Celsissimus
By Arthur Achleitner

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V.

Der Hausfaktor im Kaufhause Wilhelm Alts trat schlürfenden Schrittes, ängstlich besorgt, jeglichen Lärm zu vermeiden, in das Gemach, in welchem der Handelsherr auf seinem Lager ruhte, und meldete, als Alt den faltenreichen Kopf nach dem Eintretenden drehte, mit halblauten Worten, daß der Ratsherr Puchner zu Besuch gekommen sei.

Das vergrämte Antlitz des Kaufherrn erhellte sich für einen Augenblick, doch Alts Stimme klang wie immer hart, als der Unbeugsame, welcher infolge der aufregenden Flucht der vielgeliebten Tochter kränkelte, dem Faktor zurief: “Laß ihn herein und hindere jegliche Störung!”

In Erwartung des Besuches blieb Alt halbaufgerichtet im Bette sitzen, ein Sonnenstrahl verirrte sich ins Gemach und huschte über Alts Gestalt, um rasch wieder zu verschwinden.

Leise trat Peter Puchner ein und drückte die Thür sanft ins Schloß.

“Ei, Freund Puchner! Nur nicht so ängstlich! So schlimm steht es noch nicht um mich, daß ein kleines Geräusch mich schon von dannen bringen mag! Willkommen, Puchner!”

“Gott zum Gruß, Freund Alt!”

“Nimm einen Stuhl und setz’ dich zu mir ans Lager! Ich kann nicht auf, zu schwach sind geworden die Füße! Der Alt ist alt geworden baß, ich kann’s nicht länger leugnen!”

Puchner saß an der Bettlade und wehrte ab: “Sag’ doch dergleichen nicht! Freund Willem, die trutzige Wetterfichte, die trotzt noch manchem Sturm!”

“Nein, nein! Hab’ an dem einen Sturm just genug! Doch davon soll die Red’ nicht sein! Was ist dein Begehr, Puchner? Kommst du in Heimgart oder hast ein Geschäft im Aug’?”

“Nicht von Geschäft soll die Rede sein, wasmaßen ja alles darnieder liegt in dieser trostlosen Zeit, die uns das Wasser wird gar schwer auch noch versteuern. Nein, Willem! Nachschauen bei dir wollt’ ich und fragen, wie es dir ergeht; hab’ dich seit Monden nicht gesehen. Ist nimmer allzufrüh, daß der Freund kommt fragen!”

“Hab’ Dank, Puchner! Es muß ertragen werden! Komm’ ich nur wieder auf die Füße, mit dem Saldo räum’ ich auf!”

“Bist immer unversöhnlich noch, Freund Alt?”

Ein schrilles Lachen kam von des Kaufherrn höhnisch aufgezogenen Lippen: “Unversöhnlich? Ja! Niemals kann verzeihen ich den Schritt, der die Ehr’, mein Leben hat geschändet und vergiftet! Rache will ich haben, Rache, das ist meines Lebens einziges Ziel!”

“Bleib’ ruhig, Freund! Und nehm’s nicht gar zu schwer!”

“Ha! Du redest wie der Blinde von der Farb’! Wärst du in meiner Lage, ich denk’, Taubenblut flöss’ nicht in deinen Adern und dein alter Kopf würd’ sinnen auf Rache und Vergeltung!”

Puchner seufzte und schwieg.

“Nichts weiter davon! Kommen wird der Tag und getreulich will als Kaufmann ich die Rechnung stellen! Genug!–Was ist in der Landschaft wohl des Neuen verhandelt worden?”

“Heut war Sitzung, die stürmisch arg verlaufen. Die Stifter wie die Gestrengen aus der Adelssippe, die wetterten nicht wenig, daß zahlen sie sollen gleich dem Bürgersmann.”

“Das will ich gerne glauben! Was der Fürst bis jetzt gethan, dies Steuermandat ist das einzig’, was der Gerechtigkeit entspricht!”

“Dem Erzbischof wird’s Kampf genug noch kosten!”

“Warum soll der nicht auch den Ernst des Lebens spüren!”

“Er spürt das, glaub’ ich, längst; doch versteht er’s wahrlich, nicht übergroß werden zu lassen die Last der Sorgen.–Die Landschaft hat zugestimmt.”

“Wirklich? Wie ist mir doch? Ich vermeine, es hieß, die Steuer sollte gelten ’für ewige Zeiten’? Hat solche Fußangel keiner gesehen, die Schlinge um den Hals nicht gefühlt?”

“Doch! Mehr als einer sprach sein Bedenken aus; aber es fehlte nicht an Stimmen, die zur Annahme rieten, weil mehr und Höheres zu gewinnen sei, so man jetzund ist dem Fürsten zu Willen.”

“Mit dem Strick um den Hals kann man nicht König werden!”

