Celsissimus
By Arthur Achleitner

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IX.

An einem furchtbar heißen Augusttage wanderte ein Franziskaner-Frater auf Terminierung (Almosen-Sammlung) schwerbepackt einem Wirtshause zu, das am Fuße des dichtbewaldeten Geißberges bei Salzburg gelegen war. Der Bettelmönch keuchte unter der Last seines mit Getreide, Mehl und Speck gefüllten, mächtigen Sackes, und außerdem trug der krank aussehende Frater statt eines Stockes einen kleineren Sack in der Hand, der eine lebende Spende irgend eines frommen Bauers enthalten mochte, denn bei jedem Schritt zappelte das Lebewesen im Sack.

Und so oft der Bruder unwillig den Sack schüttelte, quieckste das Almosen aus Leibeskräften, wasmaßen die Spende ein Spanferkel war. Jener Älpler in der Kuchler Gegend konnte dem terminierenden Klosterbruder Hartgeld nicht geben, weil er selbst keines besaß, er spendete eben vom Ferkelüberfluß, der ihm geworden, in der Meinung, daß die Franziskaner zu Salzburg zur Abwechslung wohl gewiß gerne mal einen Ferkelbraten essen würden.

Der Frater nahm das lebende Almosen dankend in einem Sack mit und schleppte sich schwerbepackt weiter gegen Salzburg. Unweit des Wirtshauses am Fuße des Geißberges aber ward die Müdigkeit zu groß, der Bruder zitterte am ganzen Leibe, kalter Schweiß trat ihm auf die Stirne trotz der übermäßigen Hitze, stöhnend mußte der Frater am Straßenrain sich setzen, es ging nicht mehr weiter. Das Spanferkel quieckste schrecklich und versuchte im Sack die Flucht.

Angelockt von solchem Lärm erschien der Wirt der nahen Schenke vor der Schwelle und hielt Auslug. Kaum hatte der behäbige Zapfler den blassen, müden Mönch erblickt, da schritt er auf ihn auch schon zu, um helfend beizuspringen.

“Was fehlt Euch, Bruder? Ihr sehet baß übel aus!”

Der Frater stöhnte, mit Mühe brachte er heraus, daß ihm eine unerklärliche Krankheit angeflogen sein müsse. “Reichet mir barmherzig einen Schluck Weines, Gott wird Euch die Gutthat lohnen!”

“Sollt Ihr haben! Kommt nur mit in die Stube! Laßt mich die Säcke tragen! Ihr habet wohl eine Spansau mit?”

Der Klosterbruder nickte und bat, es möge der Wirt das Ferkel im Stall einstweilen einstellen und füttern bis zur Abholung.

“Gern soll das geschehen!” sprach der mönchefreundliche Wirt und trug den Sack mit dem Ferkel zum Stall. Auf Geheiß des Zapflers holte eine Dirn den andern großen Sack, und so von der Traglast befreit, vermochte der Frater allein und ohne Hilfe die Gaststube zu erreichen, wo ihm ein Humpen Weines gereicht wurde.

Ein Stündlein Ruhe und der kräftigende Wein halfen dem armen Bruder wieder auf die Beine, sodaß er nach Erstattung herzlichen Dankes den Terminierungssack wieder auf die Schulter zu nehmen und gen Salzburg zu wandern vermochte. Das eingestellte Ferkel will er auf neuer Terminierung gelegentlich wieder holen.

In der Hitze war es ein schlimmes Wandern; schon nach einer Stunde fühlte sich der Klosterbruder abermals matt zum Sterben, und in der Meinung, es gehe zu Ende, setzte er sich an den Straßenrain und machte Reu’ und Leid, die Sterbgebete flüsternd.

Ein Bäuerlein kam des Weges mit einem Fuhrwerk und sprach den armen Bettelmönch mitleidig an, der todesbleich, ein mit dem Tode ringender Mensch, bat, es möge der Bauer ihn um Gottes Lohn ins Franziskanerkloster nach Salzburg bringen.

Den Sack mit den Naturalien hatte der Bauer flink aufgeladen, schwieriger ward es mit dem Bruder, der die Gewalt über seine Gliedmaßen bereits verloren hatte. So blieb dem barmherzigen Bauer nichts anderes übrig, als den Frater gleich einem Getreidesack auf den Wagen zu legen.

Dann ward in die Stadt gefahren, und am Steinthor angehalten, gab der Fuhrmann der Thorwache an, er habe einen kranken Franziskaner im Wagen benebst dessen Almosensack.

