt, gut hofft und glaubt–verschweigen
Kann er dir’s nicht, denn dort ist dein Gesicht,
Wo abgemalt sich alle Dinge zeigen.
Doch weil man hier durch wahren Glaubens Licht
Zum Bürger wird, so wird es Früchte tragen,
Wenn er mit dir zu seinem Preise spricht."
Gleichwie der Bakkalaur, des Meisters Fragen
Erwartend, stillschweigt, denn er rüstet sich,
Entscheidung nicht, doch den Beweis zu wagen;
So rüstet’ ich mit jedem Grunde mich,
Indes sie sprach, um schnell und wohlerfahren
Zu reden, wenn der Meister spräche: Sprich!
“Sprich, guter Christ, um dich zu offenbaren:
Was ist der Glaub’?"–Ich hob die Stirne schnell
Zum Lichte, dem entweht die Worte waren.
Zur Herrin blickt’ ich dann, die, froh und hell,
Mir Mut verlieh, die Flut hervorzulassen,
Wie sie entströmte meinem innern Quell.
“Hat Gnade”, fing ich an, “mich zugelassen
Zur Beichte bei der Streiter hohem Hort,
So lasse sie mich klar die Antwort fassen.
Die Wahrheit, Vater,” also fuhr ich fort,
“Hab’ ich in deines Bruders Buch getroffen,
Der Rom bekehrt hat durch sein heilig Wort.
Glaub’ ist der Stoff des, was wir fröhlich hoffen,
Ist der Beweis von dem, was wir nicht sehn.
Und hierin zeigt sich mir sein Wesen offen."
“Wohl richtig denkst du,” hört’ ich’s jetzo weh’n,
“Wenn du den Grund erkennst. Darum verkünde:
Was mocht’ er bei Beweis und Stoff verstehn?"
Drauf ich: “Die Dinge, die ich hier ergründe,
Die ihres Anblicks Wonne mir verleih’n,
Sind so versteckt dem Blick im Land der Sünde,
Daß dorten nur im Glauben ist ihr Sein,
Auf welchen wir die hohe Hoffnung bauen,
Und deshalb ist er auch ihr Stoff allein.
Auch muß dann, ohn’ auf anderes zu schauen,
Vom Glauben aus nur folgern der Verstand;
Drum muß man ihm auch als Beweise trauen."
Ich hörte drauf: “Würd’ alles so erkannt,
Was dort auf Erden die Gelehrten lehren,
So wäre der Sophisten Witz verbannt."
Den Hauch ließ jene Liebesglut mich hören
Und fuhr dann fort: “Fürwahr, ich sehe dich
Die Münz’ als echt in Schrot und Korn bewähren.
Allein hast du sie auch im Beutel? Sprich!"
Und ich drauf: “Ja, so hell und so gerundet,
Daß beim Gepräg’ nie Zweifel mich beschlich."
Da sprach es aus dem Licht, dort hellentzündet:
“Wie ward dies teure Kleinod dein, dies Gut,
Auf welches sich jedwede Tugend gründet?"
Und ich: “Des Heil’gen Geistes Regenflut,
Die sich so reich aufs Pergament ergossen,
Das kund den Alten Bund und Neuen tut,
Sie ist der Grund, aus dem ich es geschlossen
So scharf, daß anderer Beweis und Grund
Mir stumpf erscheint wie Tand und leere Possen.” .
Ich hörte drauf: “Der Alt’ und Neue Bund,
Durch den dein Geist, so folgernd, dieses dachte.
Wie wurden sie als Gottes Wort dir kund?"
Und ich: “Das, was mir klar die Wahrheit machte,
Die Werke sind’s, von der Art, daß Natur
Sie nie hervor in ihrer Werkstatt brachte."
Drauf klang’s: “Wo aber ist die klare Spur,
Daß sie gescheh’n? Dies wäre zu bewähren,
Da’s niemand dir bezeugt mit sicherm schämt."–
“Daß ohne Wunder sich zu Christi Lehren
Die Welt bekehrt–dies Wunder schon bezeugt
Die Wahrheit sichrer, als wenn’s hundert waren.
Denn du betratest arm und tiefgebeugt
Das Feld, den guten Samen dreinzubringen,
Der einst die Reb’ und jetzt den Dorn erzeugt."
Ich sprach’s und hörte durch die Sphären klingen
Der Sel’gen Lied: Herr Gott, dich loben wir!
In Melodien, wie sie nur jene singen.
Und jener Herr, der Zweig um Zweig mit mir
Emporklomm und mich prüfend also führte,
Daß ich erreicht des Gipfels Höhe schier,
Sprach weiter: “Wie dein Herz die Gnade rührte,
Erschloß sie dir den Mund auch wundersam,
Drum öffnet’ er sich jetzt, wie sich’s gebührte;
Drum billigt’ ich, was ich aus ihm vernahm.
Doch was du glaubst, das sollst du jetzt bekunden,
Und auch woher dir dieser Glaube kam."–
“O Heil’ger,” sprach ich, “der du hier gefunden,
Was du so fest geglaubt, daß du den Fuß
Des Jüngern einst am Grabmal überwunden,
In meinem Wort soll, dies ist dein Beschluß,
Auch meines Glaubens Form dir klar erscheinen,
So auch, warum ich also glauben muß.
So hör’: Ich glaub an Gott, den Ew’gen, Einen,
Der, unbewegt, des Himmels All bewegt,
Durch Lieb’ und Trieb zu ihm, dem Ewigreinen.
Und nicht Vernunft nur und Natur erregt
Den Glauben mir und gibt mir die Beweise;
Die Offenbarung auch, so dargelegt
Moses, Propheten, Davids Sangesweise,
Das Evangelium, und was ihr, vom Schein
Des Geists erleuchtet, schriebt zu Gottes Preise.
Ich glaub’ an drei Personen, eins in drei’n,
Dreifach in einem Wesen, einem Leben,
Und Ist und Sind gestattet ihr Verein.
Von dieser Gotteseigenschaft, die eben
Mein Wort berührt, hat meinem innern Sinn
Das Evangelium das Gepräg’ gegeben,
Dies ist der Funke, dies der Glut Beginn,
Die dann lebendig in mir aufgestiegen,
Der Stern, von welchem ich erleuchtet bin."
So wie der Herr, erst horchend mit Vergnügen,
pur gute Nachricht in der Freude Drang,
Zuletzt den Knecht umarmt, wenn er geschwiegen;
Also das Licht, das dreimal mich umschlang,
Als ich geendet, was es mir befohlen,
Mich segnend mit dem himmlischen Gesang–
So hatte, was ich sprach, mich ihm empfohlen.

