Celsissimus
By Arthur Achleitner

Presented by

Public Domain Books

XIV.

Graf Lamberg, vom Fürsten zum Bischof von Gurk ernannt, war gleichwohl in Salzburg verblieben und erwies sich immer mehr als treuer Freund auch Salomens, als diese ihn in ihre Pläne eingeweiht und um seine Unterstützung gebeten hatte.

Durch Lambergs Vermittelung wurde eine Audienz Salomens beim Kaiser erwirkt, zur Verhüllung einer Prager Reise aber der Besuch von Karlsbad vorgeschützt.

Salome mit den ältesten, prächtig herangewachsenen Kindern, gefolgt von zahlreicher Dienerschaft, reiste nach Prag, mutig das gesteckte Ziel verfolgend, so sehr das Herz der zarten Frau auch zitterte im Gedanken, vor den Kaiser treten zu sollen, von dem es hieß, Rudolf II. sei ein unheimlicher, krankhaft erregter, weltverlorener Mann, herrschsüchtig, auffahrend, grausam und dennoch des wärmsten Mitleids bedürftig.

Salomens Liebreiz, der ihr verblieben, trotz des reichen Kindersegens, erwies sich siegreich wie immer auch in Prag; ihr bei allem fürstlichen Aufwand und Prunk bescheidenes Auftreten öffnete die Herzen vieler Adeliger, die darin wetteiferten, der schönen Frau die Honneurs zu erweisen. Manch verstohlener Blick galt der Dame, die mutig ausharrt an eines Erzbischofes Seite und des kirchlichen Segens für ihren Bund entbehrt.

Der Tag der Audienz in der Kaiserburg Hradschin kam, zagend fand Salome mit den Kindern sich im hohen Empfangssaal ein, geleitet vom Dienstkämmerer, der alsdann in einem Nebengemach verschwand, um dem Kaiser Meldung zu erstatten.

Rudolf II. in schwarzer spanischer Tracht, saß an einem mit Folianten und Geräten überladenen Tisch, vertieft in das Studium alchymistischer Schriften, das er nebst Astrologie so sehr liebte und darob der Sorgen um das Reich oft vergaß. Kaum hörte der Monarch die leise gesprochenen Worte des Kammerherrn, kaum, daß Rudolf den Kopf hob. Nur als das Wort “Salzburg” fiel, ward der kranke Kaiser aufmerksamer und fragte wie geistesabwesend, wer um Empfang bitte, obwohl der Kämmerling diesbezügliche Meldung eben erstattet hatte.

Ehrerbietig sprach der Dienstkämmerer: “Frau von Altenau aus Salzburg bittet Euer Majestät unterthänigst um gnädigen Empfang.”

Rudolf fuhr mit der zitternden Rechten über die bleiche Stirne und murmelte: “Altenau aus Salzburg–kenn’ ich nicht! Salzburg–der widerhaarige Fürst–ja ich weiß–bin müde, führ’ er den Bittsteller herein, soll kurz es machen!”

Unter tiefer Verbeugung erwiderte der Kämmerling: “Euer Majestät unterthänigst zu vermelden: Es ist eine Dame, die um Audienz bittet!”

Im abgespannten, dem Mysticismus verfallenen Kaiser regte sich die Ritterlichkeit, als er hörte, daß eine Dame seiner harrt, Rudolf erhob sich und gab Befehl, Frau von Altenau hereinzugeleiten.

Nach wenigen Augenblicken trat Salome, zwei ihrer Kinder an der Hand führend, ein, sie wie die Kinder beugten das Knie vor dem Kaiser, der tiefernst und dabei verwundert die Gruppe betrachtete, doch sogleich die Dame bat, sich zu erheben.

Salomens Liebreiz fesselte des Kaisers Blick, seine Miene wurde freundlicher.

“Gnädigster Kaiser und Herr!” sprach bebenden Tones Salome und richtete den Blick aus den süßen blauen Augen voll auf den Monarchen, “wollen Euer Kaiserliche Majestät in Gnaden mir verstatten, mein Anliegen vorbringen zu dürfen.”

Rudolf verstand und winkte dem Kämmerer, sich zu entfernen. Dann sprach der Kaiser: “Ihr seid verheiratet? Mit wem?”

Salome erbebte, der gefürchtete Augenblick ist gekommen, das schreckliche Wort muß gesprochen werden, so hart dies auch ist. Nach Atem und Ruhe ringend, stammelte Salome: “Gnädigster Herr und Kaiser! Mein Bund entbehrt–des kirchlichen Segens!”

“Wie? Und dennoch seid Ihr Mutter!” rief Rudolf und wich einen Schritt zurück.