“Das ist wohl richtig. Aber des Fürsten Freund, der Domherr Graf von Lamberg, hat vertraulich wichtige Kunde werden lassen dem Ausschuß!”

“Trau einer diesem list’gen Fuchs!”

“An gutem Willen mag es dem Domherrn wohl nicht fehlen. Lamberg ließ uns wissen, daß die Annahme des Hauptmandates mit sich bringe den Nachlaß der Handelssteuer um ein Dritteil.”

“Und das habt Ihr frischweg geglaubt?”

“Die Kaufmannschaft stimmte zu, der Vorteil ist handgreiflich.”

“O Einfalt! Einem Wolf Dietrich trauen, es ist unsäglich dumm!”

“So schlimm, als man ihn ausschreit, ist er nicht; gar manchen schönen Zug erzählt man sich von ihm. Wird er erst älter sein, gereifter, er wird noch gut und recht für unser Land, es steckt Gutes in ihm, ich glaub’ es selber!”

“Puchner, mir bangt um dich!”

“Aus dir spricht nur der Haß und Zorn. Hast überwunden einmal die bittere Zeit, wirst auch Lobenswertes finden du am Fürsten, der Großes will und Edelmann ist jeder Zoll.”

“So kann’s nicht fehlen: Lobt der Bürger den Edelmann, hat der Adel das Recht, den Dummen die Haut über den Kopf zu ziehen.”

“Derweil will für dumm ich gelten, ich hab’ gute Hoffnung auf den Fürsten! Bin ich recht berichtet, will erklärlich mir erscheinen die Hast in den Mandaten.”

“Wie meint Freund Puchner?”

“Der Fürst ist schlecht bei Cassa!”

“Bravo, Alter! Erst sinnlos wirtschaften, das Geld mit vollen Händen wegwerfen, prunken und prassen, und nun die Kassen leer, preßt der Schlemmer das Volk aus wie Limonien, und eines Volkes weise Landschaft findet das in schönster Ordnung. Puchner, ich rate dir, melde dich beim Kaiser, der macht dich zum Reichspfennigmeister. Zacharias Geizkofler ist zwar erst jung im Amt und tüchtig, hat sein Geschäft gut erlernt bei den Fuggern zu Augsburg, du aber bist selbst diesem Manne über. Wenn der Kaiser kein Geld hat, lobt ihn der Puchner und findet erklärlich jedes Geld erpressende Mandat! Alle Achtung, Puchner!”

“Spott’ nur zu, Willem! Wer auf dem Geldsack sitzt, hat leicht Sparsamkeit predigen. Des Lebens Not hat Willem Alt nie gelernet kennen. Was weißt du, wie zu Mute sein mag einem Fürsten ohne Mittel?!”

“Dann hätt’ er sich nicht lassen sollen wählen!”

“Du bist verbittert, Alt, der grimme Zorn trübet dir den Sinn. Und zu streiten bin wahrlich ich nicht gekommen. Geplaudert ist genug, ich wünsch’ dir baldige Genesung und den Frieden im Gemüt....”

“Den find’ ich auf Erden nimmer!–Hab’ Dank für deinen Besuch, Puchner, und komm’ bald wieder!”

Puchner reichte dem Kaufherrn die Hand zum Abschied und erschauerte; Alts Rechte war abgemagert, nur Haut und Knochen, und eiskalt. Auf dem Heimweg war Puchner dessen froh, daß er dem kranken, racheglühenden Handelsherrn nicht alles aus der Landschaft erzählte, was Alts Zustand jedenfalls noch stärker würde erregt haben, als es ohnedies schon der Fall gewesen. Welch’ grimmige Bemerkungen sind im Ausschuß doch gefallen über die Prunksucht des geldgierigen Fürsten, über die Verschwendung, über das Leben Salomens am fürstlichen Hofe, deren Aufwand, und manches Wort, wenn auch geradezu widersinnig, ward gesprochen im Hinblick auf Wilhelm Alt, dem man sothane Bescherung zu Salzburg zu verdanken habe. Als wenn der in seiner Ehre so empfindlich getroffene, der Tochter beraubte Handelsherr auch nur den leisesten Anteil an der Gestaltung der höfischen Verhältnisse hätte! Und wie würde der gebrochene Mann mit Aufgebot der letzten Willenskraft gewettert haben, hätte er erfahren, daß die Landschaft nicht nur die einmalige Einhebung der bevorstehenden Türkensteuer, sondern auch die Bezahlung für die nächstfolgenden Jahre bewilligte, alles in der Hoffnung, auf dem Gebieter auf einen einigermaßen erträglichen modus vivendi zu kommen.

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Vorwort.  •  I  •  II.  •  III.  •  IV.  •  V.  •  VI.  •  VII.  •  VIII.  •  IX.  •  X.  •  XI.  •  XII.  •  XIII.  •  XIV.  •  XV.  •  Fußnoten

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