Fünfundzwanzigster Gesang

Zwäng’ einst dies heil’ge Lied, zu dem die Erde,
Zu dem der Himmel mir den Stoff gereicht,
Durch das auf lang’ ich blaß und mager werde,
Die Grausamkeit, die mich von dort verscheucht,
Wo ich, ein Lamm, geruht in schöner Hürde,
Jedwedem Wolfe feind, der sie umschleicht,
Mit anderm Ton und Haar, als Dichter, würde
Ich kehren und am Taufquell dort empfah’n
Im Lorbeerkranz des Dichters höchste Würde.
Denn dort betrat ich jenes Glaubens Bahn,
Durch welchen Gott bekannt die Seelen werden,
Für den mit Petri Licht die Stirn umfah’n.
Da naht’ ein Licht aus der der sel’gen Herden,
Aus der der Erste derer vorgewallt,
Die Christ als Stellvertreter ließ auf Erden.
Beatrix sprach, umstrahlt die Lichtgestalt
Von neuer Lust: “Sieh ihn, sich zu uns neigend,
Den Herrn, für den man nach Galizien wallt."
Wie wenn die Taub’, aus hohen Lüften steigend,
Zur Taube fliegt, wie sich das Paar umkreist,
Und fröhlich girrt, die heiße Liebe zeigend;
So war’s, wie jetzo der und jener Geist
Der hohen Fürsten freudig sich empfingen,
Lobend die Kost, die man dort oben speist.
Dann standen nach dem Freudentanz und Singen
Die beiden Lichter schweigend vor mir dort,
So feurig, daß die Augen mir vergingen.
Und selig lächelnd fuhr Beatrix fort:
“Der du geschrieben hast, erlauchtes Leben,
Was gut sei, komm’ allein von diesem Ort,
O laß dein Wort die Hoffnung hier erheben;
Du stellst ja, wie du weißt, so oft sie vor,
Als Jesus sich den dreien kundgegeben."–
“Du, fasse Mut–das Antlitz heb empört
An unserm Strahl muß reisen der Beglückte,
Der von der Erde kommt zum sel’gen Chor."
Als so das zweite Feuer mich erquickte,
Hob ich die Augen zu den Bergen auf,
Vor deren Last ich erst das Antlitz bückte.
“Läßt unsers Kaisers Gnade deinen Lauf,
Bevor du stirbst, zu seinem Hofe gehen,
Führt er zu seinen Grafen dich herauf,
Um, wenn du das Geheimste hier gesehen,
Die Hoffnung, die euch dort im Herzen blüht
In dir und andern heller anzuwehen,
So sage, was sie ist? Ob im Gemüt
Sie dir entkeimt? Woher du sie entnommen?"
Das zweite Feuer sprach’s, in Licht entglüht.
Und sie, durch die in mir die Kraft entglommen
Zum hohen Flug, war mit der Antwort schon
In diesen Worten mir zuvorgekommen:
“Die Kirche, die da kämpft, hat keinen Sohn
Von stärkrer Hoffnung–also zeigt’s geschrieben
Die Sonn’ auf unsres Freudenreiches Thron.
Drum aus Ägypten, nach des Herrn Belieben,
Kommt er nach Zion, wo das Licht ihm tagt,
Eh’ ihn des Kampfes Ende vorgeschrieben.
Zwei andre Punkt’, um die du ihn befragt,
Nicht um zu wissen, nein, damit er sage,
Wie diese Tugend hier noch dir behagt,
Lass’ ich ihm selbst; denn nicht, wie jene Frage,
Sind sie ihm schwer, nicht Reiz zur Prahlerei;
Und helf ihm Gott, daß er sie würdig trage."
Dem Schüler gleich, der seinem Meister frei
Entgegenkommt und freudig und besonnen,
Daß, was er weiß, kund in der Antwort sei,
Sprach ich: “Die Hoffnung ist der künft’gen Wonnen
Erwartung und gewisse Zuversicht,
Durch Gnad’ und früheres Verdienst gewonnen.
Von vielen Sternen kam mir dieses Licht;
Der höchste Sänger macht’ es mir entbrennen,
Der im Gesang vom höchsten Horte spricht.
Oh’ alle die, so deinen Namen nennen,
Hoffen auf dich–so sang der Gottesmann–
Und wer, der glaubt, wie ich, sollt’ ihn nicht kennen.
Du träufeltest mir feine Tropfen dann
Ins Herz durch deinen Brief, mit solchem Segen,
Daß ich die Flut auf andre gießen kann."
Indem ich sprach, sah ich’s im Licht sich regen,
Und, wie ein Blitz, schnell und von Glanz umsprüht,
Mit zitterndem Gefunkel sich bewegen.
“Die Liebe,” weht’ es, “die mich noch durchglüht
Für jene Tugend, welche mir durchs Grauen
Des Kampfs gefolgt, bis mir die Palm’ erblüht,
Heißt mich durch sie dich letzen und erbauen,
Und gern vernehm’ ich dieses noch von dir:
Auf was heißt deine Hoffnung dich vertrauen?"–
“Die alt’ und neuen Schriften zeigen mir”,
Sprach ich, “das Ziel, das denen Gott bescheidet,
Die er geliebt, und dieses seh’ ich hier.
Jesajas zeigt vom Doppelkleid bekleidet,
Sie all in ihrem Land–und dieses Land,
Das süße Leben ist’s, das hier euch weidet.
In denen, so, die Palmen in der Hand,
In weißen Kleidern vor dem Lamme stehen,
Macht’s klarer noch dein Bruder mir bekannt."–
Als ich geendet, tönt’ es aus den Höhen:
Ihr Hoffen sei auf dich!–und aus dem Tanz
Der Sel’gen hört’ ich die Erwid’rung wehen.
Dann zwischen beiden drin entglüht’ ein Glanz,
So hell, daß, wär’ dem Krebs ein solcher eigen,
Es würd’ ein Wintermond zum Tage ganz.
Wie froh aufsteht und geht und in den Reigen
Die Jungfrau tritt, aus eitelm Triebe nicht,
Nur dem Verlobten Ehre zu erzeigen;
So schwebte zu den zwei’n das neue Licht,
Die ich so eilig in lebend’gem Kreise
Sich schwingen sah, wie’s heißer Lieb’ entspricht.
Einstimmt’ es zu dem Lied und zu der Weise;
Und, gleich der Braut, sah sie die Herrin an,
Stillschweigend, unbewegt bei solchem Preise.
“Er ruht’ am Busen unsers Pelikan;
Ihn hat der Herr zur großen Pflicht erlesen,
Als er den Martertod am Kreuz empfah’n."
Sie sprach’s; ihr Blick war, wie er erst gewesen;
Nicht mehr Aufmerksamkeit war jetzt darin
Als erst, bevor sie dies gesagt, zu lesen.
Wie der, der nach dem Sonnenrande hin,
Der sich verfinstern soll, die Blicke sendet
Und, um zu sehn, verliert des Auges Sinn;
So stand ich, zu dem letzten Glanz gewendet.
Da klang es: “Was nicht ist an diesem Ort,
Was suchst du’s hier und stehst drum hier geblendet?
Mein Leib ist jetzt noch Erd’ auf Erden dort,
Und bleibt’s mit andern, bis die sel’gen Scharen
Die Zahl erreicht, gesetzt vom ew’gen Wort.
Zum Himmel sind zwei Lichter nur gefahren,
Bekleidet mit dem doppelten Gewand:
Und dieses laß einst deine Welt erfahren."
Als dieses Wort gesprochen war, da stand
Der Kreis der Flammen still, samt dem Gesange,
Zu welchem sich dreifaches Weh’n verband,
Gleichwie nach Müh’n und schwerem Wogendrange,
Die Ruder, so die Flut durchwühlt, zugleich
Allsämtlich ruh’n bei einer Pfeife Klange,
Ach, wie ward ich vor Angst und Sorge bleich,
Als ich mich nun zu Beatricen kehrte,
Und, zwar ihr nah und im beglückten Reich,
Doch sie nicht sah, die ich zu sehn begehrte.

Sechsundzwanzigster Gesang

Ob des erloschnen Augenlichts voll Gram,
Hört’ ich ein Weh’n aus jener Flamme kommen,
Die mir’s verlöscht’, und horcht’ ihm aufmerksam.
Es sagte: “Bis das Licht, das dir verglommen
In meinem Schimmer ist, dir wiederkehrt,
Wird sprechen zum Ersatz des Schauens frommen.
Drum sprich: Was ist es, das dein Herz begehrt?
Und möge deinen Mut der Trost erheben:
Dein Aug’ ist nur verwirrt und nicht zerstört.
Denn sie, die dich geführt ins höh’re Leben,
Hat jene Kraft im Blicke, die der Hand
Des Ananias unser Herr gegeben."–
“Sie helfe dann, wann sie’s für gut erkannt,"
Sprach ich, “den Augen, die ihr Pforten waren,
Als sie, einziehend, ewig mich entbrannt.
Das Gut, das froh macht dieses Reiches Scharen,
Das A und O der Schriften ist’s, die hier
Mir Lieb’ andeuten, dort sie offenbaren."
Dieselbe Stimm’ erklang–wie sich an ihr
Mein Mut, als ich mich blind fand, aufgerichtet,
Gebot sie jetzo weitres Sprechen mir.
“Durch engres Sieb sei, was du meinst, gesichtet,
Und klarer sei von dir noch dargelegt,
Was dein Geschoß auf solches Ziel gerichtet?"–
“Durch das, was Weltweisheit zu lehren pflegt,"
Versetzt’ ich, “und durch Himmelsoffenbarung
Ward solche Liebe mir ins Herz geprägt.
Je mehr ein Gut, soweit es die Erfahrung
Uns kennen lehrt, der Güt’ in sich enthält,
Je stärker gibt’s der Liebesflamme Nahrung.
Das Wesen drum. So gut, daß, was der Welt
Sich außer ihm noch als ein Gut verkündet,
Ein Strahl nur ist, der seinem Licht entfällt,
Dies ist es, das die höchste Lieb’ entzündet.
Und wohl erkennt es liebend jeder Geist,
Der jene Wahrheit kennt, die dies begründet;
Und jener ist’s, der’s der Vernunft beweist,
Der die für alle Göttlichen entglühte
Erhabne Liebesbrunst die erste heißt.
Er selbst erweckte sie mir im Gemüte,
Der einst zu Moses sprach, der wahre Hort:
Dein Angesicht schau’ alle meine Güte.
Du prägst sie ein, dein hohes Heroldswort
Beginnend vom Geheimnis dieser Sphären.
Lauter als andres tönt’s auf Erden fort:"
Da sprach’s: “Nach menschlichen Verstandes Lehren
Und höherm Wort, das beistimmt dem Verstand,
Muß sich zu Gott dein höchstes Lieben kehren.
Doch fühlst du nicht noch manches andre Band
Zu ihm dich zieh’n? Du sollst mir jedes nennen,
Mit welchem diese Liebe dich umwand."
Nicht war der heil’ge Wille zu verkennen
Des Adlers Christi, ja, ich sah, wohin
Er mich gelenkt zum weiteren Bekennen.
Und wieder sprach ich: “Was nur Herz und Sinn
Hinlenkt zu Gott, erzeugt hat’s im Vereine
Die Lieb’, in welcher ich entzündet bin.
Denn durch des Weltalls Dasein und das meine
Und durch den Tod des, der mich leben macht,
Durch das, was hofft die gläubige Gemeine,
Und die Erkenntnis, deren ich gedacht,
Bin ich dem Meer der falschen Lieb’ entgangen
Und an der echten Liebe Strand gebracht.
Die Blätter, die im ganzen Garten prangen
Des ew’gen Gärtners, lieb’ ich auch, je mehr
Des Guten sie aus seiner Hand empfangen."
Ich schwieg–und durch die Himmel, süß und hehr,
Hört’ ich der Herrin sang und aller klingen,
Erschallend: Heilig, heilig, heilig er!–
Und, wie wir uns dem schweren Schlaf entringen
Beim scharfen Licht, das unsre Sehkraft weckt,
Wenn uns von Haut zu Haut die Strahlen dringen,
Und, was er sieht, den jäh Erwachten schreckt,
Der sich noch nicht besinnt, vom Schlafe trunken,
Bis der Verstand die Wahrheit ihm entdeckt;
So war die Decke meinem Aug’ entsunken
Vor Beatricens Strahlenangesicht,
Auf tausend Meilen streuend Glanzesfunken.
Drum sah ich klar, wie vorhin nimmer nicht,
Und fragte staunend noch und kaum besonnen,
Nach einem vierten uns gesellten Licht.
“Aus diesen Strahlen schaut in Liebeswonnen”,
Sprach sie, “zum Schöpfer hin der erste Geist,
Des Dasein durch die erste Kraft begonnen."
Gleichwie der Baum, an dem der Sturmwind reißt,
Den Gipfel beugt, dann, wenn der Sturm vergangen,
Sich wieder hebt, wie innre Kraft ihn heißt;
So tat jetzt ich, der, als sie sprach, befangen,
Erstaunt, gebückt, jetzt in die Höhe fuhr,
Denn mich erhob nun Sprechlust und Verlangen.
Ich sprach: “O Frucht, die als die einz’ge nur
Schon reif entstand, o alter Vater, sage
Du dem, was Weib heißt, Tochter ist und Schnur,
Sag’ an, was ich dich fromm zu bitten wage.
Du siehst ja, welch ein Sehnen mich bewegt,
Und schneller hör’ ich, wenn ich dich nicht frage."
Wie ein bedecktes Tier sich rückt und regt
Und so die Neigung zeigt, dem nachzurennen,
Der um dasselbe die Verhüllung legt;
So ließ durch ihre Hülle jetzt erkennen
Die erste Seele, wie so froh sie war,
Mir das, was ich gebeten, tun zu können.
“Dein Sehnen”, weht’ es, “nehm’ ich besser wahr,
Magst du’s auch nicht bekennen und gestehen,
Als du, was noch so sicher ist und klar.
Im wahren Spiegel kann ich es erspähen,
Der jedes Dinges Bildnis in sich faßt,
Doch seines läßt in keinem Dinge sehen.
Du fragst: Wieviel der Zeitraum wohl umfaßt,
Seit Gott mich in den hohen Garten setzte,
Aus dem du dich mit ihr erhoben hast?
Wie lange mir sein Reiz die Augen letzte?
Was eigentlich den großen Zorn erweckt?
Und welche Sprach’ ich mir zusammensetzte?
Mein Sohn, nicht daß ich jene Frucht geschmeckt,
War Grund des Zorns an sich–daß ich entronnen
Den Schranken war, die mir der Herr gesteckt.
Mich hat viertausend und dreihundert Sonnen
Und zwei, im Höllenvorhof sonder Qual
Sehnsucht erfüllt nach diesen Himmelswonnen.
Auch sah ich, daß neunhundertdreißigmal
Zu jedem Sterngebild die Sonne kehrte,
Indes ich lebt’ in eurem Erdental.
Die Sprache, die ich einst gesprochen, hörte
Schon vor dem Bau auf, der, wie schwach die Kraft
Des Menschen sei, das Volk des Nimrod lehrte.
Denn was nur irgend die Vernunft erschafft,
Ist, weil die Neigung nach der Sterne Walten
Zu wechseln pflegt, nur wenig dauerhaft.
Die Sprache habt ihr von Natur erhalten,
Allein so oder so–euch läßt hierin
Sodann Natur nach Gutbedünken schalten.
Eh’ ich zur Hölle sank, im Anbeginn
Hieß El das höchste Gut, an dem entglommen
Der Glanz, mit welchem ich umkleidet bin.
Den Namen Eli hat man drauf vernommen,
Weil Menschenbrauch sich gleich den Blättern zeigt,
Von welchen jene gehn, wenn diese kommen.
Auf jenem Berge, der am höchsten steigt,
Hab’ ich, rein und befleckt, mich sieben Stunden
Von früh, bis wieder sich die Sonne neigt,
Wenn sie im zweiten Vierteil steht, befunden.”