Der Türmer, ein vorsichtiger Mann, trug Bedenken, einen Kranken in die Stadt zu lassen, wasmaßen allerlei beunruhigende Nachrichten umlaufen vom Herrschen der Pest in Hallein. Auf die Frage, was denn dem Klosterbruder fehle, konnte der Bauer nur versichern, daß er das nicht wisse, wahrscheinlich werde dem Frater die Gesundheit fehlen.

Der Türmer trat an den Wagen und fragte den Bruder, dessen Augen schon fast glasig geworden, ob der Frater wirklich ins Salzburger Kloster gehöre.

“Freilich, das hat er mir ja selber gesagt!” beteuerte der Bauer, dem es pressierte, in die Stadt zu kommen.

“Ja, wenn der Kranke nach Salzburg gehört, muß er wohl eingelassen werden!” argumentierte der Wächter und gab die Einfahrt frei.

Bis das Fuhrwerk die enge Steingasse durchfahren, die Salzach auf der Brücke übersetzt und die Klosterpforte erreicht hatte, war der Frater bereits verstorben, der Bauer konnte nur mehr einen toten Mann abliefern.

Rasch trugen die Fraters den Toten ins Kloster, der Bauer folgte rasch mit dem Almosensack, aus welchem der ob der entsetzlichen Hitze weich gewordene Speck tropfte. Die Schreckenskunde, daß ein Frater vom Terminieren tot heimgekommen, alarmierte das Kloster, und ein heilkundiger Pater eilte sogleich herbei, um am Leichnam vielleicht ein Zeichen für die Todesart zu finden. Erschrocken prallte der klösterliche Medikus zurück und rief: “Großer Gott! Ein Pestfall!”

Das hörte der Bauer, welcher bislang neugierig im Kloster und bei der Leiche geblieben war, und mit rasenden Sätzen flüchtete der Mann nun hinweg, sprang auf sein Gefährt und jagte das Roß unter Peitschenhieben dem Einstellhause zu.

Die rasende Fahrt mußte auffallen, zumal schon das Trabfahren in den engen Gassen verboten ist, und am Keutschachhofe fielen einige Trabanten dem Roß in die Zügel und brachten es zum Stehen.

“Auslassen, auslassen! Die Pest, die Pest!” zeterte der entsetzte Bauer, und scheu wichen die Trabanten von dem Gefährt hinweg.

Mit Windeseile verbreitete sich die Kunde von dem eingeschleppten Pestfalle, überall Schrecken und Todesangst erzeugend.

Während man im Rathause noch nicht wußte, was beginnen, hatte Wolf Dietrich bereits mit seiner Energie eingegriffen. Ein Offizier mit zahlreicher Mannschaft rückte im Eilmarsch vor das Franziskaner-Kloster und überbrachte den Befehl des Erzbischofes, wonach binnen einer Stunde alle Bewohner des Klosters, eingeschlossen den an der Pest verstorbenen Frater, das Haus verlassen und zu Schiff auf der Salzach wegfahren müssen.

Wohl protestierte der Guardian, die Mönche baten, den Frater doch vorher beerdigen zu dürfen; allein der Offizier beharrte auf dem ihm gewordenen Befehl, und als die Mönche keinerlei Miene zum Abrücken machten, erklärte der Offizier, nun Gewalt zu brauchen. Die Helebardiere, auch Musketiere darunter, drangen in die Klosterräume, es ward bitterer Ernst. Wie die Mönche standen, mußten sie abziehen, nichts durfte mitgenommen werden von den kleinen, bescheidenen Habseligkeiten, nur den Toten mußten die Fraters auf der Bahre wegtragen.

Von den Kriegsknechten eskortiert, wurden die Franziskaner im Eilmarsch zur Salzach getrieben, wo auf fürstlichen Befehl ein Salzschiff zur Fahrt bereit stand. Leer blieb das Kloster, dessen Pforte verschlossen worden war.

Der Transport erregte Erbitterung bei den mönchefreundlichen Bürgern, doch hielt die Angst vor der Pest und Ansteckungsgefahr die Leute ab, sich einzumengen.

Die Franziskaner jammerten, als sie gezwungen wurden, die Plätte zu besteigen, laut und beweglich, aber es nützte nichts.

Die Schiffsknechte, wenig davon erbaut, einen an der Pest Verstorbenen an Bord zu haben, zogen das Ländseil ein, und stießen ab. Von den Wellen erfaßt, drehte sich das breite Schiff und glitt dann, gut gesteuert, schnell hinab. Die Mönche beteten laut....