“Ja! Schwer litt ich unter solchem Druck unseliger Verhältnisse!”

“Ohne kirchlichen Segen! Verdammnis ist das Los! Wie müßt Ihr zittern vor jeder österlichen Beichte!–Wer ist der Mann, der sich nicht scheut, den Geboten der heiligen Kirche Trotz zu bieten?”

Demütig neigte Salome das zierliche Haupt und leise erwiderte sie: “Unterthanin bin ich und Gemahlin meines gnädigen Herrn und Fürsten von Salzburg.”

“Des Erzbischofs Wolf Dietrich?” rief überrascht und betroffen der Kaiser aus.

Salome nickte und richtete beklommen den angstvollen Blick auf den Monarchen, der ersichtlich gegen unangenehme Empfindungen kämpfte und in seiner krankhaften Erregbarkeit die Hand wie zur Abwehr hob.

“Gnade, Majestät! Gnade für ein armes, schwaches Weib, die treue Dienerin ihres geliebten Herrn!” flehte Salome.

Herb klangen des Kaisers Worte: “Gnade? Ein Leben voll Sünde und Trotz, verachtend alle Gebote, gelebt im überschäumend Übermut der unbesonnenen Jugend, und hinterdrein, so Erkenntnis frevelhaften Thuns gekommen, das Flehen um Gnade und Barmherzigkeit! Unerbittlich sind die Satzungen der heiligen Kirche!–”

“Doch Christus und das heilige Evangelium lehrt uns die Liebe und verspricht Vergebung jedem Sünder, so er reumütig Einkehr hält!”

Unwillig und erregt rief Rudolf: “Weiß der Erzbischof nichts von Cölibat, nichts von tugendsamer Enthaltsamkeit? Er muß das wissen, dafür ist er Bischof, steht an des Klerus höchster Spitze! Erwählet vom Kapitel, vom Papst bestätigt wie vom Kaiser ist der Kirchenfürst, muß ein leuchtend Beispiel sein der Enthaltsamkeit und Tugend! Von alledem keine Spur beim Salzburger! Fürchtet er nicht Gottes Zorn, den Bannstrahl Roms, die Strafe schon auf Erden hienieden?”

Salome raffte sich auf, eine edle Begeisterung erfüllte ihr Herz, in bewegten Worten sprach die liebende, für ihre Kinder ringende Frau: “Gott der Herr ist barmherzig und milde, Gott verzeiht, wenngleich die Menschen verdammen. Mein gnädiger Landesherr hat in jungen Jahren mich, die Unterthanin, erkoren zum ehelichen Gemahl. Wohl wußten wir und kannten das Hindernis, die Jugend und die Hoffnung belebte den Bund. Im salzburgischen Gebirg wie anderswo sind zahlreich die Pfarrer und Kuraten in kirchlich geschlossener Ehe. Was dem letzten verstattet, konnte doch auch gewährt werden dem Höchsten im Klerus! Mein gnädiger Herr hat lange geharret und gehofft mit mir, sich füglich unterworfen, die Trauung ist mit nichten erfolget, um Rom nicht zu verletzen. Was ich unter solchem Entschluß gelitten, ich hab’ es durchgerungen.–”

“Ihr seid verblieben dennoch?!”

“Ja, Kaiserliche Majestät! Es ist ein Bund fürs Leben, in Treue harr’ ich aus bis zu des Lebens letztem Atemzug! Wahre Treu’ braucht die Stola nicht–”

“Gott, wenn Euch ein Diener der heiligen Kirche hörte–” rief erschrocken der tief im Banne fanatischer Priester stehende Kaiser.

“Die Treu’ muß im Herzen wohnen! Treu war ich dem Fürsten, Treue bewahrte mir der Herr!”

“Und Verdammnis wird sein Euer Los!”

“In langen Jahren hat Rom kein Wort des Tadels gesprochen! Wollen die Priester päpstlicher sein als der Papst? Ist es weniger sündhaft wie lebet mancher Kirchenfürst gleich dem Türken, der Bamberger und der von Köln!”

“Still davon! Man darf nicht reden über solche Dinge!”

“Verzeihet gnädigster Kaiser! Wirft Steine man auf mich, darf ich da nicht hinweisen auf den Wandel anderer? Ist ein ehrbar Eheleben schmachwürdig? Nimmer kann ich’s glauben!”

Zaghaft und scheu sprach Rudolf: “Hab’ recht ich Euch verstanden, so hat unterworfen sich der Erzbischof von Anbeginn dem Gebote Roms, wonach er doch die kirchliche Trauung hat vermieden?”

Salome seufzte tief und nickte in wehmutsvoller Ergebenheit.