Siebenundzwanzigster Gesang

Dem Vater, Sohn und Heil’gen Geiste fang
Das ganze Paradies; ihm jubelt’ alles,
So daß ich trunken ward vom süßen Klang.
Ein Lächeln schien zu sein des Weltenalles,
Das, was ich sah, drum zog die Trunkenheit
Durch Aug’ und Ohr im Reiz des Blicks und Schalles.
O Lust! O unnennbare Seligkeit!
O friedenreiches, lieberfülltes Leben!
O sichrer Reichtum sonder Wunsch und Neid!
Ich sah vor mir die Feuer glühend Schweben,
Und das der vier, das erst gekommen war,
Sah ich in höherm Glanze sich beleben.
Und also stellt’ es sich den Blicken dar,
Wie Jupiter, nahm’ man an seinen Gluten
Das hohe Rot des Marsgestirnes wahr.
Und jetzt gebot der Wink des ewig Guten,
Des Vorsicht dort verteilet Pflicht und Amt,
Daß aller Sel’gen Wonnechöre ruhten.
Da hört’ ich: “Siehst du höher mich entflammt,
So staune nicht–bei meinen Worten werden
Sich diese hier entflammen allesamt.
Der meines Stuhls sich anmaßt dort auf Erden,
Des Stuhls, des Stuhls, auf dem kein Hirt itzt wacht,
Vor Christi Blick, zum Schutze seiner Herden,
Hat meine Grabstatt zur Kloak’ gemacht
Von Blut und Stank, drob der zu ew’gen Qualen
Einst von hier oben fiel, dort unten lacht."
Wie früh und abends sich die Wolken malen,
Die g’rad’ der Sonne gegenüberstehn,
So sah ich jetzt den ganzen Himmel stralhlen.
Wie wir ein ehrbar Weib sich wandeln sehn,
Das, sicher seiner selbst, nichts zu verschulden,
Nur hörend, schüchtern wird durch fremd Vergehn;
So meiner Herrin Angesicht voll Hulden;
Und so verfinstert, glaub’ ich, wie sie dort,
War einst der Himmel bei der Allmacht Dulden.
Er aber fuhr in seiner Rede fort,
Und wie verwandelt erst der heitre Schimmer,
So war verwandelt jetzt das heil’ge Wort.
“Die Braut des Herrn hat zu dem Zwecke nimmer
Mein Blut, des Lin und Cletus Blut, genährt,
Daß man durch sie erwerbe Gold und Flimmer,
Nein, dieses frohe Sein, das ewig währt;
Dem hat des Sirt und Pius Blut gegolten,
Dies hat Calixt, dies hat Urban begehrt.
Das war’s nicht, was wir von den Folgern wollten,
Daß sie um sich das Christenvolk getrennt
Zur Rechten und zur Linken setzen sollten.
Nicht sollten jene Schlüssel, mir vergönnt,
Als Kriegeszeichen in den Fahnen stehen,
Woran man der Getauften Feind’ erkennt.
Nicht sollte man mein Bild auf Siegeln sehen,
Erkauftem Lügenfreibrief beigedrückt,
Drob ich erröt’ und glüh’ in diesen Höhen.
Jetzt sieht man, mit dem Hirtenkleid geschmückt,
Raubgier’ge Wölfe dort die Herden hüten.
O Gott, was ruht dein Schwert noch ungezückt!
Und Caorsiner und Gascogner brüten
Schon Tücken aus, voll Gier nach meinem Blut.
Schnöde, schlechte Frucht von schönen Blüten!
Allein die Vorsicht, die durch Scipios Mut
Den Ruhm der Welt beschützt in Romas Siegen,
Bald hilft sie, wie mir kund mein Spiegel tut.
Du, Sohn, wenn du zur Erd’ hinabgestiegen,
Erschleuß den Mund und sprich, wie sich’s gebührt,
Und nicht verschweige, was ich nicht verschwiegen."
Wie, wenn der Wolken feuchter Dunst gefriert,
Durch unsre Luft die Flocken niederfallen,
Zur Zeit, da Sol des Steinbocks Horn berührt;
So, aufwärts, sah ich an des Äthers Hallen
Mit jenem Licht, das eben zu mir sprach,
Der andern Schar, wie Schimmerflocken, wallen.
Mein Auge folgte diesem Anblick nach,
Bis sie so weit im Raum emporgeflogen,
Daß er den Pfad des Blickes unterbrach.
Da sprach die Herrin, die mich abgezogen
Von oben sah: “Jetzt schau’ hinab–hab’ acht,
Wie weit du fortzogst mit des Himmels Bogen."
Vom ersten Rückblick an, des ich gedacht,
Hatt’ ich den Weg der Hälft’ im halben Kreise
Von seiner Mitte bis zum Rand gemacht.
Von Kadix jenseits lag das Furt zur Reise
Ulyß, des Toren–diesseits nah der Strand,
Dem Zeus entrann, beschwert mit süßem Preise.
Noch mehr von unserm Ball hätt’ ich erkannt,
Doch unten war die Sonne vorgegangen,
Der fern um mehr noch als ein Zeichen stand.
Mein liebend Herz, das immer mit Verlangen
Der Herrin schlug, war mehr als je entglüht,
Ihr wieder mit den Augen anzuhangen.
Was jemals der Natur und Kunst entblüht
An Leib und Bild, dem Aug’ als Reiz zu dienen
Und durch den Blick zu fesseln das Gemüt,
Vereint war’ alles dies als nichts erschienen
Bei jener Götterlust, die mich beglückt’,
Als ich hinschaut’ ins Lächeln ihrer Mienen.
Und durch die Kraft, die aus dem Blicke zückt,
Hatt’ ich dem Nest der Leda mich entrungen
Und war zum schnellsten Himmelskreis entrückt.
Ich weiß, da er von Lebensglanz durchdrungen
Gleichförmig war, nicht, wo mit mir in ihn,
Nach ihrer Wahl, die Herrin eingedrungen.
Doch sie, der klar mein Herzenswunsch erschien,
Begann jetzt lächelnd in so sel’gen Wonnen,
Daß Gott in ihrem Blick zu lächeln schien:
“Sieh hier des Zirkellaufs Natur begonnen,
Durch die der Mittelpunkt in Ruhe weilt,
Und alles rings umher den Flug gewonnen.
In diesem Himmel, der am schnellsten eilt,
Wohnt Gottes Geist nur, der die Lieb’ entzündet,
Die ihn bewegt–die Kraft, die er verteilt.
Ein Kreis von Licht und Liebesglut umwindet
Ihn, wie die andern er; allein verstehn
Kann diesen Kreis nur er, der ihn gerundet.
Nichts läßt das Maß von seinem Lauf uns sehn;
Nach ihm nur mißt sich der der andern Sphären,
Wie man nach Hälft’ und Fünfteil mißt die Zehn.
Wie sich in diesem Kreis die Wurzeln nähren
Der Zeit, wie ihr Gezweig zu ändern strebt,
Das kannst du jetzt dir selber leicht erklären.
Gier, die tief die Sterblichen begräbt
In ihrem Schlund, so kraftlos fortgerissen,
Daß sich kein Blick aus deinem Wirbel hebt!
Wohl blüht des Menschen Will’, allein in Güssen
Strömt Regen drauf, der unaufhörlich rinnt,
Drob echte Pflaumen Butten werden müssen.
Unschuld und Treue trifft man nur im Kind,
Doch sie entweichen von den Kindern allen,
Bevor mit Flaum bedeckt die Wangen sind.
Die fasten noch beim ersten Kinderlallen,
Die, mit gelösten Zungen, gierig dann
In jedem Mond auf jede Speise fallen.
Der liebt die Mutter noch und hört sie an,
Solang er lallt, der ihren Tod im Herzen
Bei voller Sprache kaum erwarten kann.
Drum muß, erst weiß, das Angesicht sich schwärzen
Der schönen Tochter des, der, kommend, bringt
Und, gehend, mit sich nimmt des Tages Kerzen.
Du denke, wenn dich dies zum Staunen zwingt,
Daß dort kein Herrscher ist, um euch zu leiten,
Drob das Geschlecht, verirrt, mit Jammer ringt,
Doch eh’ der Jänner fällt in Frühlingszeiten
Durch das von euch vergeßne Hundertteil,
Wird dieser Kreise Lauf Gebrüll verbreiten,
Daß das Geschick, erharrt zu eurem Heil,
Damit’s auf g’raden Lauf die Flotte richte,
Den Spiegel dreht, wo jetzt das Vorderteil,
Und auf die Blüten folgen echte Früchte.”