Scharf griff der Fürst weiter ein. Schergen fahndeten nach dem Bauer, der den toten Bettelmönch in die Stadt verbracht, und lieferten ihn in ein Haus in der Riedenburg ein, das sofort als Pesthaus isoliert worden war. Bis das aber geschehen konnte, war der Bauer doch schon mit verschiedenen Leuten in Berührung gekommen.

Nach wenigen Tagen gab es Pestfälle in der Stadt, Angst und Aufregung wuchsen. Ärzte und deren Gehilfen, von Soldaten begleitet, hielten strenge Ordnung, Erkrankte sowie alle Inwohner eines Hauses, wo sich ein Pestkranker befand, wurden zwangsweise aus der Stadt in das Pesthaus in der Riedenburg geschafft, rücksichtslos, unerbittlich wurde dieser Befehl vollzogen, ohne Ansehung der Personen.

Still ward es in Salzburg und heiß über alle Maßen. Unbarmherzig brannte die Augustsonne herab. Fest geschlossen waren die Thore, der Eintritt in die Bischofstadt blieb verweigert, denn im benachbarten Salzstädtlein Hallein herrschte ein großes Sterben, es hieß, es starben oft an einem Tage vierzig Menschen. Und schrecklich lauteten die Nachrichten, daß die Pest auch im angrenzenden Bayerlande wie im Österreichischen viele Opfer fordere.

An fünfzig Personen aus Salzburg starben im Schinderhaus zu Riedenburg. Auf Befehl des Fürsten mußten deren Verwandte wie auch sonstige Inwohner aus der Stadt auf die Felder verbracht werden und dort verbleiben, die Rückkehr war aufs strengste verboten.

Gesunde Leute zu Salzburg zwang man, tagsüber auf einige Stunden sich im Freien zu ergehen, auf daß sie doch etwas an die Luft kämen.

Als die Kunde zu Wolf Dietrich drang, daß die Ausgestoßenen auf den Feldern bittere Not litten, keine Verpflegung hätten, indem die umwohnenden Bauern in ihrer Angst vor Ansteckung sich weigerten, Nahrung abzugeben und die Leute scheu mieden, da sorgte der Erzbischof sogleich und schickte Atzung jeglichen Tag, auch mußten auf seinen Befehl Ärzte und Priester zur Wartung und Pflege der Kranken hinaus.

Endlich umzog sich das Firmament mit Wolken, von den Bergen blies frische Luft, ein Regen erquickte Land und Leute.

Die Salzburger faßten wieder Mut und wurden beweglich; Bürger thaten sich zusammen und supplizierten zum Fürsten, es solle der Erzbischof doch nicht so grausam sein und die Kranken im freien Felde belassen oder doch wenigstens auf der Schanz zu Mühlen (Mülln) unter Dach bringen, wofür die Bürgerschaft zur Deckung der Kosten eine Steuer extra zahlen wolle.

Diese Supplikation, hauptsächlich wohl der anmaßende Ton und Undank, erbitterte den Fürsten schwer, es erfloß ein Mandat, worin die Bürger als Aufwiegler und Unruhestifter erklärt und mit insgesamt achthundert Gulden Strafe wegen ihrer Ungebühr belegt wurden.

Die kühle Witterung hielt an und brachte Besserung im Krankenstande.

Auf Befehl des Fürsten durften die Exilierten, nachdem die Ärzte hierzu ihre Einwilligung gegeben, wieder ihre Stadtwohnungen beziehen, und auch den Franziskanern wurde die Rückkehr wieder gestattet, deren Kloster vorher völlig in stand gesetzt worden war. Im ganzen waren zu Salzburg neunzehn Häuser infiziert gewesen und etwa fünfzig Personen daraus verstorben. Damit erlosch die Pest in der Bischofsstadt und die Schrecken wichen. Zurück blieb nur der Ärger über die achthundert Gulden Strafe, welche unweigerlich an die Hofkasse gezahlt werden mußte.

Spätherbst war ins stiftische Land gezogen, die Wälder prangten in leuchtenden Farben.

Vom Franziskanerkloster wurden die Brüder ein letztes Mal vor dem Winter zum Terminieren ausgeschickt, einmal um für den eigenen Bedarf Vorräte zu bekommen, dann aber auch nach alter Satzung dieses Ordens Naturalien für die Armenbeköstigung zu erhalten.

Den Frater Anselm traf die Tour auf dem rechtseitigen Salzachufer bis gegen Golling, und mit einem mächtigen, anjetzo noch leeren Sack zog der Bruder aus um im Oberland mit dem Terminieren zu beginnen.

Viel war im von Steuern, Mißernte und der Pest heimgesuchten Ländchen nicht zu holen, die Gaben flossen spärlich.