“Das mildert wohl den ansonsten bösen Fall in etwas. Und Rom hat geschwiegen! Was soll nun ich? Was führt Euch zu mir?”

Salome kniete nieder, hob flehend die Hände empor und sprach: “Des Kaisers Gnade möcht’ erbitten ich aus tiefstem Herzensgrund für–meine Kinder! Helfet mir, o Herr und Kaiser!”

Rudolf bat wiederholt, es möge die Dame sich erheben.

Doch Salome blieb knieen, auch Wolf und das Schwesterlein knieten und hoben die Händchen bittend empor.

Dieser Anblick rührte des Kaisers Herz, weich sprach Rudolf: “Was ist Euer Begehr?”

Innig flehte Salome: “Gnädigster Kaiser und Herr! Erbarmet Euch in Eurer Macht dieser unschuldvollen Kinder! Nichts für mich will ich erbitten, will tragen die Schuld meiner Liebe und meines Lebens, doch erfleh’ ich des Kaisers Gnade und Barmherzigkeit! Gebt, o Herr und Kaiser, den Kindern das Recht der ehelichen Geburt! Bestätigt in Gnaden die Urkund’ meines Herrn und Gebieters!”

“So hat der Erzbischof schon geurkundet in bemeldter Sache?”

“Ja, Kaiserliche Majestät! Mein Herr und Gebieter will geben seinen Namen unseren Kindern, Raittenau, nach des Vaters Geschlecht zu Langenstein im Hagau! O habt Erbarmen gnädigster Herr und Kaiser mit den unschuldigen Kindern!”

“Ihr habet groß Vertrauen zu mir, will mich bedünken!” sprach mild der Kaiser.

“Mein Denken wie mein Fühlen gilt nächst Gott des großen Reiches mächtigem Herrn und Kaiser! Wie der Allmächtige erhöret ein frumb Geber, wird öffnen Ohr und Herz auch der mächtige Kaiser einer innigen Bitte aus tiefstem Herzensgrund!”

“Erhebet Euch! Steht auf Ihr Kinder! Nicht vergebens sollet die Händchen gehoben haben Ihr zu mir in kindlichem Vertrauen! Der Kaiser wird Euch den Namen geben nach ehelicher Geburt und Recht, darauf geb’ ich mein kaiserliches Wort!”

Überglücklich haschte Salome nach des Kaisers Hand, und ehe Rudolf sie entziehen konnte, drückte Salome eine Kuß der Dankbarkeit auf die kaiserliche Rechte.

“Nicht doch! Gewähret sei Euch die rührend Bitte! Und da nichts, mit keinem Wort Ihr für Euch selbst erbeten habet, will der wackeren Mutter ich selbst gedenken und geben Euch die Adelsfreiheit erzstiftischer Landsassen....”

“O welche Gnade, Kaiserliche Majestät! Nicht fassen kann ich solche Huld, weiß der Worte nicht zum tiefsten Dank....”

“Sprecht, wie nennt man Euch zu Salzburg?”

“Mein gnädiger Gebieter und Herr erbaute ein Schloß mir und nannte es Altenau, wasmaßen ich führe den Namen Salome Alt.”

“So soll Altenau sein ein Adelssitz und Ihr sollet führen zu Recht fürder den Namen von Altenau kraft meiner Macht! Nun gehet mit Gott, kehret heim und gedenkt zuweilen im Thuemb im frumben Gebet Eures gnädigen Kaisers!”

Huldvoll grüßte Rudolf II. durch einen Händewink, ein sonniges Lächeln lag auf seinen Lippen wie seit langem nicht.

Glückstrahlend dankte Salome nochmals und verließ mit den Kindern das Gemach.

Sinnend blickte der Kaiser der Dame nach und flüsterte vor sich hin: “Begreiflich find’ ich des Bischofs Wahl, solch’ Liebreiz nimmt gefangen! Doch möcht’ ich trotzdem nicht sein Leben voll verantworten! Mir grauet vor solcher Beicht’!”

Des Kaisers Antlitz verdüsterte sich wieder und trüb ward sein Sinn, er selbst die Beute schreckhafter Gedanken, ein Spielball in den Händen seiner herrschsüchtigen, fanatischen Umgebung.

Doch hielt Rudolf sein gegebenes Wort, er nobilitierte die tapfere Frau und bestätigte den Kindern den Namen Raittenau und gab ihnen die Rechte ehelicher Geburt.

Continue...

Vorwort.  •  I  •  II.  •  III.  •  IV.  •  V.  •  VI.  •  VII.  •  VIII.  •  IX.  •  X.  •  XI.  •  XII.  •  XIII.  •  XIV.  •  XV.  •  Fußnoten

[Buy at Amazon]
Celsissimus
By Arthur Achleitner
At Amazon