Achtundzwanzigster Gesang

Nachdem sie tadelnd mir das jetz’ge Leben
Der armen Menschen wahrhaft kundgemacht,
Sie, welche mir das Paradies gegeben,
Da, dem gleich, der im Spiegelglas bei Nacht
Der Fackel Schein sieht hinter sich entglommen,
Bevor er sie gesehn und dran gedacht,
Und rückblickt, ob das, was er wahrgenommen,
Auch wirklich sei, und sieht, daß Glas und Tat
So überein, wie Ton und Tonmaß, kommen;
War ich, und seinem Tun gleich, was ich tat,
Als ich ins Auge sah, woraus die Schlingen,
Um mich zu sah’n, die Lieb’ entnommen hat.
Ich sah itzt das mir in die Augen dringen,
Als ich die Blicke suchend rückwärts warf,
Was die erspäh’n, die diesen Kreis erringen.
Mir strahlt’ ein Punkt, so glanzentglüht und scharf,
Daß nie ein Auge, das er mit dem hellen
Glutschein bestrahlt, ihm offen trotzen darf.
Ließ sich zu ihm das kleinste Sternlein stellen,
Ein Mond erschien’ es, könnt’ es seinem Licht
So nah wie Stern dem Stern sich beigesellen.
So weit, als Sonn’ und Mond ein Hof umflicht,
Vom eignen Glanz der beiden Stern’ entsprungen,
Wenn sich in dichtem Dunst ihr Schimmer bricht,
War um den Punkt ein Kreis, so schnell geschwungen
In reger Glut, daß er auch überwand
Den schnellsten Kreis, der rings die Welt umschlungen.
Und dieser war vom zweiten rings umspannt,
Um den der dritte dann, der vierte wallten,
Die dann der fünfte, dann der sechst’ umwand.
Drauf sah man sich den siebenten gestalten,
So weit, daß Iris halber Kreis, auch ganz,
Doch viel zu enge war’, ihn zu enthalten.
Dann wand der achte sich, der neunte Kranz,
Je träger jeder Kreis im Schwung, je weiter
Er ferne stand von jenem einen Glanz.
Mehr ist des Kreises Flamme rein und heiter,
Je minder fern er ist von seiner Spur,
Und in der reinen Glut je eingeweihter.
Sie, die, mich sehend, meinen Wunsch erfuhr,
Sprach ungefragt: “Von diesem Punkte hangen
Die Himmel ab, die sämtliche Natur.
Sieh jenen Kreis, der ihn zunächst umfangen;
Das, was ihn treibt, daß er so eilig fliegt,
Es ist der heil’gen Liebe Glutverlangen."
Und ich zu ihr: “Wäre die Welt gefügt
Nach dem Gesetz, das herrscht in diesen Kreisen,
So hätte völlig mir dein Wort genügt.
Doch in der Welt, der fühlbaren, beweisen
Die Schwingungen je größre Göttlichkeit,
Je ferner sie vom Mittelpunkte kreisen.
Drum soll in diesem Bau voll Herrlichkeit,
Im Tempel, den nur Lieb’ und Licht umschränken,
Ich ruhig sein, von jedem Wunsch befreit,
So sprich: Wie-kommt’s–ich kann mir’s nicht erdenken
Daß Abbild sich und Urbild nicht entspricht.
Und andere Gesetze beide lenken?"
“Genügt dein Finger solchem Knoten nicht,
So ist’s kein Wunder–weil ihn zu entstricken
Niemand versuchte, ward er fest und dicht."
Sie sprach’s, und dann: “Nimm, um dich zu erquicken,
Das, was ich dir verkünden werd’; allein
Betracht’ es ganz genau mit scharfen Blicken.
Ein Körperkreis muß weiter, enger sein,
Je wie die Kraft, die sich durch seine Teile
Gleichmäßig ausdehnt, groß ist oder klein.
Die größre Güte wirkt in größerm Heile,
Und größres Heil füllt größeres Gebiet,
Ward jeder Gegend gleiche Kraft zuteile.
Der Kreis drum, der das Weltall mit sich zieht
In seinem Schwung, entspricht in seiner Weise
Dem, der am meisten liebt, am tiefsten sieht.
Darum, wenn du dein Maß dem Innern preise,
Und nicht dem äußern Umfang angelegt
Von dem, was dort erscheint, wie runde Kreise,
So wirst du, zur Bewunderung erregt,
Das Mehr und Minder sich entsprechen sehen
In jedem Kreis und dem, was ihn bewegt."
Wie rein das Blau erglänzt aus Äthers Höhen,
Wenn Boreas Luft aus jener Backe stößt,
Aus der gelinder seine Hauche wehen,
So, daß vom Dunst gereinigt und gelöst,
Der ihn getrübt, in seinen weiten Auen
Der Himmel lächelnd jeden Reiz entblößt;
So ward mir jetzt beim Worte meiner Frauen,
Denn dieses ließ die Wahrheit mich so klar,
Wie einen Stern am reinen Himmel schauen.
Und als ihr heil’ges Wort beendet war,
Da stellten anders nicht als siedend Eisen
Sich jene Kreise, funkensprühend, dar.
Die Funken folgten den entflammten Kreisen
In größrer Meng’, als durch Verdoppelung
Schachfelder sich vertausendfacht erweisen.
Dem festen Punkt, der sie ohn’ Änderung
Dort, wo er sie erhält, auch wird erhalten,
Scholl Lobgesang aus dieser Kreise Schwung.
“Zwei Kreise sieh dem Punkt zunächst sich halten,"
Sie sprach’s, stets wissend, was mein Geist ersinnt,
“Und Seraphim und Cherubim drin walten.
Sie folgen ihren Fesseln so geschwind,
Um, wie sie können, ihm sich anzuschließen,
Und können, wie sie hoch im Schauen sind.
Die Gluten drauf, die diese rings umfließen,
Die Throne sind’s von Gottes Angesicht,
Benannt, weil sie die erste Dreizahl schließen.
So groß ist aller Wonn’, als ihr Gesicht
Tief in die ew’ge Wahrheit eingedrungen,
Die alle Geister stillt mit ihrem Licht.
Durch Schau’n wird also Seligkeit errungen,
Nicht durch die Liebe; denn sie folgt erst dann,
Wenn sie dem Schau’n, wie ihrem Quell, entsprungen.
Und das Verdienst, das durch die Gnade man
Und Willensgüt’ erwirbt, ist Maß dem Schauen.
So steiget man von Grad zu Grad hinan.
Die andre Dreizahl, die in diesen Auen
Des ew’gen Lenzes blüht, und welcher nie
Das Laub entfällt bei nächt’gen Widders Grauen,
Singt ewig in dreifacher Melodie
Hosiannagesang in dreien sel’gen Scharen,
Und also eins aus dreien bilden sie.
Herrschaften sind’s, die erst sich offenbaren,
Die Tugenden sind dann im zweiten Kranz,
Im dritten sind die Mächte zu gewahren.
Die Fürstentümer sieh zunächst im Tanz,
Dann die Erzengel ihre Lieb’ erproben;
Den letzten Kreis füllt Engelsfeier ganz.
Die Ordnungen schau’n allesamt nach oben;
Nach unten wirken sie, was lebt, mit sich
Zu Gott erhebend und zu ihm erhoben.
Und Dionysius rang so brünstiglich,
Damit sein Blick die Ordnungen betrachte,
Daß er sie nannt’ und unterschied wie ich.
Wahr ist es, daß Gregorius anders dachte,
Doch er belächelte dann seinen Wahn.
Sobald er erst in diesem Reich erwachte.
Hat solch Geheimnis kund ein Mensch getan,
So staune nicht; von ihm, der alles schaute,
Hatt’ er davon auf Erden Kund’ empfah’n,
Der sonst auch viel vom Himmel ihm vertraute.”