Auf dem Rückweg von Kuchel gelangte Frater Anselm auch zum Wirt am Geißberg am späten Abend, und leer war bereits die Zechstube, nur eine Magd wusch hölzerne Bierbitschen, schon halb schlafend dabei und nicht eben erbaut davon, daß knapp vor Hausthorschluß noch ein später Gast eintrat.

Frater Anselm grüßte mit frommen Worten und bat um barmherzige Beherbergung für Gotteslohn.

Die Dirn guckte erst ein Weilchen, das Mönchhabit schien sie zu beruhigen, und da der Frater sonst keine Wünsche auf Verpflegung äußerte, war die Magd bereit, ihm ein dürftig Kämmerlein im niederen ersten Stockwerk anzuweisen. Das Fenster der düsteren Kammer, die außer einem Fuhrknechtbett nur noch Futtersäcke enthielt, ging dem von Mauern umschlossenen Hof zu.

Frater Anselm glaubte ersticken zu sollen in dieser dumpfen Kammer; vom fleißigen Terminieren an frische Luft gewöhnt, war es ihm Bedürfnis, hier das Fenster zu öffnen, an dem er nun eine Weile stand und Atem schöpfte. Totenstill und nachtschwarz war es um ihn. Doch plötzlich ward unten im Hof eine Thür geöffnet und eine Stimme rief: “Jackel! Vergiß nicht, morgen gleich in der Früh wird der ’Franziskaner’ abg’stochen!”

Und eine andere Stimme antwortete: “Ist recht, Wirt!”

Todesangst erfaßte den Frater, der jedes Wort gehört hat und nichts anderes denken kann, als daß er in eine Räuberhöhle geraten sein müsse und daß man ihm, dem armen Bettelmönch, ans Leben wolle. Bis zum Morgen darf nicht gewartet werden, Frater Anselm möchte noch ein Weilchen leben, er muß fliehen aus dem Mörderhause.

Wie aber entweichen, ohne den Mördern in die Hände zu laufen? Ein vorsichtig Betasten des Thürschlosses, der Versuch des Aufklinkens ergab die Gewißheit, daß der späte Gast wahrhaftig eingesperrt ist. Die Magd muß das Schloß von außen versperrt haben.

Ein verabredetes Spiel also! Nun zum Fenster! Aber erst muß alles im Schlafe liegen. So wartete der Mönch eine lange Zeit, von Todesangst gefoltert, bis andauernde Stille dem Fluchtversuch günstig erschien. Mit zitternden Händen löste der Franziskaner den weißen Strick von seiner Kutte, knüpfte die Enden ineinander, band das eine Ende am Fensterhaken fest und ließ sich am Strick hinab in den Hof. Gottlob hielt der Kuttenstrick diese Prozedur aus, und zum Glück befand sich kein Hund im Hof. Aber dieser Hof ist ringsum mit einer hohen Mauer umschlossen, das Hofthor ist fest verschlossen, und eine zweite Thür dürfte direkt ins Haus der Mörderbande führen. Also ist der Mönch rettungslos gefangen, eine Flucht unmöglich. Die Nachtkälte zwingt dazu, einen geschützten Unterschlupf zu suchen. Soll der Franziskaner am Kuttenstrick wieder hinaufklettern und den Rest dieser Schreckensnacht in der Kammer verbringen? Nein, lieber in den Verschlag im Hofe kriechen, der freilich nicht eben einladend duftet. Die Thür ist unverschlossen, also hinein. Am Grunzen der überraschten Bewohner konnte Frater Anselm unschwer erkennen, daß er im Schweinestall sich befindet. Eine mißliche Unterkunft, die aber vielleicht gerade seiner Rettung dienlich sein kann, denn im Schweinestall werden die Mörder ihr Opfer kaum suchen.

Mählich beruhigten sich die Borstenträger, nur ein Ferkel bekundete zudringliche Neugierde und ließ erst nach energischen Stößen und Fausthieben von näheren Untersuchungen des einquartierten Gastes ab. Zusammengekauert hockte der Mönch im Stall und trotz der fürchterlichen Angst überfiel ihn eine Art Halbschlummer, die Müdigkeit war zu groß.

Ein Haushahn krähte sein Kickeriki in die frische Morgendämmerung und weckte den Franziskaner zur rauhen Wirklichkeit. Und bald darauf ward es lebendig im Hause. Eine Thür wurde geöffnet, Menschen traten in den Hof, und in nächster Nähe des Schweinestalles rief eine Stimme, bei deren Ton der Mönch erzitterte: “Also Jackel, fang den ’Franziskaner’ ’raus und hau’ ihm gleich mit der Hack’ auf den Schädel!”