Neunundzwanzigster Gesang

So lang, wenn beide Kinder der Latone
Bedeckt von Wag’ und Widder stehn, am Rand
Des Horizonts, vereint in einer Zone,
Die Wage des Zenit in gleichem Stand
Sie beide zeigt, bis dann vom Gleichgewichte,
Den Halbkreis tauschend, sie sich abgewandt:
So lang, des Lächelns Glut im Angesichte,
Sah schweigend fest den Punkt Beatrix an,
Der meinen Blick besiegt mit seinem Lichte.
“Ich red’ und frage nicht,” so sprach sie dann,
“Da, was du hören willst, ich dort erkenne
Im Punkt, wo anhebt jedes Wo und Wann.
Nicht daß er–was nicht sein kann–selbst gewönne,
Nein, daß der Glanz von seiner Herrlichkeit
Im Widerglanz ich bin verkünden könne,
Hat er, der Ew’ge, außerhalb der Zeit
Und des Begriffs, wie’s ihm gefiel, die Gluten
Erschaffner Lieb’ an ewiger geweiht.
Nicht daß, wie starr, erst seine Kräfte ruhten;
Denn früher nicht und später nicht ergoß
Der Geist des Herrn sich, schwebend ob den Fluten.
Auch Form und Stoff, vermischt und rein, entsproß
Zugleich, vortretend herrlich und vollkommen,
Drei Pfeile von dreisehnigem Geschoß.
Und wie im Widerschein des Strahls, vom Kommen
Zum vollen sein, kein Zwischenraum zu sehn,
Wenn rein Kristall im Sonnenglanz entglommen;
So ließ der Herr hervor drei Strahlen gehn,
All im vollkommnen Glanz zugleich gesendet,
Und sonder Unterscheidung im Entstehn.
Der Wesen Ordnung ward zugleich vollendet,
Und hoch am Gipfel wurden die gereiht,
Welchen er reine Tätigkeit gespendet.
Die Tiefe ward reiner Empfänglichkeit,
Empfänglichkeit und Tatkraft ist mittinnen,
Verknüpft und nie von diesem Band befreit.
Zwar Hieronymus läßt vom Beginnen
Die Engel bis von dem der andern Welt
Den Zeitraum von Jahrhunderten entrinnen;
Doch läßt die Wahrheit, die ich dargestellt,
Sich vielfach aus der Heil’gen Schrift bewähren,
Wie’s dir auch, wenn du wohl bemerkst, erhellt.
Auch die Vernunft kann dies beinah erklären;
Nicht konnten ja so lang, so folgert sie,
Die Lenker des, was lenkbar ist, entbehren.
Der Liebesschöpfung Wo und Wann und Wie
Erkennst du–nun, so daß in dem Gehörten
Dir schon dreifache Labung angedieh.
Allein bevor man zwanzig zählt’ empörten
Die Engel sich zum Teil, so daß sie nun
Im Fall der Elemente trägstes störten.
Die Bleibenden begannen drauf das Tun,
Das du erkennst, so selig in Entzücken,
Daß sie in ihrem Kreislauf nimmer ruh’n.
Grund war des Falls, daß jener sich berücken
Von frevlem Hochmut ließ, der dir erschien,
Dort, wo auf ihn des Weltalls Bürden drücken–
Die du bei Gott hier siehest, sah’n auf ihn
Bescheiden und mit Dank für seine Gaben,
Da er nur Kraft zu solchem Schau’n verlieh’n.
Drum wurden sie zum Schauen so erhaben
Durch Gnadenlicht und ihr Verdienst gestellt,
Daß sie vollkommen festen Willen haben.
Und zweifelfrei verkünd’ es einst der Welt:
Verdienstlich ist’s, die Gnade zu empfangen,
Je wie sich offen ihr die Lieb’ erhält.
Jetzt, wenn ins Herz dir meine Lehren drangen,
Errennst du ganz den englischen Verein
Und brauchst nicht andre Hilfe zu verlangen.
Doch weil den Engeln jene, die ihr Sein
Auf Erden dort in Schulen euch erklären,
Verstand, Erinnerung und Willen leih’n,
So zeig’ ich, um dich völlig zu belehren,
Dir noch die Wahrheit rein und unbefleckt,
Die jene dort verwirren und verkehren.
Die Wesen, die des Anschau’ns Lust geschmeckt,
Verwenden nie den Blick vom ew’gen Schimmer
Des Angesichts, in dem sich nichts versteckt.
Drum unterbricht das Neu’ ihr Schauen nimmer,
Drum brauchen sie auch die Erinnrung nicht,
Denn ungeteilt bleibt ja ihr Denken immer.
So träumt ihr unten wach beim Tageslicht;
Ihr glaubt und glaubt auch nicht, was ihr verbreitet,
Doch ärger kränkt dies Letzte Recht und Pflicht.
Der eine Weg ist’s nicht, auf dem ihr schreitet
Bei eurem Forschen; drob ihr irregeht,
Von Lust am Schein und Eitelkeit verleitet.
Doch, wer dies tut, wird minder hier verschmäht,
Als wer die Heil’gen Schriften leeren Possen
Hintansetzt und sie freventlich verdreht.
Nicht denkt man, wieviel teures Blut geflossen,
Sie auszusäh’n; nicht, wie Gott dem geneigt,
Der demutsvoll an sie sich angeschlossen.
Zu glänzen strebt ein jeder itzt und zeigt
Sich in Erfindungen, die der verkehrte
Pfaff predigt, der vom Evangelium schweigt.
Der sagt, daß rückwärts Lunas Lauf sich kehrte
Bei Christi Leiden und sich zwischenschob
Und drum der Sonn’ herabzuscheinen wehrte.
Der, daß von selbst das Licht erlosch und drob
Den Spanier, den Juden und den Inder
Zu gleicher Zeit die Finsternis umwob.
Lapi und Bindi hat Florenz weit minder,
Als Fabeln, die man von den Kanzeln schreit
Das Jahr hindurch, des Aberwitzes Kinder,
So daß die Schäflein, blind zu ihrem Leid,
Wind schlucken, wo sie sich zu weiden meinen.
Und nicht entschuldigt sie Unwissenheit.
Nicht sprach der Herr zur Ersten der Gemeinen:
Geht hin und tut der Erde Possen kund!–
Nein, wahre Lehre spendet er den Seinen.
Von ihr ertönt’ im Kampf des Jüngers Mund,
Wenn er, die Welt zum Glauben hinzulenken,
Mit Schild und Speer des Evangeliums stund.
Jetzt predigt man von Possen und von Schwänken,
Und die Kapuze schwillt, wenn alles lacht,
Und, der sie trägt, braucht sonst an nichts zu denken.
Drin hat solch Vögelein sein Nest gemacht,
Daß, säh’ man’s, es den Wert dem Ablaß raubte,
Den man beim Volk so hoch in Preis gebracht.
Drob wuchs die Dummheit so in manchem Haupte,
Daß, möcht’ ein Priesterwort das tollste sein,
Man ohne Prüfung und Beweise glaubte.
Und damit mästet Sankt Anton das Schwein,
Und andre, die noch ärger sind denn Sauen,
Falschmünzer, reich an trügerischem Schein.
Doch seitwärts führt’ ich dich von diesen Auen;
Drum, daß zugleich sich kürze Zeit und Pfad,
Mußt du jetzt wieder g’rade vorwärts schauen–
So sehr vervielfacht sind von Grad zu Grad
Der unzählbaren sel’gen Engel Scharen,
Daß ihrer Zahl nicht Sinn noch Sprache naht.
Und Daniel will, dies kannst du wohl gewahren,
Wenn er zehntausendmal zehntausend spricht,
Uns nicht bestimmte Zahlen offenbaren.
Das ihnen allen strahlt, das erste Licht,
So vielfach wird’s von ihnen aufgenommen,
Als Engel schau’n in Gottes Angesicht.
Drum, da vom Schau’n der Liebe Gluten kommen,
Ist auch verschieden ihre Süßigkeit
Hier lauer, dorten glühender entglommen.
Sieh jetzt die Hoheit, die Unendlichkeit
Der ew’gen Kraft, die, teilend ihren Schimmer,
So unzählbaren Spiegeln ihn verleiht,
Und ein’ in sich bleibt ewiglich und immer.”

Dreißigster Gesang

Uns fern, etwa sechstausend Meilen, steiget
Der Mittag auf, indes schon diese Welt
Den Schatten fast zum ebnen Bette neiget,
Wenn nach und nach sich uns der Ost erhellt;
Dann wird der Glanz erst manchem Stern benommen,
Des Strahl nicht mehr bis zu uns niederfällt,
Und wie Aurora mehr emporgeklommen,
Verschließt der Himmel sich von Glanz zu Glanz,
Bis auch des schönsten Sternes Licht verglommen.
So der Triumph, der ewiglich im Tanz
Den Punkt umkreist, der alles hält umschlungen,
Was scheinbar ihn umschlingt als lichter Kranz.
Er schwand allmählich, meinem Aug’ entschwungen,
Drum kehrt’ ich zu der Herrin das Gesicht,
Von Nichtschau’n und von Liebesdrang gezwungen.
War’ alles, was bis jetzo mein Gedicht
Von ihr gelobt, in ein Lob einzuschließen,
Doch g’nügend wär’s für diesen Anblick nicht.
Denn Reize, wie sie hier sich sehen ließen,
Weit überschreiten sie der Menschen Art;
Ihr Schöpfer nur kann ihrer ganz genießen.
Ich bin besiegt von dem, was ich gewahrt,
Mehr als ein Komiker von seinen Stoffen,
Als ein Tragöd’ je überwunden ward.
Gleichwie ein Blick, den Sonnenstrahlen offen,
Vergeht vor ihren- Blitzen, so geschieht
Dem Geist, von dieses Lächelns Reiz getroffen.
Vom ersten sag, da mir der Herr beschied,
Ihr Angesicht zu schau’n in diesem Leben,
Folgt ihr bis hin zu diesem Blick mein Lied.
Doch muß ich jetzt des Folgens mich begeben,
Ein Künstler, der sein höchstes Ziel errang,
Und hoher nicht vermag emporzustreben.
Und so, wie ich sie lasse vollerm Klang,
Als meiner Tuba, die ich also richte,
Wie sie beenden kann den schweren Sang,
Sprach sie, mit Ton, Gebärd’ und Angesichte
Eifrigen Führers froh zu mir: “Du bist
Gelangt zum Himmel nun von reinem Lichte,
Von geist’gem Licht, das nur ein Lieben ist,
Ein Lieben jenes Gut’s, des ewig wahren,
Von Luft, mit der kein Erdenglück sich mißt.
Du siehst hier beide Himmelskriegerscharen
Und siehst die ein’ in dem Gewande heut,
Wie du sie wirst beim Weltgericht gewahren."
Wie jäher Blitz des Auges Kraft zerstreut,
So daß er jeden Gegenstand umdunkelt,
Den stärksten Selbst, der sich dem Blicke beut;
So ward ich von lebend’gem Licht umfunkelt,
Des Glanz mir tat, wie uns ein Schleier tut,
Denn alles außer ihm war mir verdunkelt.
“Die Lieb’, in welcher dieser Himmel ruht
Pflegt so in sich zum Heile zu empfangen
Und macht die Kerz’ empfänglich ihrer Glut."
Wie mir die kurzen Wort’ ins Innre drangen,
Da fühlt’ ich, daß sich Geist mir und Gemüt
Weit über die gewohnten Kräfte schwangen.
Und neue Sehkraft war in mir entglüht,
So, daß mein Auge, stark und ohne Qualen,
Dem Licht sich auftat, das am reinsten blüht.
Ich sah das Licht als einen Fluß von Strahlen
Glanzwogend zwischen zweien Ufern zieh’n,
Und einen Wunderlenz sie beide malen
Und aus dem Strom lebend’ge Funken sprüh’n;
Und in die Blumen senkten sich die Funken,
Gleichwie in goldne Fassung der Rubin.
Dann tauchten sie, wie von den Düften trunken,
Sich wieder in die Wunderfluten ein,
Und der erhob sich neu, wenn der versunken.
“Dein heißer Wunsch, in dem dich einzuweih’n,
Was deine Blicke hier auf sich gezogen,
Muß mir, je mehr er drängt, je lieber sein.
Doch trinken mußt du erst aus diesen Wogen,
Eh’ solch ein Durst in dir sich stillen kann."
So sprach die Sonn’, aus der ich Licht gesogen.
“Der Fluß und diese Funken”, sprach sie dann,
“Und dieser Pflanzen heitre Pracht, sie zeigen
Die Wahrheit dir voraus, wie Schatten, an.
An sich ist ihnen zwar nichts Schweres eigen,
Sie zu erkennen, fehlt nur dir die Macht,
Weil noch so stolz nicht deine Blicke steigen."
Kein Kind, das durstig langer Schlaf gemacht,
Kann sein Gesicht zur Brust so eilig kehren,
Wenn’s über die Gewohnheit spät erwacht,
Als, um der Augen Spiegel mehr zu klären,
Ich mein Gesicht zu jenem Flusse bog,
Dort strömend, um der Seele Kraft zu mehren.
Und wie der Rand der Augenlider sog
Von seiner Flut, da war zum Kreis gewunden,
Was sich zuvor in langen Streifen zog.
Dann, Leuten gleich, die sich verlarvt befunden,
Verändert erst, wenn sie auszieh’n das Kleid,
Worin sie unter fremdem Schein verschwunden;
Verwandelten zu größrer Herrlichkeit
Sich Blumen mir und Funken, und ich schaute
Die Himmelsscharen beide dort gereiht.
O Gottes Glanz, o du, durch den ich schaute
Des ewig wahren Reichs Triumphespracht,
Gib jetzt mir Kraft, zu sagen, wie ich schaute.
Licht ist dort, das den Schöpfer sichtbar macht,
Damit er ganz sich dem Geschöpf verkläre,
Dem nur in seinem Schau’n der Friede tacht.
Es dehnt sich weithin aus in Form der Sphäre
Und schließt so viel in seinem Umkreis ein,
Daß es zu weit als Sonnengürtel wäre.
Und einem Strahl entquillt sein ganzer Schein,
Rückscheinend von des schnellsten Kreises Rande,
Um Sein und Wirkung diesem zu verleih’n.
Und wie ein Hügel, an der Wogen Strande,
Sich spiegelt, wie um sich geschmückt zu sehn
Im blütenreichen, grünenden Gewande;
Also sich spiegelnd, sah ich in den Höh’n
In tausend Stufen die das Licht umringen,
Die von der Erd’ in jene Heimat gehn.
Und kann der tiefste Grad solch Licht umschlingen,
Zu welcher Weite muß der letzte Kranz
Der Blätter dieser Himmelsrose dringen?
Mein Aug’ ermaß die Weit’ und Höhe ganz
Und unverwirrt, und konnte sich erheben
Zum Was und Wie von diesem Wonneglanz.
Nicht Fern noch Nah kann nehmen dort noch geben,
Denn da, wo Gott regiert, unmittelbar,
Tritt fürder kein Naturgesetz ins Leben.
Ins Gelb der Rose, die sich immerdar
Ausdehnt, abstuft und Duft des Preises sendet
Zur Sonne, die stets heiter ist und klar,
Zog, wie wer schweigt, doch sich zum Sprechen wendet,
Beatrix mich und sprach: “Sieh hier verschönt
In weißem Kleid, die dorten wohl geendet.
Sieh, wie so weithin unsre Stadt sich dehnt,
Sieh, so gefüllt die Bänk’ in unserm Saale,
Daß man jetzt hier nach wenigen sich sehnt.
Auf jenem großen Stuhl, wo du dem Strahle
Der Krone, die dort glänzt, dein Auge leihst,
Dort, eh’ du kommst zu diesem Hochzeitsmahle,
Wird sitzen des erhabnen Heinrichs Geist,
Des Cäsars, der Italien zu gestalten
Kommt, eh’ es sich dazu geneigt beweist.
Die blinde Gier ist’s, die mit Zauberwalten
Euch gleich dem Kind macht, das die Brust verschmäht,
Die Nahrung hat, sein Leben zu erhalten.
Dem göttlichen Gerichtshof aber steht
Solch Obrer vor dann, daß er im Geheimen
Und offen nie mit ihm zusammengeht.
Doch stürzt des Himmels Räch’ ihn ohne Säumen
Vom Heil’gen Stuhl zur qualenvollen Welt,
Wo Simon Magus stöhnt in dunkeln Räumen,
Drob tiefer noch der von Alagna fällt.”

Einunddreißigster Gesang

So sah ich denn, geformt als weiße Rose,
Die heil’ge Kriegsschar, die als Christi Braut
Durch Christi Blut sich freut in seinem Schoße.
Allein die andre, welche, fliegend, schaut’
Und singt des Ruhm, der sie in Lieb’ entzündet,
Die Huld, die hehre Kraft ihr anvertraut,
Sie senkt, ein Bienenschwarm, der jetzt ergründet
Der Blüten Kelch, jetzt wieder dorthin eilt,
Wo würz’ger Honigseim sein Tun verkündet,
Sich in die Blum’, im reichen Kelch verteilt,
Und flog dann aufwärts aus dem schönen Zeichen,
Dorthin, wo ihre Lieb’ all-ewig weilt;
Lebend’ger Flamm’, ihr Antlitz zu vergleichen,
Die Flügel Gold, das andre weiß und rein,
So daß nicht Reif noch Schnee den Glanz erreichen.
Und in die Rose zog von Reih’n zu Reih’n
Frieden und Glut, von ihnen eingesogen
Im Flug zur Hohe, stets mit ihnen ein.
Und, ob sie zwischen Blum’ und Höhe flogen,
Doch ward durch die beschwingte Menge nicht
Des Höchsten Blick und Glanz der Ros’ entzogen.
Denn so durchdringend ist das höchste Licht,
Das seinen Schimmer nach Verdienste spendet,
Daß nichts im Weltenall es unterbricht.
Dies Freudenreich, gesichert und vollendet,
Bevölkert von Bewohnern, neu und alt,
Hielt Lieb’ und Blick ganz auf ein Ziel gewendet.
O dreifach Licht, du, einem Stern entwallt,
Dort, wo man dich schaut, sel’gen Frieden hegend,
Schau’ her auf uns, die wilder Sturm umbaut.–
Wenn die Barbaren, kommend aus der Gegend,
Die stets die Bärin deckt, in gleicher Bahn
Sich mit dem lieben Sohn im Kreis bewegend,
Zu jenen Zeiten, als der Lateran
Die Welt beherrscht’, von Staunen überwunden,
Rom und der Römer große Werke sah’n;
Wie ich, der ich, dem Menschlichen entwunden,
Zum Höchsten kam, von Zeit zur Ewigkeit,
Von Florenz zu Gerechten und Gesunden,
Wie mußt’ ich staunen solcher Herrlichkeit?
Lust fühlt’ ich, nicht zu sprechen, nichts zu hören,
Geteilt in Staunen und in Freudigkeit.
Gleichwie ein Pilgrim, der sein lang Begehren
Im Tempel des Gelübdes, schauend, letzt,
Und hofft von ihm einst andre zu belehren;
So war ich, zum lebend’gen Licht versetzt,
Den Blick, lustwandelnd, durch die Stufen führend,
Jetzt auf, jetzt nieder und im Kreise jetzt.
Gesichter sah ich hier, zur Liebe rührend,
In fremdem Licht und eignem Lächeln schön,
Gebärden, sich mit jeder Tugend zierend.
Im allgemeinen könnt’ ich schon ersehn,
Wie sich des Paradieses Form gestalte,
Doch blieb mein Blick noch nicht beim einzlen stehn;
Und da mir neuer Wunsch im Herzen wallte,
So kehrt’ ich, um zu fragen, mich nach ihr,
Wie das, was ich nicht einsah, sich verhalte.
Sie fragt’ ich, und ein andrer sprach zu mir.
Sie suchend, fand ich mich bei einem Greise,
Gekleidet in der andern Sel’gen Zier.
Auf Aug’ und Wang’ ergoß sich gleicherweise
So Gut’ als Freude–fromm war Art und Tun,
Wie’s Vätern ziemt, in lieber Kinder Kreise.
“Und wo ist sie?” so sprach ich eilig nun.
Drum er: “Beatrix hat mich hergesendet
Von meinem Platz, um dir genugzutun.
Du wirst, den Blick zum dritten Sitz gewendet
Des höchsten Grads, sie auf dem Throne schau’n,
Der ihren Lohn für ihr Verdienst vollendet."
Ohn’ Antwort hob ich rasch die Augenbrau’n–
Sah sie–sah ew’ge Strahlen ihr entwallen
Im Widerschein und ihr die Krone bau’n.
Vom Raum, aus dem die höchsten Donner hauen,
War nimmer noch ein Menschenblick so weit,
Und war’ er auch ins tiefste Meer gefallen,
Als ich von meiner Herrin Herrlichkeit,
Doch sah ich klar ihr Bildnis niederschweben
Rein, unvermischt, in lichter Deutlichkeit.
“O Herrliche, du, meiner Hoffnung Leben,
Du, der’s zu meinem Heile nicht gegraut,
Dich in den Schlund der Hölle zu begeben,
Dir dank’ ich alles, was ich dort geschaut,
Wohin du mich durch Macht und Güte brachtest,
Und deine Gnad’ und Tugend preis’ ich laut.
Die du zum Freien mich, den Sklaven, machtest,
Mir halfst auf jedem Weg, in jeder Art,
Die du zu diesem Zweck geeignet dachtest,
Hilf, daß, was du geschenkt, mein Herz bewahrt,
Damit sich dir die Seele dort geselle,
Die Seele, die gesund durch dich nur ward."
So fleht’ ich heiß–und sie, von ferner Stelle,
Sie lächelte, wie’s schien, und sah mich an,
Dann schaute sie zurück zur ew’gen Quelle.
“Damit du ganz vollendest deine Bahn,"
Begann der Greis, “auf der dich fortzuleiten
Ich Auftrag von der heil’gen Lieb’ empfah’n,
Laß deinen Blick durch diesen Garten gleiten,
Denn stärken wird dir dies des Auges Sinn,
Und ihn auf Gottes Strahlen vorbereiten.
Und sie, die mich entflammt, die Königin
Des Himmels, läßt uns ihre Gnade frommen,
Weil ich ihr vielgetreuer Bernhard bin."
Wie der, der von Kroatien hergekommen,
Um unser Schweißtuch zu betrachten, nicht
Satt wird, zu sehn, wovon er längst vernommen,
Und, wenn man’s zeigt, zu sich im Innern spricht:
Herr Jesus Christus, wahrer Gott, hienieden
War wirklich so geformt dein Angesicht?
So ich, als mir der Anblick ward beschieden
Der Liebe dessen, der in dieser Welt,
Betrachtend, schon gekostet jenen Frieden.
Er sprach: “Was Schönes dieses Reich enthält,
Wird, Sohn der Gnade, sich dir nimmer zeigen,
Wenn sich dein Blick nur tief am Grunde hält.
Doch laß den Blick von Kreis zu Kreise steigen,
Bis daß er sich zur Königin erhöht,
Vor der sich fromm des Himmels Bürger neigen."
Aufschaut’ ich, und, wie, wenn die Früh’ ersteht,
Der Ost den Himmelsteil mit goldnen Strahlen
Besiegt, in dem die Sonne niedergeht,
So, steigend mit dem Blick, wie wir aus Taten
Die Berg’ ersteigen, sah ich einen Ort
Im höchsten Rand all andres überstrahlen.
Und als ob früh der Ost, da, wo sofort
Die Sonne steigen soll, sich mehr entflamme,
Wenn sich das Licht vermindert hier und dort;
So sah ich jene Friedens-Oriflamme
Inmitten mehr erglüh’n, und bleicher ward
Bei ihrem Glanz der andern Lichter Flamme.
Ich sah viel tausend Engel, dort geschart,
Sie feiernd, mit verbreitetem Gefieder,
Verschieden jeglichen an Glanz und Art.
Und Schönheit lachte bei dem Klang der Lieder
Und bei dem Spiel und strahlt’ in Seligkeit
Aus aller andern Sel’gen Augen wieder.
Und reichte meiner Sprache Kraft so weit,
Als meine Phantasie, doch nie beschriebe
Ich nur den kleinsten Teil der Herrlichkeit.
Bernhard, bemerkend, daß mit heil’gem Triebe
An seiner glüh’nden Glut mein Auge hing,
Erhob auch sein’s zu ihr mit solcher Liebe,
Daß mein’s zum Schauen neue Glut empfing.