Frater Anselm fühlte sein Herz stille stehen, von Todesangst erfaßt murmelte er ein Stoßgebet zum Himmel und empfahl seine Seele der göttlichen Barmherzigkeit.

Die Thür zum Schweinestall ward aufgerissen, und im selben Augenblick faßte der Mönch blitzschnell den Entschluß, durch vehemente Flucht sich durchzuschlagen, den ersten der Mörder niederzustoßen. Gedacht, gethan, der Franziskaner prasselte aus dem Stall heraus wie ein Ungewitter und warf den Knecht über den Haufen.

“Hui!” schrie der entsetzte Wirt, der am Boden liegende zappelnde Knecht zeterte über Mord und Totschlag. Auch der Franziskaner schrie in seiner Todesangst und rannte wie besessen dem Hofthor zu.

Alle Hausinsassen kamen ob des Lärmes herbeigesprungen. Der Wirt, bleich wie der Tod, zitterte wie Espenlaub und richtete Beschwörungsworte an den Franziskaner, der schreckerstarrt an der Hofmauer stand und die Sterbgebete murmelte. Durch die offene Stallthüre aber hüpften die Schweine heraus, quiecksend und schreiend den Wirrwarr im Gehöft vermehrend.

“Bist du ein Geist oder der Teufel in Verkleidung?” schrie der Wirt und machte das Kreuzzeichen gegen den Mönch.

Frater Anselm faßte augenblicklich Mut; wer das Kreuzeszeichen macht, kann kein Mörder sein. Er rief: “Im Namen Gottes des Herrn frag’ ich Euch: Was wollet ihr von meinem Leben?”

“Seid Ihr ein Geist oder ein sterblicher Mensch?”

“Ich bin ein Franziskanerbruder, also ein Mensch!” Jetzt änderte sich die verworrene Situation sofort; der Wirt gestand, daß er ein Ferkel, das vor geraumer Zeit ein Bettelmönch eingestellt, “Franziskaner" genannt und gestern Auftrag gegeben habe, dieses Franziskaner-Ferkel abzuschlachten. Wie nun statt dieses Ferkels ein Kuttenmönch aus dem Schweinestall herausgesprungen sei, habe er nicht anders geglaubt, als daß wegen des begangenen Frevels, ein Schwein “Franziskaner” genannt zu haben, das Ferkel in einen Bettelmönch verwandelt und ein Geist geworden sei.

Flink nützte Frater Anselm die Lage aus, indem er gewaltig über solchen Frevel loszog und die Strafe Gottes in nächste Aussicht stellte.

Die Strafpredigt zwang den verdatterten Wirt in die Kniee, reuig bat er um Verzeihung und gelobte das aufgefütterte Ferkel sogleich dem Franziskanerkloster zurückstellen zu wollen.

Mehr konnte Frater Anselm nicht verlangen und schließlich lachte er über die ausgestandene Angst und sein Mißgeschick, und die Gehöftbewohner lachten tapfer mit. Das Franziskaner-Ferkel wurde eingefangen und gebunden, dann mußte Frater Anselm sich bewirten lassen, und schließlich ward angespannt, der Wirt fuhr den Mönch mit dem Terminiersack und dem schreienden Ferkel nach Salzburg ins Franziskanerkloster.

Wenn ein Umstand den Wirt etwas beklommen machte, war es die Mitteilung, daß jener Franziskaner, der das Spanferkel eingestellt hatte, an der Pest verstorben sei.

Der Gedanke an die damalige Ansteckungsgefahr ließ den Wirt nachträglich erschauern. Indes die Seuche ist seit Monaten erloschen, es hat keine Gefahr mehr, und anstandslos durfte der Wirt durch das Stadtthor einfahren.

Im Kloster lachte man weidlich über diese Franziskanergeschichte, und weil das Ferkel so prächtig aufgefüttert worden war, verübelte man dem Wirt den Unterschlagungsversuch nicht weiter, zumal er ja nicht wissen konnte, daß jener anspruchsberechtigte Mönchsbruder mit Tod abgegangen war. Fürder wurde besagter Wirt einer der eifrigsten Almosenspender für die wackeren Franziskaner und alljährlich lieferte er dem Kloster aus eigenem Antrieb ein Ferkel zur Sühne.

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Vorwort.  •  I  •  II.  •  III.  •  IV.  •  V.  •  VI.  •  VII.  •  VIII.  •  IX.  •  X.  •  XI.  •  XII.  •  XIII.  •  XIV.  •  XV.  •  Fußnoten

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