Zweiunddreißigster Gesang

Indes sein Blick nach seiner Wonne flammte,
Tat er mit heil’gem Wort mir dieses kund,
Sich unterziehend freiem Lehreramte:
“Sie zu Mariens Fuß, die euch gesund
Und heil gemacht, die Erste dort der Frauen,
Die Schönste, die euch krank gemacht und wund.
Im Range, den die dritten Sitze bauen,
Wirst du sodann die Rahel unter ihr,
Mit Beatricen, deiner Herrin, schauen.
Sara, Rebekka, Judith zeigen dir
Sich mit des Ahnfrau, der im Bußgesange
Voll Reu’ ausrief: Herr, schenk’ Erbarmen mir!
Absteigend stufenweis von Rang zu Range,
Gereiht, wie Kunde dir mein Wort verlieh,
Von Blatt zu Blatt mit ihrer Namen Klange.
Hebräerfrau’n, vom siebten Kreis ab, wie
Bis hin zu ihm, ward dieser Sitz zuteile,
Und dieser Blume Locken scheiden sie,
Weil sie, wie gläubig sich der Blick zum Heile,
Das Christus gab, gewandt, als Mauer stehn,
Daß sich durch sie die heil’ge Stiege teile.
Hier, wo die Blume reich und voll und schön
Entfaltet ist, hier sitzen die Verklärten,
Die gläubig auf den künft’gen Christ gesehn.
Dort, wo noch leerer Raum für viel Gefährten
Im Halbkreis ist, dort sitzen die gereiht,
Die ihren Blick auf den Gekommnen kehrten.
Wie hier der Fürstin Stuhl in Herrlichkeit
Und unter ihr die ändern zu gewahren,
Und wie sie bilden solchen Unterscheid;
So dort der Stuhl des Täufers, der erfahren,
Der immer Heil’ge, Wüst’ und Märtyrpein
Und dann der Hölle Nacht in zweien Jahren.
Franz, Benedikt und Augustin–sie reih’n
Sich unter ihm, die Scheidewand zu bauen,
Mit andern unterhalb von Reih’n zu Reih’n.
Hier magst du Gottes hohe Vorsicht schauen,
Denn Glaube, welcher vor- und rückwärts sieht,
Erfüllt gleich zahlreich diese Gartenauen.
Und von der Stieg’ abwärts, die dies Gebiet
In zwei geschieden, sitzen solche Seelen,
Die eigenes Verdienst nicht herbeschied,
Nein, fremdes–nur darf der Beding nicht fehlen–
Denn hier sind alle, die dem Leib entfloh’n,
Bevor sie noch vermochten, selbst zu wählen.
Dies merkst du an den Angesichtern schon
Und an den Stimmen, die noch kindlich klingen,
Wenn du wohl spähst und horchst auf ihren Ton.
Noch seh’ ich schweigend dich mit Zweifeln ringen,
Doch lösen werd’ ich dir das feste Band,
Mit welchem dich die Grübelei’n umschlingen.
Aus unsers ew’gen Königs weitem Land
Ist auch des kleinsten Zufalls blindes Walten,
Wie Hunger, Durst und Traurigkeit, verbannt.
Nach ewigem Gesetz muß sich gestalten
Was du hier siehst, und muß sich, wie der Ring
Zum Finger paßt, so unter sich verhalten.
Daher auch, wer dem Truge früh entging
Und zu der Wahrheit kam, nicht ohne Gründe
Mehr oder minder Herrlichkeit empfing.
Der Fürst, durch den dies Reich, entrückt der Sünde,
In solcher Lieb’ und solcher Wonne ruht,
Daß keiner ist, des Wille höher stünde,
Verteilt den Seelen, seiner heitern Glut
Entstammt, nach eigner Willkür seine Gaben;
Und g’nüge hier, was kund die Wirkung tut.
Und hiervon legt in jenen Zwillingsknaben
Die Heil’ge Schrift ein deutlich Beispiel dar,
Die sich bekämpft im Leib der Mutter haben.
Und also krönt der Gnade Schein ihr Haar,
Und also scheint das höchste Licht in ihnen
Nach ihrem Werte mehr und minder klar.
Verschieden, nicht nach dem, was sie verdienen,
Sind sie von Grad zu Grade hier gestellt,
Nur wie auf sie des Schöpfers Huld geschienen.
So g’nügt’ es in der Jugendzeit der Welt
Unschuld’gen, um zum Heile zu gelangen,
Daß Glaubenslicht der Eltern Geist erhellt.
Dann mußte, wie die erste Zeit vergangen,
Was männlich war, zuvor zur Seligkeit
Durch die Beschneidung noch die Kraft empfangen.
Doch, als gekommen war der Gnade Zeit,
Blieb ohne die vollkommne Taufe Christi
Die Unschuld in der ew’gen Dunkelheit.
Jetzt schau’ ins Antlitz, das dem Antlitz Christi
Am meisten gleicht, und deine Kraft erhoh’n
Wird seine Klarheit zu dem Anschau’n Christi."
Lust strahlt’ aus dem Gesicht, so klar und schön,
Die er zu ihr durch jene Heil’gen schickte,
Erschaffen, zu durchfliegen jene Höh’n,
Daß nichts, was ich noch je zuvor erblickte,
Mich also mit Bewunderung durchdrang,
Nichts mich so sehr durch Gottes Bild erquickte.
Die Liebe, die zuerst sich niederschwang,
Verbreitete vor ihr jetzt das Gefieder,
Indem sie–Sei begrüßt, Maria! sang.
Und alsogleich antworteten die Lieder
Der Sel’gen Geister diesem Himmelslied,–
Und heitrer strahlten rings die Wonnen wider.
“O Heil’ger, du, den Lieb’ herniederzieht,
Der du für mich dem süßen Ort entronnen,
Wo ew’ge Vorsicht dir den Sitz beschied;
Wer ist der Engel, der mit solchen Wonnen
Im Blick Marias mit dem seinen ruht
Und scheint an ihr in Liebe sich zu sonnen?"
So wandt’ ich mich zu ihm mit heiterm Mut
Und sah ihn in Marias Glanz entbrennen,
Gleichwie den Morgenstern in Sonnenglut.
Und er: “Was Seel’ und Engel haben können
Von Zuversicht und Schönheit, er bekam
Es ganz von Gott, wie wir’s ihm alle gönnen,
Weil er zu ihr einst mit der Palme kam,
Als Gottes Sohn die Lasten, die euch drücken,
Nach seinem heil’gen Willen übernahm.
Doch folge meinem Wort mit deinen Blicken,
Und von dem frommen und gerechten Reich
Wirst du den hohen Adel jetzt erblicken.
Die zwei dort, an der höchsten Wonne reich,
Weil sie die Nächsten sind der Benedeiten,
Sind zweien Wurzeln dieser Rose gleich.
Der Vater sitzt zu, ihrer linken Seiten,
Des kühner Gaum der Menschheit fort und fort
Zu kosten gibt so herbe Bitterkeiten.
Sieh rechts der heil’gen Kirche Vater dort,
Dem dieser Blume Schlüssel übergeben
Auf Erden hat der Heiland, unser Hort.
Und jener, welcher noch im Erdenleben
Das Mißgeschick der schönen Braut erblickt,
Die Wundenmal’ erwarben, sitzt daneben.
Neben dem andern sitzt, in Ruh’ beglückt,
Des Volkes Führer, das der Herr mit Manna
Trotz Undanks, Tück’ und Wankelmuts erquickt
Dort sitzt, dem Petrus gegenüber, Anna
Und blickt die Tochter so zufrieden an,
Daß sie den Blick nicht abkehrt beim Hosianna.
Und gegenüber sitzt dem ersten Ahn
Lucia, die die Herrin dir gesendet,
Als du den Blick gesenkt zur schlimmen Bahn.
Doch bald ist nun dein hoher Traum beendet,
Drum tun wir, wie der gute Schneider tut,
Der, soviel Zeug er hat, ins Kleid verwendet.
Die Augen richten wir aufs höchste Gut
Und dringen so, indem wir nach ihm sehen,
So tief als möglich in die reine Glut.
Gewiß, und nicht vielleicht, muß rückwärts gehen,
Wer vorwärts hier die kühnen Flügel schwingt,
Denn Gnad’ erlangt man hier allein durch Flehen;
Gnade von jener, die dir Hilfe bringt,
Und folgen wirst du mir, wenn deine Liebe
Zu ihr empor mit meinem Worte dringt."
Und also betet’ er mit brünst’gem Triebe:

Dreiunddreißigster Gesang

“O Jungfrau Mutter, Tochter deines Sohns,
Demüt’ger, höher, als was je gewesen,
Ziel, ausersehn vom Herrn des ew’gen Throns,
Geadelt hast du so des Menschen Wesen,
Daß, der’s erschaffen hat, das höchste Gut,
Um sein Geschöpf zu sein, dich auserlesen.
In deinem Leib entglomm der Liebe Glut,
An der die Blume hier äu ew’gen Wonnen
Entsprossen ist, in ew’gem Frieden ruht.
Die Lieb’ entflammst du, gleich der Mittagssonnen,
In diesem Reich; dort, in der Sterblichkeit,
Bist du der frommen Hoffnung Lebensbronnen.
Du giltst so viel, ragst so in Herrlichkeit,
Daß Gnade Suchen und zu dir nicht flehen,
Wie Flug dem Unbeflügelten gedeiht.
Du pflegst dem Armen huldreich beizustehen,
Der zu dir fleht, ja öfters pflegt von dir
Die Gabe frei dem Fleh’n vorauszugehen.
In dir ist Huld, Erbarmen ist in dir,
In dir der Gaben Fülle–ja, verbunden.
Was Gutes das Geschöpf hat, ist in dir.
Er, der vom tiefsten Schlund sich eingefunden
Des Weltalls hat, der Geister Art und Sein,
Von Reich zu Reich zu sehn und zu erkunden,
Er fleht zu dir, ihm Kräfte zu verleih’n,
Daß er die Augen höher heben könne,
Und seinen Blick für’s höchste Heil zu weih’n.
Und ich, der ich mehr für sein Schauen brenne,
Als für mein eignes je, wie dir bewußt,
Ich fleh’, und das, was ich gefleht, vergönne!
Nimm ihm der Erde Nacht von Aug’ und Brust
Und flehe du für ihn, daß sich entfalten
Vor seinen Augen mag die höchste Lust.
Noch bitt’ ich, Königin, dich, die du walten
Kannst, wie du willst, in ihm und solchem Sehn,
Gesund des Herzens Neigung zu erhalten.
Laß ihn der ird’schen Regung widerstehn;
Sieh Beatricen, sieh so viel Verklärte
Mit mir zugleich, die Hände faltend, fleh’n!"
Die Augen, die Gott liebt und wert halt, kehrte
Sie fest dem Redner zu und zeigte drin,
Ihr sei das fromme Fleh’n von hohem Werte.
Dann blickten sie zum ew’gen Lichte hin;
Und einen Blick so klar dorthin zu senden
Wie sie, vermag nicht des Geschöpfes Sinn.
Dem Ziel, zu dem sich alle Wünsche wenden,
Mich nähernd, fühlt’ in meinem Innern ich
So, wie ich mußte, jede Sehnsucht enden.
Und lächelnd winkte Bernhard mir, daß sich
Mein Auge nun empor zum Höchsten richte;
Doch, wie er wollte, war ich schon durch mich.
Denn stets ward’s klarer mir vorm Angesichte,
Und mehr und mehr drang durch den Glanz hinan
Mein Blick zum hohen, in sich wahren Lichte.
Und tiefer, größer war mein Schau’n fortan,
Daß solchen Blick die Sprache nicht bekunden,
Nicht die Erinnerung ihn fassen kann.
Wie der, dem nach dem Traum, was er empfunden,
Tief eingeprägt, das Herz noch lang erfüllt,
Wenn das, was er geträumt, ihm schon entschwunden;
So bin ich, dem beinah sein Traumgebild
Entschwunden ist, und dem die Lust, geboren
Aus jenem Traum, noch stets im Herzen quillt.
So schmilzt der Schnee, wenn aus des Ostens Toren
Die Sonn’ erwärmend steigt; so war beim Wind
In leichtem Staub Sibyllas Spruch verloren.–
O höchstes Licht, das, was der Mensch ersinnt,
So weit zurückläßt, leih itzt meiner Seele
Ein wenig nur von dem, was ihr verrinnt.
Mach’ itzt, daß Kraft die Zunge mir beseele,
Damit ein Funke deiner Glorie nur
Der Nachwelt bleib’ in dem, was ich erzähle.
Wenn deine Huld von dem, was ich erfuhr,
Nur schwachen Nachhall diesem Liede spendet,
Dann sieht man klarer deiner Siege Spur.
Mich hätte, glaub’ ich, ganz der Blitz geblendet,
Den ich von dem lebend’gen Strahl empfand,
Hätt’ ich von ihm die Augen abgewendet.
Und ich erinnre mich: mein Mut erstand
Durch ihn, die Blitze kühner zu ertragen,
Bis sich mein Blick der ew’gen Kraft verband.
O überreiche Gnad’! Ich dürft’ es wagen,
Fest zu durchschau’n des ew’gen Lichtes Schein
Und ins Unendliche den Blick zu tragen.
Er drang bis zu den tiefsten Tiefen ein;
Die Dinge, die im Weltall sich entfalten,
Sah ich durch Lieb’ im innigsten Verein.
Wesen und Zufall, ihre Weis’, ihr Walten,
Dies alles war in eines Lichtes Glanz,
In eines unvermischten Lichts, enthalten.
Die Form, die allgemeine, dieses Bands,
Ich sah sie, glaub’ ich; denn den Schatten gleichen
Die Bilder nur, und Wonne füllt mich ganz.
Mehr macht mein Bild ein Augenblick erbleichen,
Als drittehalb Jahrtausende die Fahrt
Der Argo nach Neptunus’ fernsten Reichen.
Scharf, unbeweglich schaut’ in solcher Art
Die Seele nach dem göttlichen Gesichte,
Drob sie stets mehr im Schau’n entzündet ward.
Und also wird man dort bei jenem Lichte,
Daß es nicht sein kann, daß man, abgewandt
Von ihm, je anderwärts die Augen richte,
Weil es das Gut, des Wollens Gegenstand,
Ganz in sich faßt und ärmlich und voll Schwächen
All andres zeigt, was man vollkommen fand.
Kurz werd’ ich nun von dem Geschauten sprechen,
Und sprechend stell’ ich mich als Kindlein dar,
Dem noch Erinnerung und Wort gebrechen.
Nicht weil ein andrer jetzt, als einfach klar,
Der Schimmer ward, zu dem mein Blick sich kehrte;
Denn jener bleibt so, wie er immer war,
Nur weil im Schau’n sich meine Sehkraft mehrte,
Schien’s, daß verwandelt jener eine Schein,
Sich mir, der selbst verwandelt war, verklärte.
Zum tiefen, klaren Lichtstoff drang ich ein,
Da schienen mir drei Kreise, dort zu sehen,
Dreifarbig und an Umfang gleich zu sein.
Wie Iris in der Iris glänzt, so zween
Im Widerschein–der dritte, Glut und Licht,
Schien gleich von hier aus und von dort zu wehen.
Wie kurz, wie rauh mein Wort für solch Gesicht!
Und dem, was zu erschau’n mir ward beschieden,
Genügen wenig schwache Worte nicht.
O ew’ges Licht, allein in dir in Frieden,
Allein dich kennend und von dir erkannt,
Dir selber lächelnd und mit dir zufrieden,
Als ich zur Kreisform, die in dir entstand,
Wie widerscheinend Licht, die Augen wandte,
Und sie verfolgend mit den Blicken stand,
Da schien’s, gemalt in seiner Mitt’ erkannte,
Mit eigner Farb’, ich unser Ebenbild,
Drob ich nach ihm die Blicke gierig spannte.
Wie eifrig strebend, aber nie gestillt,
Der Geometer forscht, den Kreis zu messen,
Und nie den Grundsatz findet, welcher gilt;
So ich beim neuen Schau’n–ich wollt’ ermessen,
Wie sich das Bild zum Kreis verhielt’, und wie
Die Züge mit dem Licht zufammenflössen.
Doch dies erflog der eigne Fittich nie,
Ward nicht mein Geist von einem Blitz durchdrungen,
Der, was die Seel’ ersehnt hatt’, ihr verlieh.
Hier war die Macht der Phantasie bezwungen,
Doch Wunsch und Will’, in Kraft aus ew’ger Ferne,
Ward, wie ein Rad, gleichmäßig umgeschwungen,
Durch Liebe, die beweget Sonn’ und Sterne.

 

Die Hölle  •  Das Fegefeuer  •  Das Paradies  • 

[Buy at Amazon]
G'Day to Die: A Passport to Peril Mystery (Passport to Peril Mysteries (Paperback))
By Maddy Hunter
At Amazon